3 - 2 - 1 - Abgemahnt!

Wie man aus Fotos von Münzen wieder bares Geld macht

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Abmahnungen sollten ursprünglich dazu dienen, Gerichte von Streitigkeiten zwischen Gewerbetreibenden zu entlasten. Zwei Kontrahenten treffen sich, kommunizieren und stellen fest, dass einer von beiden sich falsch verhalten und dem andern Schaden zugefügt hat. Ein Vertrag wird geschlossen, der beiden Rechtssicherheit bringt: Du schädigst mich nicht mehr und ich verklage dich nicht für die bisherigen Schäden.

Meist muss die abgemahnte Partei nur die Gebühren für den gegnerischen Anwalt zahlen, was bei den tendenziell hohen Gegenstandswerten im gewerblichen Bereich deutlich günstiger ist als ein Gerichtsurteil mit Schadensersatz, Verzugszinsen, Gerichts- und Gutachterkosten. Soweit die Theorie.

Seit das Internet zum Volksmedium geworden ist, werden mehr und mehr private Websitebetreiber abgemahnt. Manchmal wird die Abmahnung zur Waffe im Meinungsstreit benutzt, und sogar ein gewisser Herr Klum, dessen Tochter derzeit als Lakritzschnecke im Fernsehen zu bewundern ist, will Menschen abmahnen, die den Namen seiner Tochter im Permalink eines Blogeintrages vorkommen lassen.

Schon seit den 1990ern wurde die Abmahnung systematisch zur Gelddruckmaschine umgebaut. Fragwürdige Massenabmahnungen, bei denen ähnliche „Delikte“ mit identischen Schreiben aus der Textkonserve abgemahnt werden, für die aber jedes Mal die vollen Anwaltsgebühren anfallen, sind landläufig bekannt. Auch die Namen einiger besonders produktiver Abmahnfabriken müssen nicht mehr ausdrücklich genannt werden, manche sind inzwischen Legende.

Die Abmahnung wurde vom Problemlöser zum Problemschaffer

Die ursprünglich beabsichtigte Rechtssicherheit bei gleichzeitiger Entlastung der Gerichte ging dabei jedoch vor die Hunde: Regelmäßig müssen Gerichte sich heute mit Abmahnungen herumschlagen, die jeweils eine neue juristische Gratwanderung zwischen berechtigten und unberechtigten Ansprüchen erfordern. Entsprechend widersprüchlich sind daher die Urteile, die zwischen Flensburg und Starnberg gesprochen werden. Wie schnell dabei der Täter möglicherweise selbst zum Opfer werden kann zeigt ein aktueller Fall bei Ebay.

Die sogenannten „Bilderdiebe“ machen keine eigenen Fotos ihrer Artikel, sondern bedienen sich teils aus Unkenntnis, teils weil sie selbst keine Kamera haben, teils auch nach dem Motto „im Internet ist doch alles umsonst“ bei Leuten, die jedoch zum Teil teure professionelle Produktfotos einsetzen. Besonders frech sind dabei Anbieter, die einfach aus ihrer Auktion per IMG-Tag auf ein Bild bei einem Fachhändler verlinken und so nicht nur sein Bild stehlen, sondern auch noch überflüssigen Traffic auf seiner Homepage verursachen.

Manche Opfer dieser Praxis sind dazu übergegangen, anhand der Referrer-Angaben zu ermitteln, ob ein Bild vom eigenen Server aus referenziert wurde und liefern andernfalls "liebevoll" modifizierte oder gar obszöne Bilder anstelle des gewünschten Fotos zurück. Dem Bilderdieb fällt das oft erst nach der Auktion auf, denn in seinem Browsercache findet sich noch die „echte“ Version des Bildes. So hat der Geschädigte seinen Spaß und der Gauner erntet Spott statt Bargeld.

So “verändert“ sich schon mal unerwartet ein von fremden Servern geladenes Produktbild und macht die Auktion und den Bilderdieb lächerlich

Etwas „klügere“ Bilderdiebe gehen aufwändiger vor. Sie speichern das Bild lokal und laden es für die eigene Auktion wieder hoch. Während beim „Diebstahl per Referenz“ in manchen Fällen unklar ist, ob er überhaupt einen Verstoß gegen das Urheberrecht darstellen kann, ist das Hochladen des geklauten Bildes fraglos einer.

