Gleicher Lohn für "illegale" Arbeit!

Europaparlament beschließt Resolution

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Europa schottet sich ab, insbesondere vor irregulären Migrantinnen und Migranten. Die Zäune um die reiche EU sind mittlerweile lebensgefährlich hoch gezogen; die Ereignisse in Ceuta und Melilla haben das der Öffentlichkeit deutlich gemacht. Gleichzeitig sind die sogenannten illegalen Migranten, die es bis nach Europa geschafft haben, hier gerne gesehen. Zumindest ihre Arbeitskraft, die zu oft miserablen Löhnen ausgebeutet wird. In Deutschland wird ihre Zahl auf 500.000 bis 1 Million geschätzt.

Die rechtliche Stellung der illegalen Migranten ähnelt aber derjenigen, die die Vogelfreien im Mittelalter besaßen: Man kann sich so ziemlich alles mit ihnen erlauben, denn das staatliche Recht, sie abzuschieben, zählt hierzulande mehr als jedes ihrer individuellen Menschenrechte. Geht also ein „Illegaler“ zur Polizei oder zum Gericht und will dort Hilfe gegen Raub, Betrug oder Körperverletzung, gegen Mietwucher oder gegen verweigerte Lohnzahlung, hat er Pech. Er, nicht ein mutmaßlicher Täter, wird verhaftet und sehr schnell abgeschoben.

Vor 15 Jahren wurde in der UNO eine Konvention verabschiedet, die auch diesen „illegalen“ Migranten die grundlegenden Menschenrechte zubilligt, die Konvention für die Rechte der Wanderarbeiter und ihrer Familien. Die Konvention trat vor zweieinhalb Jahren in Kraft, nachdem sie vom nötigen Quorum, also von 20 Staaten, ratifiziert worden war, allesamt im wesentlichen Herkunftsländer von Migranten. Bis heute hat kein Industriestaat die Konvention unterzeichnet. Das müsse endlich geschehen, so hat es kürzlich das Europäische Parlament in einer Resolution beschlossen. Alle Mitgliedsländer wurden aufgefordert, die UN-Konvention zu respektieren, umzusetzen und zu ratifizieren.

Das ist angesichts der Sprengkraft der Konvention erstaunlich. Ihre Anerkennung würde nämlich die „Illegalen“ aus ihrem rechtlosen Status als billige Ausbeutungsobjekte herausholen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Beschäftigungsbedingungen und gleicher Kündigungsschutz sind zentraler Bestandteil der Konvention (Artikel 25). Und: Wer gearbeitet hat, der hat auch seinen Lohn zu bekommen, egal, ob sein Aufenthaltsstatus legal ist oder illegal. Wenn nötig, soll er seine Ansprüche auf dem Rechtsweg durchsetzen können. Schließlich darf dem Migranten sein verdienter Lohn ausdrücklich nicht mit der Rechtfertigung abgenommen werden, er habe seine Arbeit als „Illegaler“ getan oder er solle gefälligst damit seine Abschiebekosten finanzieren (Artikel 22):

Im Falle der Ausweisung ist dem Betroffenen angemessen Gelegenheit zu geben, sich alle Lohnansprüche und sonstigen Ansprüche, die er gegebenenfalls hat, abgelten zu lassen und alle offenen Verpflichtungen zu regeln.

Was ist angemessen? Eine ungeklärte Frage in der Konvention, in der Regel dürfte eine angemessene Gelegenheit nur bestehen, solange der Migrant noch im Lande ist. Artikel 22 sagt allerdings, ihm sei „angemessen Gelegenheit ... vor oder nach der Abreise“ zu geben – Hinweis darauf, dass die Konvention sehr wohl von abschiebeorientierten Ordnungspolitikern beeinflusst werden konnte.

Das Abschieberecht von Staaten, das die Konvention nicht in Zweifel zieht, steht dennoch eindeutig hinter den individuellen Menschenrechten der Migranten zurück. Entscheidend ist beispielsweise, dass auch irreguläre Migranten vor Gericht klagen können und ihnen alle Rechte als Kläger, insbesondere das der persönlichen Anwesenheit im Prozess zustehen (Artikel 18).

Ein genauer Blick in die Resolution des Europäischen Parlaments zur Umsetzung der Konvention in der EU lässt allerdings Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Parlamentsbeschlusses aufkommen. Neben der Forderung nach Anerkennung der Menschenrechte auch von irregulären Migranten steht nämlich das genaue Gegenteil: Illegale Migration müsse bekämpft, die Außengrenzen gesichert, die Unerwünschten weggeschafft werden. Man ahnt, wie im Europäischen Parlament Mehrheiten für Resolutionen zustande kommen, wenn man solch Unvereinbares zusammengebunden findet.

Des ungeachtet muss festgehalten werden, dass seit den Resolutionen des Europäischen Parlaments nicht nur der Europäische Gewerkschaftsbund, sondern eben auch eine zentrale Institution der Europäischen Union die UN-Konvention unterstützt. Das könnte auch für die Petition des Komitees für Grundrechte und Demokratie frischen Wind bedeuten, die die Ratifizierung der Konvention von Deutschland verlangt. Die Petition liegt seit einem halben Jahr beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages und wartet auf Debatte und Beschlussfassung.