Aus Hass wird Ernst

"Unheilige Allianzen" zwischen der Musikwelt des Black Metal und jener der Neonazis

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Früher war alles besser: die Urheber des Begriffs Black Metal, die britische Band "Venom", provozierten Anfang der 1980er-Jahre mit ihrer rauen Mischung aus Heavy Metal und satanischer Texte Christen und Moralapostel. Alles wirkte ähnlich einer Karikatur, jedoch kam es Anfang der 1990er Jahre besonders in Skandinavien zu einer Art Neubelebung. Die Spielweise des Black Metal wurde rasanter und brutaler, die Texte der durch den kehligen Grunz- oder Kreischgesang geprägten Musik handelten von Satanismus, Hass, Neuheidentum und Antisemitismus. Teile der Szene sind heute bekennende Neonazis und glauben, "Auschwitz wartet (...) auf die Tage seines neuerlichen Ruhms".

Mit diesen Worten zitieren Christian Dornbusch und Hans-Peter Killguss in "Unheilige Allianzen - Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus" Rob Darken, Musiker der polnischen Band "Graveland". Die Autoren legen mit dem Buch erstmals einen kritischen Überblick zur Welt des Black Metal vor. Neben der Szene-Historie liefern sie durch zahlreiche Liedtext- und Interview-Zitate Hintergründe zu den ideologischen Abgründen jener Szene. Protagonisten, Bands, Label und Fanzines aus Deutschland, Europa und Amerika sowie der in einigen Bereichen offen vollzogene Schulterschluss mit rechtsextremen Skins und Neonazis werden aufgezeigt. Denn längst gibt es im Black Metal Musiker und Fans, die ähnlich der Kameraden des Rechtsrocks (vgl. Reaktion verpflichtet) als "Herrenmenschen" oder "Arier" musikalisch "Krieg" gegen die moderne, westliche Welt, gegen Migranten, "Untermenschen" und Juden führen.

Pacifists will pay, holy pack shall burn. Jewish fucking scum, Muslims allah fucked (...) Der Führer is our life, Satan's is our soul. Rule above our right, Forth Reich our goal! (...) Duty to our Aryan race is to Zyklon-B reuse. Surrender or fucken die. (...) Death to the Jews. Gasing the jews!

Die Band "Sons Of Satan", 2004 im Lied "Der Führer", zitiert nach Dornbusch/Killguss

Rückblick: Anfang der 1990er Jahre radikalisierten sich in Norwegen Stars und Fans jener Subkultur. Es brannten Kirchen, Friedhöfe wurden geschändet und Menschen umgebracht. Der Kopf der Kultband "Burzum", Varg Vikernes, ermordete etwa 1993 den Bandleader von "Mayhem", Oystein Aarseth (vgl. Hasse deinen nächsten, wie dich selbst). In Deutschland folterten und töteten Mitglieder der Band "Absurd" einen Mitschüler. Die Tat machte als "Satansmord von Sondershausen" Schlagzeilen (vgl. Rockende Inquisitoren). Einer der Mörder, Hendrik Möbus, sitzt heute erneut in Haft, diesmal wegen des Vertriebs neonazistischer Musik, Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und Volksverhetzung. Sein Bruder Ronald betreibt "Absurd" weiter und tritt auch auf Konzerten auf, die etwa die belgische Sektion des internationalen, in Deutschland verbotenen NS-Netzwerks "Blood & Honour" (vgl. Rechtsextreme Kontinuität) organisiert.

Wer glaubt, Black Metal sei gleich Black Metal, der irrt. Innerhalb der Szene gibt es Unterscheidungen, etwa die für den Pure Black Metal, Satansrock, Norsk Arisk Black Metal, Pagan Rock, War oder Panzer Metal - und eben den NSBM, dem National Socialist Black Metal. Dornbusch und Killguss schaffen es, in diesem Wust an Meinungen Hintergründe umfassend darzustellen. Sie blicken dabei weit hinein in die Szene, deren Protagonisten sich oft noch radikaler als andere (Jugend-)Subkulturen von der bürgerlichen Gesellschaft abgrenzen. Wer jedoch den raschen Überblick sucht, dürfte enttäuscht werden auf den gut 350 Seiten, die durch viele Konzertfotos sowie Abbildungen von Flyern, Tape- und CD-Cover bestechen. Interessierte werden jedoch aus dem umfangreichen Nachschlagewerk großen Nutzen ziehen, zumal das Buch erstmals einen so ausführlichen Überblick liefert.

Wir scheißen auf diese so genannten Christen, deren einziger Gott 'Mammon' heißt; die diesen bekifften Schweinpriester aus Nazareth damals zu ihrem Idiotenhäuptling erkoren haben, der wiederum mit seiner 12-köpfigen pädophilien Bettlerbande durch die Gegend zog, sich vor dem Pöbel aufbaute und heulte: 'Liebe deinen Nächsten'... Wir wissen schon, was dieser Schwulist damit gemeint hat. (...) Pfaffen an den Galgen.

Der Gitarrist und Sänger der österreichischen Band "Belphegor", 2001 im Interview mit dem Fanzine "Ablaze", zitiert nach Dornbusch/Killguss

Der rechte ist überall wahrnehmbar

Mancher mag derlei im Sinne "Venoms" als pure Provokation von Vertretern einer Szene ansehen, die in ihrer Welt aus Verschwörungstheorien und Okkultismus leben. Andererseits posiert die griechische Band "Wolfnacht" mit zu Totenmasken geschminkten Gesichtern - dem klassischen Corpse-Paint der Black Metaler - auf ihrem Tape "Blut und Ehre". Vor sich halten die Musiker auf dem Bild eine Hakenkreuz-Fahne. Und die deutsche Band "Schwarze Sonne" warnt auf ihrem Tape "Gaskammer": "Kauft nicht bei Juden und Moslems!!! Kämpft für ein Juden und Moslem freies Europa!!!" Daher warnen Dornbusch und Killguss auch davor, dass in der Metal-Szene zwischen Underground, Mainstream, Club- und Festivalkonzerten "der rechte Rand der Black-Metal-Szene (heute überall) wahrnehmbar" sei - etwa durch Vertreter mit klar neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Botschaften oder Verkaufständen, die Black Metal mit derlei Texten selbst auf großen Festivals anbieten.

Allerdings ist auch die normale Welt nicht gefeit davor, dem Black Metal näher zu treten, als möglicherweise gewollt. Kürzlich veröffentlichte das thüringische Magazin Marcus als Titelstory ein Interview mit der deutschen Vize-Meisterin im Thai-Boxen, Heike Langguth. Für ihren Sport und Verein durfte die Frau kräftig werben. Dornbusch hatte ungeachtet dessen schon Mitte 2005 in einem Artikel auf Langguth hingewiesen. Die (Ex-)Lebenspartnerin von Ronald Möbus ("Absurd", s.o.), schreiben Dornbusch und Killguss nun in ihrem Buch, habe nämlich auch ein Herz für die Neonazi-Szene. Das Paar betreibe gemeinsam das Black-Metal-Label Nebelfee Klangwerke nebst Versandhandel für unter anderem heidnisch-germanischen Nippes und rechtsextremer Literatur. Für eine Solidaritätskampagne zugunsten von Hendrik Möbus habe Langguth einst als Inhaberin des Spendenkontos fungiert, sei Herausgeberin des Fanzines "Germanenorden" und Kontaktperson des Germanischen Freyfrauen Bundes (GFFB) gewesen, so Dornbusch und Killguss.