Echte Produktfotos sind nicht leicht herzustellen. Die Vorbereitung des Bildes erfordert Detailarbeit, denn es sind oft Vergrößerungen und Makroaufnahmen, bei denen ein normalerweise unsichtbares Staubkorn zum Störfaktor wird. Auch die digitale Nachbearbeitung erfordert Können – oft werden die Motive freigestellt und mit Schatten oder Spiegelungen in eine virtuelle Umgebung verpflanzt. Bei Amateurbildern können Spiegelungen dagegen zum echten Problem werden.

Bei Ebay sind Fotos längst unverzichtbar, um erfolgreich zu verkaufen. Wer beispielsweise Münzen verkaufen will tut gut daran, den Zustand des Stücks genau wiederzugeben. Anders ist ein Onlinehandel mit diesen Sammlerobjekten kaum möglich. Und so gibt es einen Fotografen, der vorwiegend nur den Münzhändlern bei Ebay seine Dienste anbietet. Man schickt ihm den Artikel und erhält binnen 48 Stunden die Fotos per E-Mail. Die Lizenzkosten halten sich dabei im Rahmen der Empfehlungen einschlägiger Verbände.

Profifotos klauen wird besonders teuer

Natürlich sind diese professionellen Fotos begehrte Objekte von Bilderdieben. Das ärgerte den Fotografen. Noch mehr ärgerte es ihn, dass viele auf den Bilderklau angesprochene „Täter“ ihm zum Teil dumm kamen: „Beweisen Sie doch erst mal, dass Sie das Bild gemacht haben und nicht ich.“

Natürlich hat der Fotograf Anspruch auf Schadenersatz für die unerlaubte Nutzung seiner Fotos. Manche Quellen sprechen sogar vom Fünffachen der branchenüblichen Lizenzgebühren, das Doppelte ist aber auf jeden Fall drin, denn eine Strafe für die unberechtigte Nutzung muss sein. Unser Produktfotograf hatte nach einiger Zeit die Nase voll von dummen Sprüchen und beauftragte einen Anwalt, seine Rechte zu wahren und gegen die Bilderdiebe vorzugehen. Der Anwalt bekommt vom Fotograf die betreffenden Auktionen genannt, ermittelt den Anbieter und mahnt ab. Und auch das vergleichsweise moderat: Der geschädigte Fotograf soll rund 250 Euro an Lizenz- und Strafgebühren bekommen, der Anwalt berechnet rund 270 Euro an Gebühren. Der Gegenstandswert wird mit 2.750 Euro auch nicht zu hoch angesetzt.

Haben Sie Mitleid mit dem Fotokünstler? Wie die Münzen auf seinen Bildern hat auch diese Geschichte zwei Seiten. Die abgemahnten Bilderdiebe nämlich werden das Gefühl nicht los, auf einen Köder hereingefallen zu sein.

Er bietet selber Münzen an und benutzt dabei natürlich seine Produktfotos. Die Startpreise sind aber immer sehr hoch und die Stücke werden erst beim dritten oder vierten Versuch verkauft. Dadurch sind aber seine Produktfotos ständig online – und weil er nur aktuelle Neuprägungen anbietet, die auch von vielen Privatleuten verkauft werden, zieht er viele Bilderdiebe an.

Aussage eines Abgemahnten

Sicherlich – das Argument steht auf tönernen Füßen. Er verhält sich nicht anders, als alle anderen Ebay-Nutzer auch. Die Fotos werden ganz normal in die Auktionen eingebunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet seine Bilder geklaut werden, ist nur dadurch erhöht, dass die Bilder professioneller sind als die der Konkurrenz.

Er mahnt immer erst ein oder zwei Tage nach Auktionsende ab, wenn man das Angebot nicht mehr ändern kann. Und zwar unabhängig von der Laufzeit der Auktion. Gleichzeitig fordert er von Ebay, die Auktion zu löschen. Wenn man den Brief vom Anwalt bekommt, kann man oft gar nicht mehr kontrollieren, ob man wirklich sein Foto benutzt hat.

