Terrorfahndung in Kinderzimmern

In den letzten Wochen fanden bundesweit Hausdurchsuchungen bei 1.700 Kunden von Chemikalienhändlern statt. Prompt wurde von "Höllenstoffen" und "Teufelszeug" berichtet, dabei handelt es sich größtenteils um harmlose Stoffe in geringen Mengen

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Das Magazin Focus berichtete, deutsche Sicherheitsbehörden würden den Handel mit Chemikalien im Internet neuerdings mit Sorge beobachten. Focus print (47/2005) spricht von einem "Depot des Horrors" oder von "Höllenstoff im Keller": "Mit Chemikalien im Internet dealen neben Bastlern auch Kriminelle und Terroristen, fürchtet die Polizei." Auslöser war ein Fall aus Schleswig-Holstein: 2004 war ein Schüler ins Visier der Polizei geraten. Die Durchsuchung seiner Wohnung ergab auch den Fund mehrerer Chemikalien. Diese waren völlig legal bei einem Chemikalienhändler im Internet erworben worden. Die Betonung liegt hier auf völlig legal. An diesem nach den Vorschriften legitimen Chemikalienbesitz nahmen die örtliche Polizei und Staatsanwälte unerwartet Anstoß. Das Ergebnis war eine Großrazzia in ganz Deutschland. Dabei ging es hier um Stoffe wie das in vielen Haushalten vorhandene Natriumhydroxid, in Chemiekästen enthaltenes Kupfersulfat oder Kaliumnitrat und eine Vielzahl harmloser anderer Stoffe.

Ergebnis von 6 Hausdurchsuchungen im Raum Kassel - beschlagnahmte, legal erworbene Chemikalien, wie sie sogar in Chemiekästen für Kinder enthalten sind. Bild: Polizeipräsidium Nordhessen-Kassel

Im Februar 2005 wurden mehrere Chemikalienhändler durchsucht, die diesen Jugendlichen beliefert hatten. Bei Durchsuchungen bei einem Kölner Händler wurden Unterlagen der letzten Jahre alleine über 3.000 Kunden beschlagnahmt, bei einem Kieler Chemikalienhändler Daten von ca. 1.000 Kunden. Bei den meisten dieser Käufer in Deutschland wurden in den letzten Wochen Hausdurchsuchungen veranlasst. Nur sehr wenige Kunden, darunter 13-jährige, nicht strafmündige Kinder und im Ausland lebende Personen, kamen mit einer Befragung durch die Polizei oder ungeschoren davon.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf angeblichen Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz. Dabei hatten die Kunden - überwiegend Schüler, die sich für Chemie interessieren, und Tüftler - meist harmlose Stoffe wie z.B. Calciumchlorid, Kupfersulfat, Natriumhydroxid, Zinkstaub oder Eisenfeilspäne gekauft, die in jedem Chemiekasten für Kinder enthalten sind oder in jedem Supermarkt oder Baumarkt zum Kauf angeboten werden.

Aus Beschreibungen chemischer Experimente auf einer WWW-Seite des Kölner Händlers schlossen die Ermittlungsbehörden jedoch auf unerlaubte Herstellung von Feuerwerkskörpern durch alle Kunden und leiteten Ermittlungsverfahren gegen sämtliche Personen in der Kundenkartei ein.

Mutmaßungen über Verwendung führen zu Hausdurchsuchungswelle

Die Argumentation dürfte dabei der in einem älteren Fall vor 6 Jahren ähneln. Damals führte das zuständige Gewerbeaufsichtsamt in der Begründung einer - gegen einen Chemikalienhändler erlassenen - Anordnung eines Verkaufsverbotes für sämtliche Chemikalien per Versandhandel aus:

Aufgrund von Hinweisen aus dem Bundesministerium des Innern über den Handel der Firma (Name aus Datenschutzgründen gestrichen) mit verschiedenen Chemikalien im Internet wurde die Firma am 21.09.1999 zusammen mit dem Wirtschaftskontrolldienst der Polizeidirektion Sigmaringen überprüft.

