Der Krieg gegen den Terror wird immer teurer..

und der Terror immer billiger

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Zahlen dieser Größenordnung kennt man eigentlich nur aus dem Kindermund, bestenfalls von Astronomen, doch stammen sie von einem Mann, der sich im Erwachsenen-Business auskennen müsste, vom Nobelpreisträger von 2001 für Wirtschaft, Joseph E. Stieglitz: Nach dessen Schätzungen liegen die Kosten des Irak-Kriegs für die USA wahrscheinlich zwischen einer und zwei Billionen Dollar ( "between $1 trillion and $2 trillion" - vgl. dazu Von Billionen und Milliarden). Sie wären damit zehn Mal höher, als "bisher angenommen".

Noch ist die detaillierte Unterlegung für diese unerhörte Schätzung nicht bekannt. Der vollständige Bericht von Stieglitz und dessen Kollegin Linda Bilmes soll erst in den nächsten Tagen auf der Webseite des Wirtschaftsprofessors veröffentlicht werden; brisante Auszüge daraus wurden aber heute schon vom englischen Guardian und UPI vorgestellt.

Während der Wirtschaftsberater von George W. Bush, Larry Lindsey, kurz vor Kriegsausbruch die Kosten noch bei 200 Milliarden Dollar ansetzte und das Unternehmen "Iraqi Freedom" wegen der irakischen Ölressourcen reichlich optimistisch als wirtschaftsfördernd (vgl. Blut, aber kein Öl) einstufte, kommen Stieglitz und die Harvard-Budget-Expertin Bilmes zu ganz anderen Einschätzungen, die sie obendrein noch als "sehr konservativ" werten.

Bislang soll der amerikanische Kongress 251 Milliarden Dollar für militärische Operationen bewilligt haben; das Congressional budget office schätzt die Summe, die der Irakkrieg in den nächsten zehn Jahren kosten wird, auf weitere 230 Milliarden. Doch führen Stieglitz und Bilmes wichtige Kostenfaktoren an, die in anderen Budgetierungen nicht auftauchen. So zum Beispiel die immensen Kosten für die 16.000 Verwundeten (nach Angaben des Pentagon). Allein die lebenslangen Pflegekosten für die "Tausenden von Soldaten, die an Gehirnschäden leiden" könnten den USA Stieglitz zufolge etwa 35 Milliarden Dollar kosten. Dazu kämen erhöhte Verteidigungsausgaben als Folge des Krieges, Zahlungen für Kriegsversehrte und die Kosten für die Demobilisierung: summa summarum etwa 1 Billion Dollar, so die Wirtschaftsexperten.

Auch die höheren Ölpreise könnte man zum Teil dem Irakkrieg zurechnen. Im Stieglitz-Bilmer-Kalkül sollen darüber hinaus "Effekte verrechnet worden sein, die sich ergaben, wenn Gelder, die dem Irakkrieg zugeordnet waren, umgeleitet wurden", heißt es etwas ominös in der Vorabmeldung. Nächste Woche wird man dem genauer nachgehen können.

Terror wird billiger

Unterdessen kann man sich die neueste Einsicht von Buchautorin Loretta Napoleoni, Expertin für die "Ökonomie des Terrors" (vgl. "Der Krieg ist unser Leben"), durch den Kopf gehen lassen: Napoleoni kommt zum Ergebnis, dass der Irakkrieg der Al-Qaida eine "billigere Art des Terrorismus" ermöglicht habe.

Eine Kosten-Nutzen-Analyse von Terroranschlägen, die vor und nach dem 11.September 2001 durchgeführt wurden, würde "alarmierend" darauf verweisen, dass der islamische Terrorismus immer "weniger teuer und effektiver" würde, so Napoleoni. Ihre Begründung: Al-Qaida habe sich zu "Al-Qaidism" transformiert, einer Ideologie, die jederzeit lokale Terrorgruppen aus der Taufe heben und in Aktion bringen kann, ohne dass eine persönliche Beziehung zu al-Qaida-Führern gegeben sein muss. Anders gesagt: Al-Qaida kann sich umständliche und teure Finanzaktionen über Landesgrenzen hinweg sparen, da die neuen "Qaidisten" sich meist vor Ort organisieren.

Ökonomisch und finanziell hat der Übergang von Al-Qaida zum Al-Qaidismus die Kosten des islamistischen Terrors gesenkt. Nationale Anschläge sind billiger auszuführen als "transnationale" (wie etwa der Anschlag vom 11.Sept.'01, Anm. d. V.), ihnen kann man auch weniger leicht über den Geldfluss nachspüren, da sie keine Überschreitung von Landesgrenzen durch Personen oder Finanzmittel mehr erfordern.

Als Beleg für ihre These zitiert Napoleoni den UN-Bericht über Sanktionen gegen Taliban und al-Qaida, wonach die Transformation der Terrororganisation in ein loses Netzwerk von miteinander verbundenen Untergrund-Gruppierungen, die unabhängig voneinander gegen lokale Ziele ihrer Wahl operieren, "zentrale Geldflüsse" weniger wichtig mache. Weswegen auch die Sanktionen sich als uneffektiv herausstellten, da sie mit Umständen rechneten, die es nicht mehr gebe. Als die "Kosten/Nutzen effektivsten" Terroroperationen nennt Napoleoni die Anschläge in London und in Sharm el-Scheikh vom letzten Jahr. Milliardenverlusten im Tourismusgeschäft und Milliardenkosten für Wiederaufbau und Sicherheit stünden ungleich viel geringere Kosten für die Durchführung der Anschläge gegenüber. Für den Irak gelte dies auch:

Im letzten November schätzte Osama Bin Laden die wöchentlichen Kosten für den Widerstand von Abu Musab as-Sarkawi auf so wenig wie 250.000 Dollar. Im Gegensatz dazu soll der amerikanische Steuerzahler nach neueren offiziellen Zahlen für wöchentliche Kosten von fast einer Milliarde Dollar aufkommen.