Absolution für die Bösen

Eigentlich hatte die US-Regierung den Irak wegen der Massenvernichtungswaffen angegriffen, jetzt lässt man die die angeblich für die Entwicklung von biologischen Waffen Verantwortlichen frei

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Es ist schon seltsam. Bevor man andere Gründe für den Einmarsch als Ergänzung aufbot, wurde das angebliche Programm zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein als entscheidender Kriegsgrund von der Bush-Regierung und der treuen britischen Vasallenregierung angeführt. Dann ging es zwar, weil man ja wusste, dass es mit den Massenvernichtungswaffen nicht zum Besten stand und man sie schon irgendwo im Sand unauffindbar versteckt sah, um die "Operation Iraqi Freedom". Gleichwohl waren die maßgeblichen Verantwortlichen etwa für das vor dem Krieg vielfach beschworene Programm zur Herstellung von biologischen Waffen unter den Regime-Mitgliedern, die man vor Gericht stellen wollte.

Immerhin war Huda Salih Mahdi Ammash oder "Mrs Anthrax", wie man sie medienwirksam nannte, Nr. 53 der 55 Personen des Hussein-Regimes, die man nach der Invasion suchte und auf dem bekannten Kartenspiel der bösen Irakis abbildete. Schon Anfang Mai 2003 wurde sie festgenommen. Die Professorin für Mikrobiologie an der Universität Bagdad hatte in den USA promoviert und soll neben der später inhaftierten Rihab Taha oder "Dr Germ", ausgebildet in Großbritannien, für die Entwicklung biologischer Waffen verantwortlich gewesen sein. Taha hatte sich den Koalitionstruppen gestellt. Sie sollen die einzigen Frauen unter den hohen Regime-Mitgliedern gewesen sein, die von US-Truppen inhaftiert worden sind. Von Aufständischen gab es die Forderung, die Frauen freizulassen.

Die Behauptung, dass der Irak ein Programm zur Entwicklung biologischer Waffen und mobile Labors für biologische Waffen haben soll, hat sich als Ente oder, wenn man will, als Lüge erwiesen. US-Präsident Bush will sich jedenfalls nur falsch von den Geheimdiensten informiert sehen. Warum allerdings nun die irakische Regierung unter Billigung des Weißen Hauses die beiden Frauen neben anderen Gefangenen, die dem Hussein-Regime angehörten, freigelassen hat, lässt Raum für Spekulationen.

Angeblich sei die Freilassung aus dem Camp Cropper eine Vereinbarung vor der Wahl gewesen, um das angespannte Verhältnis zu den Sunniten zu verbessern. Das sagte zumindest Badee Izzat Aref, der Anwalt der insgesamt 24 Freigelassenen. Die Vereinbarung sei Ende 2004 getroffen worden, einige der Freigelassenen wären auch bereits aus dem Land ausgereist. Die Freilassung wurde auch vom Pentagon bestätigt. So erklärte Lieutenant-Colonel Barry Johnson in Bagdad, dass sie in Übereinstimmung mit der irakischen Regierung aus der Haft entlassen wurden. Man habe sie als Verdächtige im Hinblick auf Kriegsverbrechen und als wichtige Zeugen betrachtet, aber sei nun der Meinung, dass sie keine Informationen bieten könnten.

Es mag sein, dass man ihnen nicht wirklich etwas Beweisbares vorwerfen kann, weswegen man lieber auf eine Anklage verzichtet, um sich nicht blamieren zu müssen. Würde man die beiden Wissenschaftlerinnen vor Gericht stellen, kämen unweigerlich noch einmal die erfundenen Kriegsbegründungen zur Sprache. Das aber hatte man im Weißen Haus auch schon vorher gewusst, warum sie also drei Jahre inhaftiert waren, bleibt ein Geheimnis der irakisch-amerikanischen Rechtsstaatlichkeit. Noch dazu wurden die Gefangenen just zur dem Zeitpunkt freigelassen, als Bush zugab, angeblich aufgrund falscher Geheindienstinformationen den Krieg gegen den Irak veranlasst zu haben.

Seit dem ersten Golfkrieg wurden im Irak keine biologischen Waffen mehr entwickelt. Aber davor war dies der Fall, wie die UN-Inspektoren nachträglich auch feststellen konnten (Der Irak, biologische Waffen und der neue Krieg). Allerdings hatten die USA selbst dem Irak früher, als das Land noch im Krieg gegen den Iran stand, Material für chemische und biologische Waffen, u.a. Kulturen von Milzbrand, Botulinum, Clostridium, West-Nil-Virus oder Pest, geliefert. Vermutlich will man auch die Brisanz der Anklage von Saddam Hussein als Verantwortlichen für die Giftgasanschläge in Halabja verdecken. Schließlich hatte zumindest die USA von den Giftgaseinsätzen des Hussein-Regimes damals gewusst (Giftgas: Wiederkehr des Verdrängten). Zum Skandalon wurden sie erst, als die US-Regierung sich gegen das irakische Regime wandte.