... Es ist davon auszugehen, dass die gefährlichen Stoffe von den Erwerbern in erster Linie in der Absicht erworben werden, daraus pyrotechnische Gegenstände, wie von der Firma beschrieben, herzustellen. ...

Eine Gefährdung für Leben, Gesundheit oder Eigentum der Erwerber oder dritter Personen kann daher nicht ausgeschlossen werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Anordnung war daher als Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse anzuordnen.

Aus dem Schreiben des Gewerbeaufsichtsamts Sigmaringen

Die Behörde verlangte in diesem Fall sogar die Vorlage von sprengstoffrechtlichen Erlaubnissen für jeden Erwerb so verbreiteter Chemikalien wie Kaliumnitrat, welches bis in die 90er Jahre in Drogerien sogar in Kilotüten verkauft wurde. Nachfragen seitens der Drogeriebetreiber, wofür die Chemikalie genutzt werden sollte, waren bis Ende 1993 nicht einmal vorgeschrieben. Die Forderung nach einer derartigen Erlaubnis, welche in Deutschland nur bestenfalls ein halbes Dutzend Personen besitzt, hielt man aufrecht, obwohl nach § 3 der dafür eigentlich maßgeblichen Chemikalien-Verbotsverordnung die glaubhafte Angabe einer erlaubten Verwendung ausreicht.

Geht Verbraucherschutz vor Freiheit von Forschung und Lehre?

Die damalige WWW-Seite des betreffenden Händlers zeigte z.B. Anleitungen für Experimente, die erst kürzlich von Ranga Yogeshwars WDR-Sendung Quarks &Co. dem Zuschauer zur Nachahmung empfohlen wurden. Ebenfalls aufgeführt war das Experiment "Blitze unter Wasser", das einigen Lesern vielleicht aus dem Chemiebuch von Prof. Römpp/Raaf für Jugendliche bekannt sein dürfte.

Besonders störten sich die Behörden an einem Experiment zur thermischen Zersetzung von Ammoniumdichromat, bei dem dieses Salz kurz aufglimmt - mindestens bis Ende der 90er Jahre in einem Reagenzglas durchgeführt sogar ein Schülerversuch für Schüler der Klasse 9-10 an Gymnasien in NRW.

Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz oder Justizirrtum?

Bei den aktuellen Durchsuchungen geht es erneut u.a. um die ersten zwei chemischen Experimente, einige andere harmlose Reaktionen (Farbreaktionen, Reaktionen von Ammoniak und Schwefelwasserstoff sowie Kupfer(II)-chlorid) und einige Experimente mit pyrotechnischen Sätzen. Dabei steht die Ansicht der Behörden, dass es sich bei den Versuchen um Herstellung von pyrotechnischen Sätzen oder gar pyrotechnische Gegenständen handelt, in vielen Fällen auf mehr als tönernen Füßen.

Das Sprengstoffgesetz verlangt hierzu nämlich mehr als nur ein Entflammen eines Stoffes beim Erwärmen, ein Rauchen oder das Abstrahlen von Licht und das Vorliegen einer exothermen Reaktion. Vielmehr muss der Stoff laut Gesetz explosive Eigenschaften in ganz bestimmten Tests zeigen. Die Bundesanstalt für Materialprüfung testet dies und veröffentlicht die Ergebnisse. Die Reaktionsmischungen der beanstandeten Experimente sind jedoch meist nicht in den äußerst umfangreichen Stofflisten enthalten und die Erlaubnispflicht des § 27 Sprengstoffgesetz wäre erst anwendbar, wenn explosive Eigenschaften von der Bundesanstalt festgestellt wurden.

Die Vorwürfe, dass solche Reaktionsmischungen voll unter das Sprengstoffrecht fallen würden, waren daher höchstens bei sehr wenigen Experimenten zutreffend. Die Annahme, dass die auf der Internetseite dargestellten Experimente durchgeführt wurden, ist weiterhin reine Mutmaßung und wird von keinen weiteren Indizien gestützt.