Aussage eines Abgemahnten

Und hier offenbart sich, dass an den Behauptungen der Abgemahnten etwas dran sein kann: Würden die Bilderdiebe schon ein oder zwei Tage nach Beginn der Auktion angemailt, würden viele von ihnen kurzfristig eigene Bilder in die Auktion einfügen oder sie gleich ganz beenden. Die Lizenzgebühren sind nun aber auch von der Nutzungsdauer abhängig.

Die Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing und der Deutsche Journalistenverband empfehlen bei einer Onlinenutzung bis zu einer Woche eine Lizenzgebühr von 60 Euro, bei Nutzung bis zu einem Monat 100 Euro. Eine nach zwei Tagen abgebrochene Auktion würde zu 60 Euro an normalen Lizenzgebühren führen, ab dem achten Tag ist jedoch eine höhere Gebühr fällig – die dann jeweils mit den von den Verbänden empfohlenen Strafzuschlägen auf 250 Euro erhöht wird.

Der dritte Kritikpunkt ist die Massenabmahnung. Der Rechtsanwalt schreibt identische Abmahnungen mit identischen Berechnungen, die auf jeweils einem geklauten Bild basieren. Einige Empfänger sind sich sicher, in ihren Auktionen mehrere Bilder des Münzfotografen genutzt zu haben – eine Einzelfallüberprüfung durch den Anwalt scheint also nicht mehr stattzufinden, obwohl er hier sogar Geld verschenkt. Beweisen können viele Bilderdiebe das aber nicht, weil ihre Auktionen von Ebay gelöscht wurden und sie keine Ausdrucke besitzen. Massenabmahnungen, die nur dem Erzielen von Gebühren dienen, sind jedoch nach §8 Abs. 4 des reformierten Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 13 Abs. 5 der alten Fassung des Gesetzes) sittenwidrig.

Doch selbst, wenn man aus dem als Köder platzierten Bild mit viel Phantasie den Vorwurf der „Anstiftung“ konstruieren könnte, würde der Fotograf nicht dafür bestraft. Denn kaum ein Bilderdieb kann geltend machen, erst durch die hohe Qualität der Fotos zum Klauen verleitet worden zu sein. Jemanden, der schon zur Tat entschlossen ist und nur noch die Gelegenheit sucht, kann man nicht mehr anstiften.

Und so bleibt der Nachgeschmack, dass zwar eine Menge Bilderdiebe durchaus zu Recht bestraft werden, der Fotograf aber aus der Not, sich gegen illegale Nutzung wehren zu müssen, die Tugend gemacht hat, über die Strafgebühren seine Einnahmen zu vervielfachen.

Ich habe den ganzen Dezember über Münzauktionen nach seinen Bildern durchsucht. Das ist recht einfach möglich, weil er die Bilder mit einem digitalen Wasserzeichen markiert. Über 70% der Auktionen verschwanden zwei oder drei Tage nach dem Ende spurlos – die Anbieter wurden wohl abgemahnt. Zumindest im Dezember hat er über die Strafgebühren mehr Geld eingenommen als über die reguläre Nutzung.

Aussage eines Abgemahnten

In dieses Bild passt auch ein anderer Fall, wo ein Arbeitsloser den Keller ausmistete und dabei unter anderem eine alte Grafikkarte mit S3-Chip und 8 MB RAM fand. So etwas läuft nur in alten PCs mit ISA-Bus und dürfte knapp vor "unverkäuflich" rangieren, vielleicht bekommt man noch drei Euro dafür. Dafür extra fotografieren wollte er nicht, also „borgte“ der Mann sich ein Bild aus dem Internet. Das war aber von einem anderen Ebayer, der den Fall seinem Anwalt gab. Da der Bilderdieb der Ansicht war, seine Bild nicht bei diesem anderen Ebayer geklaut zu haben und keine solchen Summen zahlen zu können, ging der Fall zwei Instanzen hoch vor Gericht und kostete am Ende eine höhere vierstellige Euro-Summe. Der Fotograf bekam allerdings nur eine dreistellige Summe, doch auch das war über 100 Mal mehr, als das fotografierte Objekt wert war.