Die indische Mauer

Indien will sich nicht nur von Pakistan durch einen Sicherheitszaun abschließen, sondern baut auch an einem 4.000 km langen Zaun an der Grenze zu Bangladesch

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Mauern oder Sicherheitszäune, die unerwünschte Eindringlinge abhalten sollen, werden nach dem Ende des Kalten Kriegs wieder zu wichtigen architektonischen und technischen Maßnahmen. Die mehr oder weniger mit Hightech ausgestatteten Mauern sollen Terroristen aus dem Land halten, oft aber auch nur die Wohlstandsinseln vor dem Ansturm von Migranten schützen (Gated Nations: Rückzug hinter Mauern). Während man in den USA noch diskutiert, ob man für viele Milliarden Dollar die 2.200 Kilometer lange Grenze zu Mexiko von der West- zur Ostküste mit einem durchlaufenden Zaun sichern soll, ist man in Indien schon weiter. Nach dem Sicherheitszaun in Kaschmir wird bald auch die 4.000 Kilometer lange Grenze zu Bangladesch geschlossen sein.

Indien hat bereits einen Zaun an der Grenze zu Pakistan durch Kaschmir in einer Länge von 500 Kilometern fertiggestellt. Schon in den 80er Jahren wurde etwa Grenzzäune in Punjab an der Grenze zu Pakistan gebaut, mit der Errichtung des Zauns in Kaschmir wurde in den 90er Jahren begonnen, 2001 hat man den Bau beschleunigt, auch wenn Indien und Pakistan sich seitdem ein wenig näher gekommen sind. Die Zaunarchitektur folgt einem internationalen Stil. In der Mitte von zwei, mit Stacheldraht, manchmal auch zusätzlich mit Strom gesicherten, parallel verlaufenden, vier Meter hohen Zäunen befinden sich Stacheldrahtrollen. Wer es über den ersten Zaun schafft, stürzt auf die messerscharfen Zähne und muss über diese klettern, um den nächsten Zaun zu überwinden. Im Zwischenraum können sich auch Minen befinden. Neben dem materiellen Hindernis wird die Mauer mit Bewegungssensoren und Infrarotkameras überwacht. Geplant ist, die gesamte, 2900 km lange Grenze zu Pakistan abzuriegeln

Bau des Sicherheitszauns in Tripura an der Grenze zu Bangladesch. Bild: Tribuneindia.com

"Ein starker Zaun", so erklärte der indische Außenminister K Natwar Singh im Hinblick auf das neue Großprojekt, "ist für beide Seiten nützlich, um ihre gemeinsamen Zielen zum wechselseitigen Vorteil zu erreichen." Indien will mit dem Zaun wie mit dem in Kaschmir verhindern, dass islamistische Terroristen von dem überwiegend von Muslimen bewohnten Bangladesch ins Land kommen können, zudem sollen Drogen-, Waffen- und Menschenschmuggel und illegale Einwanderung unterbunden werden. Der Nordwesten des Landes an den Grenzen zu Myanmar und Bangladesch gilt als Umschlagplatz für Waffen, über den sich auch Rebellenbewegungen in Südostasien versorgen. Indien behauptet, dass es in Bangladesch zahlreiche Lager zur Ausbildung von Terroristen gebe und dass der pakistanische Geheimdienst ISI von Bangladesch aus muslimische Rebellen in Indien unterstützt. In Abschnitten ist die Grenze in Assam, Meghalaya und Tripura bereits mit einem neuen Zaun versehen, doch zwei Drittel der Gesamtlänge sind noch nicht abgesperrt.

Auch der neue Zaun, der teilweise einen zuvor bestehenden, leicht überwindbaren Zaun ersetzt, folgt wiederum der internationalen Norm, nach der auch die Zäune von der EU, beispielsweise um spanischen Enklaven Melilla und Ceuta, oder von den USA an der Grenze zu Mexiko konstruiert werden. In Israel wird der Großteil der auf 720 km langen, 50 Meter breiten Sicherheitsanlage aus einem 3 Meter hohen Metallzaun in der Mitte bestehen, der mit Stacheldraht gesichert und mit Kameras und anderen Sensoren überwacht wird. Auf der einen Seite des Zauns verläuft ein Streifen mit Sand, um schnell Spuren zu entdecken, und eine Fahrspur für die Grenzpatrouillen, auf der anderen Seite ein Graben. Danach kommen meist jeweils wieder zwei parallel verlaufende Stacheldrahtzäune.

Immer wieder kommt es zu Schießereien zwischen Sicherheitskräften aus Indien und Bangladesch an der Grenze, obwohl die beiden Regierungen eine engere Kooperation vereinbart haben.. Auch die Bauarbeiter werden beschossen. Bangladesch besteht darauf, dass nach einem Abkommen aus dem Jahr 1975 Anlagen wie der Zaun 135 Meter von der Grenzlinie entfernt sein müssen. Aber die genaue Grenzlinie ist oft umstritten und auf dem Niemandsland liegen Felder und ganze Dörfer, die durch den Zaun abgeschnitten werden oder plötzlich auf der falschen Seite liegen. Neben der Konstruktion des Zauns werden auch die indischen Truppen zur Bewachung der Grenzen auf über 50.000 Soldaten verstärkt.