Obendrein waren viele der erworbenen Chemikalien völlig ungeeignet zur Herstellung von Explosivstoffen. Aus Phosphaten kann man bestenfalls einen Feuerlöscher bauen. Und dass jemand mit so vielseitig verwendbaren Chemikalien wie Natriumhydroxid ausgerechnet Sprengstoff herstellen könnte, dürfte äußerst abwegig sein, denn zur Herstellung von Sprengstoffen werden in aller Regel Säuren verwendet, während man sie mit Laugen höchstens vernichten kann.

Man blieb zwar eine Konkretisierung solcher Vorwürfe schuldig. Dennoch wurden deshalb Hausdurchsuchungen durchgesetzt und Beschwerden selbst in ganz eindeutigen Fällen zum Teil sogar in höheren Instanzen abgewiesen.

Mangelhafte Chemie- und Vorschriften-Kenntnisse bei Justiz und Polizei?

In einem Fall akzeptierte ein Richter in der Begründung eines Durchsuchungsbeschlusses sogar die Behauptung, Kupfersulfat, wie es in Chemiekästen für Kinder vorkommt, und Natriumhydroxid, wie es in 0,5 kg-Packungen in Supermärkten als Beseitigungsmittel für Verstopfungen im Sanitärbereich angeboten wird, seien explosionsgefährlich und erlaubnispflichtig nach § 27 Sprengstoffgesetz und der bloße Erwerb deshalb bereits strafbar. Der Richter ordnete wegen des Kaufs dieser Stoffe eine Durchsuchung von Wohnung, Geschäftsräumen und Fahrzeugen des Käufers an. In Wirklichkeit sind diese Chemikalien nicht als explosionsgefährlich eingestuft, und erlaubnispflichtig sind sie schon gar nicht. Da kein Fachmann hinzugezogen wurde, blieben diese eklatanten Fehler unbemerkt.

In einem ähnlichen Durchsuchungsbeschluss aus Süddeutschland begründet eine Richterin die Durchsuchung damit, dass der Erwerb von Chemikalien (Chloride, Oxidationsmittel) angeblich nach dem Sprengstoffrecht erlaubnispflichtig sei und der Erwerb ohne Erlaubnis deshalb strafbar sei. Derartige Pannen werfen auch ein erschreckendes Licht auf die richterliche Prüfungspraxis in Deutschland.

Landgericht Berlin: Durchsuchungen aufgrund der schwerwiegenden Vorwürfe angemessen

Eine Beschwerde über eine Durchsuchung in einem anderen Fall wies das Landgericht Berlin als unbegründet zurück. Da es sich angeblich um schwerwiegende Vorwürfe handle, sei das Vorgehen gerechtfertigt gewesen. Hier dürfte das Landgericht die Vorwürfe jedoch überschätzt haben.

Bei unerlaubter, nicht-gewerblicher Herstellung von Feuerwerkskörpern handelte es sich 27 Jahre lang lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, solange dadurch niemand gefährdet wurde. Bis Ende 1976 waren solche Experimente sogar vollkommen legal und in Chemiekästen für Kinder (nebst Material!) enthalten. Erst vor 2 Jahren wurde eine solche Handlung generell zur Straftat erhoben. Personen mit ständigem Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland können jedoch weiterhin Schwarzpulver als Böller- bzw. Treibladungspulver einführen. Dies ermöglichen die entsprechenden Vorschriften. Die entsprechenden Mengen des Schwarzpulver können hier auch das Zehn- bzw. Zwanzigfache dessen darstellen, was mit den 50 Gramm Kaliumnitrat hergestellt werden könnte. Wenn der vage Verdacht der möglichen Herstellung von wenigen Gramm Schwarzpulver so schwerwiegend und aufklärungsbedürftig ist, dass es für eine Hausdurchsuchung reicht, so ist die vorgenannte Praxis bezüglich der Schwarzpulvereinfuhr höchst fragwürdig.

Das Gericht beschäftigte sich auch nicht mit der Frage, ob es angemessen ist, die Verschärfung von §40 Sprengstoffgesetz vor zwei Jahren derart rigoros auch in Fällen durchzusetzen, wo kein Dritter gefährdet wird. Immerhin garantiert das Grundgesetz die Freiheit von Forschung und Lehre. Zusätzlich stellt sich die Frage, wieso so eine Durchsuchung wegen des Erwerbs möglicher Ausgangsstoffe für wenige Gramm pyrotechnischer Sätze angemessen ist, obwohl kommerzielle Feuerwerkskörper bis zu 200 Gramm explosiver Stoffe enthalten dürfen und schließlich auch von jedermann erworben werden.

