Anti-Literaturwettbewerb in Pink

Bei "Pussy Prosa" geht es nicht um Geschichten für Katzenfreunde

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Viele Menschen haben verborgenes schriftstellerisches Talent. Dennoch wimmeln Literaturwettbewerbe von schlechten, geradezu unlesbaren Beiträgen. Doch der Schreibwettbewerb von Katharina Borchert ist anders: Sie fordert dazu auf, vorsätzlich schlechte Geschichten zu schreiben.

Ich gebe es zu: Auch ich habe in meiner Schublade Manuskripte, die mich in meinen kühnsten Träumen eines Tages auf den Olymp der Schriftsteller – wahlweise anlässlich der Frankfurter Buchmesse oder bei dem vom Syndikat veranstalteten Glauser-Preis – katapultieren werden. Und ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin; die meisten Journalisten und auch viele Blogger träumen davon, einmal einen Roman oder wenigstens eine Hand voll Kurzgeschichten prominent platzieren zu können.

Deshalb begegnen wir uns immer wieder auf Literaturwettbewerben, bewerben uns für Anthologien oder gehen bei Lektoraten und Verlagen hausieren, um auf unsere Romanmanuskripte endlich ein Feedback zu bekommen, das über die Absage per Serienbrief hinaus geht.

Dabei hat sich in den letzen 10 oder 15 Jahren vieles in der Literaturszene geändert. Sogar Krimis werden von und für Intellektuelle geschrieben, so manches Blutbad mit den Versen von Homers Ilias dekoriert. Auch erotische Literatur ist nach wie vor ein Dauerthema mit eigenen Onlinemagazinen.

Erotik lebt bekanntlich von Auslassungen; sie findet, wie man sagt, im Kopf statt. Das erfordert ein gewisses Maß an Phantasie und überfordert so manchen potenziellen Konsumenten. Härteres, Deutlicheres ist gefragt – womit wir wieder bei den Körperflüssigkeiten angekommen sind. Wozu die Phantasielosigkeit führen kann, zeigt sich jeden Freitagabend im Privatfernsehen. Peinlich unbeholfene „Hardcore-Erotik“, unterbrochen von Reklame für Telefonhotlines, die multiple Orgasmen mit einem ebenso multiplem Imperativ geradezu befehlen („Ruf! Mich! An!“).

Katharina Borchert hat während ihres Jurastudiums Geld mit Korrekturlesen verdient. Diese Arbeit war alles andere als leicht:

Es handelte sich um vermeintlich erotische Literatur; die Geschichten ambitionierter Einhandliteraten musste ich häufig genug erst noch in lesbare Form bringen.

Seit einigen Jahren schreibt Katharina unter dem Namen „Lyssa“ ein eigenes Weblog, in dem sie regelmäßig Texte veröffentlicht, die da anfangen, wo „Sex in the City“ ausblendet. Mit ähnlichen Inhalten schrieb sie eine Weile für das Onlinemagazin Brainstorms! aus Berlin eine lesenswerte Kolumne. Seit kurzem hat sie eine Kolumne im Magazin für Meinungen.

Ihre Texte waren nie wirklich als erotische Literatur gedacht. Meist erzählten sie autobiographische Anekdoten von einer Metaebene aus als Glossen. Trotzdem missverstand die Hamburger Morgenpost sie gründlich:

Ich wurde vor etwas über einem Jahr in der Hamburger Morgenpost als Sexblog zitiert und zwar zusammen mit der "Wäschekammer". Das fand ich, vorsichtig ausgedrückt, reichlich absurd. Die sicherlich ernst gemeinten Texte bei der Wäschekammer fand ich aber wieder umwerfend komisch.

Daraus entstand dann die Idee, mich nicht länger über schlechte erotische Texte zu ärgern, sondern endlich mal Spaß damit zu haben, indem ich gleich zur gezielten Produktion von schlechten erotischen Texten aufrufe. Et voilà, der Pussy-Prosa-Preis war geboren!

Im Dezember 2005 wurde der Preis zum zweiten Mal verliehen. Passende Sachpreise wie Einkaufsgutscheine eines Stöckelschuhversandladens oder eines Erotikladens für Damen lockten rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ihre feuchtesten Träume mit einer Schneeschaufel einschlägiger Klischees zu garnieren.

Das Ergebnis ist absolut lesenswert. Die Geschichten erfüllen nicht nur alle erdenklichen Vorurteile, die man gegen erotische Texte haben kann, auch sprachlich sind die Texte auf unerwartete Weise innovativ.

Unser Wortschatz hat wieder einen gewaltigen Sprung nach vorn gemacht, dank Kreationen wie Muskatnussreibchen, Liebesklopfer, Donnerlunte, Begeisterungsknöpfchen oder Gebetsperle.

Da wimmelt es von blitzenden String-Tangas und Damen, die unbekannten Herren ihre primären Geschlechtsteile anbieten, als sei gerade Ausverkauf. Körpersäfte fließen fast schon literweise und Fleischpeitschen werden ungeachtet aller Menschenrechtskonventionen eingesetzt. Kurzum: So mancher Plot wäre auch dem letzten Pornoregisseur zu flach.

Man kann als Jury jede Menge Spaß haben, hat dann allerdings für längere Zeit keine Libido mehr. Und es ist verdammt schwierig, richtig gute schlechte Erotik zu schreiben.

Wird es auch einen Pussy-Prosa-Preis 06 geben?

Auf jeden Fall! Mit hoffentlich noch viel mehr Teilnehmern, noch besseren Texten und einer noch unerschrockeneren Jury.