Die EU und die Entführungen und Gefängnisse der CIA

Polen will den Untersuchungsbericht über die mögliche Existenz eines CIA-Gefängnisses nicht veröffentlichen, für Berlusconi handelt die CIA legitim und ansonsten bedeckt die feiertägliche Ruhe das Schlamassel

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Auch wenn in Italien 22 CIA-Mitarbeiter über den Europäischen Haftbefehl gesucht werden, weil sie im Verdacht stehen, den ägyptischen Imam Abu Omar widerrechtlich aus Mailand entführt und über Deutschland ins Ausland gebracht zu haben, sorgt Weihnachten in Europa dafür, die Nachfragen nach der Kooperation der EU-Mitgliedsländer bei den Verschleppungen, Verhören, Folterungen und geheimen Gefängnissen der CIA einschlafen zu lassen. Das will anscheinend auch Polen ausnutzen. Die Regierung will den Untersuchungsbericht über ein mögliches geheimes CIA-Gefängnis im Land vorerst nicht veröffentlichen. Der Fall sei abgeschlossen. Möglicherweise wird der nichtständige Untersuchungsausschuss, der im Januar im Europaparlament eingerichtet wird, doch für neue Aufklärung sorgen.

Wie auch bei den Äußerungen ehemaliger und neuer deutscher Regierungsmitglieder deutlich wird, kann man zumindest von einer wie auch immer motivierten Duldung der Gefangenentransporte, aber auch der gewaltsamen Verschleppung und Folterung von Menschen ausgehen, die aus mehr oder weniger triftigen Gründen als Terrorverdächtige gelten. Diese rechtliche Grauzone wird von Innenminister Schäuble verteidigt (Alles in Ordnung?), auch der ehemalige Außenminister Fischer erklärte, dass sie sich im Antiterrorkampf nicht vermeiden ließe (Die "rote Linie" nicht überschritten). So durften Gefangene im rechtlichen Niemandsland von deutschen Beamten verhört werden, auch wenn sie vermutlich gefoltert, auch jeden Fall aber widerrechtlich entführt und festgehalten wurden. Im Übrigen eines der grundlegendsten Verfassungsrechte eines jeden Rechtsstaats, vor dieser staatlichen Willkür geschützt zu werden. Man machte auch mit dem syrischen Geheimdienst Geschäfte, um einen deutschen Gefangenen befragen zu können, besuchte auch Gefangene in Guantanamo oder akzeptierte es, wenn ein deutscher Staatsbürger entführt und Monate lang festgehalten wird – grundlos, wie man wusste. Im Fall Osthoff könnten sich weitere Verstrickungen ergeben, denn offenbar hatte sie mit BND-Mitarbeitern im Irak kooperiert.

Ähnlich wie die deutsche Regierung verhielten sich vermutlich die meisten anderen EU-Mitgliedsländer, die freiwillig (Spanien an "Folterflügen" direkt beteiligt?) oder unter Druck sich beim heimlichen Krieg gegen den Terror beteiligten. US-Vizepräsident Cheney hatte bereits kurz nach dem 11.9. angekündigt, dass dieser ausgerufene Krieg schmutzig und zum großen Teil auch geheim geführt werden müsse. Schon damals entbrannte auch eine womöglich inszenierte Diskussion über Folterung. Das interessierte aber in Zeiten der "unbeschränkten Solidarität" mit der Bush-Regierung kaum jemanden.

Selbst in Schweden gestattete es die Regierung, dass die CIA zwei Menschen entführte und bei befreundeten Geheimdiensten foltern ließ (Schweden und die CIA-Praxis des Verschleppens von angeblichen "Terroristen" in Folterländer). Vermutlich dürfte daher auch die italienische Regierung, sowieso mit Berlusconi ein enger Verbündeter der USA, von der Entführung des Imam (Haftbefehl für CIA-Agenten) gewusst haben, wie es aus CIA-Kreisen heißt (Wusste die italienische Regierung von der CIA-Entführung?). Berlusconi sucht sich und die USA zu retten und sagte, er glaube nicht, dass die CIA den Imam entführt habe. Gleichzeitig meinte er, man könne den Terrorismus nicht wirksam bekämpfen, wenn man sich immer streng an die Gesetze hält: "Non si può combattere il terrorismo con il codice in mano." Wenn Tausende von Leben bedroht sind, müssen die Länder mit geheimen Operationen vorgehen und die notwendigen Mittel zur Verteidigung zur Verfügung haben. Von geheimen CIA-Flügen wisse er nichts, aber die CIA würde legitim handeln, schließlich sei "Bush ein aufrechter Demokrat".

Überdies gab und gibt es einige Counterterrorist Intelligence Centers der CIA, an denen auch europäische Geheimdienstmitarbeiter tätig sind (Die CIA betreibt in über 20 Ländern geheime Operationszentren). Überdies hat die EU Ende Januar 2003 mit den USA über die Einrichtungen von "Sondergerichten" im Antiterrorkampf gesprochen. Das wurde von der EU zwar abgelehnt, aber man sicherte sich zu, das gegenseitige Verständnis der unterschiedlichen Rechtsauffassungen zu fördern. Bei den Gesprächen wurde unter dem Titel der Kooperation bei Grenzkontrollen und Abschiebung von Migranten versteckt vermutlich auch ein Einverständnis darüber erzielt, dass die EU die Benutzung von Flughäfen für den Transport von "criminal/inadmissible aliens" gestattet.

Both sides agreed on the areas where cooperation could be improved i.a. , the exchange of data between border management services, increased use of European transit facilities to support the return of criminal/inadmissible aliens, co-ordination with regard to false documents training (US side will provide the EU with a paper suggesting modalities for the coordination of false documents training) and improving the cooperation in removals.

Nachdem die Washington Post Anfang November 2005 berichtete, die CIA habe auch Geheimgefängnisse in europäischen Ländern eingerichtet (Geheimgefängnis der CIA in Polen oder Rumänien?), glaubte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schließlich, Hinweise für solche Gefängnisse in in Rumänien und Polen gefunden zu haben. Kurz vor dem Besuch von US-Außenministerin Rice sollen die beiden Gefängnisse geschlossen und die Gefangen weggebracht worden sein (CIA-Lager in Osteuropa wurden angeblich in aller Eile letzten Monat geräumt).

Polen stritt ebenso wie Rumänien die Existenz solcher Gefängnisse ab. Der polnische Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz räumte man zwar ein, dass es CIA-Flüge gegeben habe, aber keine Gefängnisse. Die polnische Regierung hat schließlich einen Untersuchungsbericht in Auftrag gegeben. Der wurde inzwischen fertig gestellt, aber nun will Marcinkiewicz ihn nicht mehr veröffentlichen lassen, obgleich er dies zunächst angekündigt hatte. Die Ergebnisse wurden aber dem Parlamentsauschuss mitgeteilt. Gründe für die Zurückhaltung gab er nicht. Der Regierungssprecher Jan Dziedziczak erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass für die Regierung der Fall nun abgeschlossen sei. Der Bericht sei dem Geheimdienstausschuss vorgelegt worden, dessen Mitglieder mit den Erklärungen zufrieden gestellt zeigten und den Fall ebenfalls für abgeschlossen erklärten.