Bei den zahlreichen Durchsuchungen soll außer einigen Zufallsfunden, die mit den Vorwürfen nichts zu tun haben, und der Entdeckung eines Knallfroschs mit 3 Gramm Schwarzpulver nichts herausgekommen sein.

Artikel im Focus 47/2005

Höllenstoff und Teufelszeug?

Auch die in einem einzigen Fall bei einem Schüler (auf einem weitläufigen ländlichen Anwesen seiner im öffentlichen Dienst tätigen Eltern) entdeckte kleine Menge des in der Mikroskopie verwendeten Farbstoffs Pikrinsäure (angefeuchtet mit 25% Wasser nach §1 Sprengstoffgesetz als Stoff der Kategorie B erlaubnisfrei zu erwerben) und geringe Mengen des auch in Herztabletten (in Mengen von bis zu 8 Gramm pro Packung) verwendeten Salpetersäureesters PETN liefern keine nachträgliche Rechtfertigung für fast 2.000 Hausdurchsuchungen bei unbescholtenen Bürgern.

Selbst diese Stoffe sind z.B. in Arztpraxen, Apotheken usw. nicht ungewöhnlich und keineswegs so gefährlich, wie der Artikel des Focus den Leser glauben lassen möchte, wenn er von "Höllenstoff und Teufelszeug" berichtet, welche angeblich die ganze Stadt Magdeburg bedroht hätten.

Für die Innere Sicherheit bedrohliche Fälle wird man so auch kaum entdecken, denn Terroristen werden kaum so freundlich sein, beim Kauf quasi eine Visitenkarte mit ihrer echten Anschrift zu hinterlassen. Stattdessen wurden Tausende Beamte mit einer Kontrolle von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden beschäftigt, während zu einer Beobachtung islamistischer Terrorverdächtiger angeblich nach Auskunft des bayerischen Innenministers Beckstein das Personal fehlt. Stattdessen hat man in Zeiten schlechter PISA-Ergebnisse ausgerechnet naturwissenschaftlich interessierte Jugendliche in Furcht versetzt und möglicherweise auch noch manchem potenziellen Unternehmensgründer, der vielleicht gerade eine nützliche Erfindung gemacht hat, die Arbeit durch Beschlagnahme seines Materials behindert.

In dem Focus-Bericht wird die große Besorgnis bei BKA und LKA Schleswig-Holstein zitiert. Diese Besorgnis wegen der Verfügbarkeit von Chemikalien im Handel erscheint angesichts der Tatsache, dass ein einzelner Chemiekasten für Jugendliche bereits ca. 25 Gramm Kaliumpermanganat enthält, nicht nachvollziehbar. Jeder Silvesterknaller dürfte nach dieser Argumentation eine Gefährdung darstellen.

Mehr Kontrolle im nationalen Alleingang?

Man muss sich ferner fragen, was für einen Sinn in Zeiten des Schengener Abkommens so eine extreme Kontrolle von blossen möglichen Ausgangsstoffen in nationalem Alleingang ergeben soll. In zahlreichen EU-Nachbarländern, die wie Österreich zum Schengen-Raum gehören, können nicht nur derartige Chemikalien sondern sogar fertige Explosivstoffe wie Schwarzpulver von jedermann in beliebigen Mengen erlaubnisfrei erwerben werden. Dort denkt deshalb auch niemand über eine Kontrolle von Ausgangsstoffen nach.

Und auch in der Bundesrepublik hat man nicht immer so große Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit Explosivstoffen. Im Gegenteil: Im Juni 2005 wurde in einem umfangreichen Gesetz sogar die Menge von Explosivstoffen auf 1 Kilogramm pro Person verdoppelt, die ausländische Jagdgäste, Böllerschützen usw. ohne jede Erlaubnis und irgendwelche weiteren Anforderungen nach Deutschland einführen und in Deutschland verwenden dürfen. Hier hatten die Sicherheitsbehörden, die bei bloßen denkbaren Ausgangsstoffen hinter jedem Bürger schon einen Terroristen oder Polit-Extremisten vermuten, eigenartigerweise ausgerechnet zur Zeit einer internationalen Anschlagswelle islamistischer Terroristen in Europa keine Bedenken. Wieso sollte man dann gegenüber normalen Bürgern so extrem misstrauisch sein? In anderen Ländern wie den USA zur Amtszeit von Präsident Clinton sah man es genau umgekehrt.

Der Sinn so einer Überwachung von Chemikalien wäre auch zu Zeiten geschlossener Grenzen fragwürdig, wie das Beispiel des Nahen Ostens zeigt. Dies ist wenig verwunderlich, da man bereits aus so verbreiteten Stoffen wie Kochsalz und etwas Strom Chlorate herstellen und durch Zusatz brennbarer Stoffe bis hin zu Zucker Explosivstoffe erhalten kann. Jede derartige Überwachung wäre daher von Terroristen leicht zu umgehen.

Schließlich führt die Staatsanwaltschaft Magdeburg den Fund von Chemikalien wie Phosphorsäure, Salzsäure, Quecksilber und Brom zur Rechtfertigung der Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung in obigem Fall eines 16-jährigen Schülers an. Quecksilber (z.B. in Thermometern) und Salzsäure sind jedoch keineswegs in Haushalten völlig ungewöhnliche Substanzen. Und mit der ebenfalls fälschlich als angeblich hochgiftig titulierten Phosphorsäure säuern Limonadenhersteller immerhin sogar ihre Cola-Getränke.

Das ebenfalls als hochgiftig genannte Brom wird seit Jahrzehnten in Chemiekästen für Jugendliche eines führenden Herstellers in einem chemischen Experiment hergestellt, ohne dass daran jemand Anstoß genommen hätte. Und eine halbe Stadt mit diesen Säuren in die Luft zu sprengen, wie der Artikel in Focus-Online behauptet, ist schlicht völlig unmöglich, da diese Stoffe überhaupt nicht explosiv sind.

Vorgeschmack auf Vorratsdatenspeicherung?

Das Vorgehen der Ermittler wirft auch neues Licht auf das, was nach Einführung einer Vorratsdatenspeicherung in Deutschland drohen könnte. Bereits bei den Ermittlungen gegen die 1.700 Kunden spielten Bankdaten eine entscheidende Rolle. So wurden die Kunden der Händler zum Teil ausfindig gemacht und so versuchte man zum Teil sogar, weitere Ebay-Kontakte zu diesen Kunden zu ermitteln. In einigen Fällen wurden sogar auf Grundlage der neuen befristeten Antiterror-Paragraphen Fernmeldedaten beschlagnahmt, um anhand dieser Informationen weitere Kontaktpersonen ausfindig zu machen.

Mit einer Vorratsdatenspeicherung könnte so eine Suche noch stärker ausgedehnt werden und Tausende weiterer Bürger in Verdacht geraten. Denen drohen im Extremfall nun langwierige Gerichtsprozesse. Der Schüler aus Schleswig-Holstein, mit dem die Ermittlungen anfingen, soll wegen des ursprünglichen Vorwurfs des Baus einer Kartoffelkanone aus einem Abflussrohr und dem später entdeckten Verkauf eines Nitrats in erster Instanz zu einer Haftstrafe verurteilt worden sein.

Und dies, obwohl das Waffengesetz den erlaubnisfreien Bau von Vorderladern mit Funken- oder Luntenzündung gestattet und die Chemikalien-Verbotsverordnung bei dem privaten Verkauf nach §2 Abs. 4 Chemikaliengesetz gar nicht anwendbar ist. Wenn so ein Vorgehen Schule macht und dank Vorratsdatenspeicherung alle möglichen Daten Ermittlungsbehörden über Jahre zur Verfügung stehen, besteht für alle Bürger ein erhebliches Risiko, in solch fragwürdige Razzien verwickelt zu werden.