Wieder einmal droht das Militär in Spanien

Spanischer Heereschef unter Hausarrest, weil er das Einschreiten des Militärs angedroht hat, wenn das neue katalanische Autonomiestatut verabschiedet wird

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Weil das neue katalanische Autonomiestatut die historischen Rechte von Katalonien als „Nation“ festhält, drohte Spaniens Heereschef am Freitag mit dem Eingreifen des Militärs. José Mena Aguado hält es für „maßlos“, dass in Katalonien vorrangig Katalanisch gesprochen werden und die Region ein eigenständiges Finanzierungssystem erhalten soll. Er sieht die Einheit Spaniens in Gefahr, dessen Schutz die Verfassung dem Militär zuschreibe. Die sozialistische Regierung versucht aber ohnehin, gegen ihre Versprechen, das mit einer 90prozentigen Mehrheit verabschiedete Statut zu verwässern. Mena wurde unter Hausarrest gestellt und seine Entlassung beantragt.

Die nächsten acht Tage muss der Heereschef nun wegen seiner Drohungen im Hausarrest verbringen. Das hat der spanische Verteidigungsminister José Bono am Samstag angeordnet, weil der General mit seinen Äußerungen seine „Neutralitätspflicht“ verletzt habe. Am kommenden Freitag wird die sozialistische Regierung während der Kabinettssitzung über den Antrag entscheiden, den General zu entlassen und in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken. Im März wäre Mena ohnehin in die Reserve abgetreten.

Genau deshalb nutzte er wohl eine seiner letzten Gelegenheiten, um in die Debatte um die Reform des Autonomiestatuts einzugreifen. Nachdem alle Parteien im Regionalparlament, mit Ausnahme der konservativen Volkspartei (PP), das Statut im November verabschiedet hatten, befindet es sich derzeit im Endspurt auf dem parlamentarischen Weg in Madrid.

Putschisten am 23. Februar 1981 im spanischen Parlament

So nutzte der 63-Jährige bei einem Empfang mit König Juan Carlos in Sevilla die Chance, um Druck auf die regierenden Sozialisten (PSOE) zu machen. Er drohte offen mit dem Einsatz der Streitkräfte, wenn das Statut in der vorliegenden Form verabschiedet werde. Er behauptete, ganz im Sinne der PP, es verstoße gegen die spanische Verfassung, die „glücklicherweise unüberwindbare Schranken für die Autonomiestatute aufstellt“. Er ernannte sich zum Schützer der Verfassung und erklärte, wenn die Schranken überschritten werden, müsse der Artikel 8 der Verfassung angewendet werden: „Die Streitkräfte, gebildet vom Heer, der Marine und der Luftwaffe, haben als Aufgabe, die Souveränität und Unabhängigkeit Spaniens zu garantieren und seine Einheit und verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen“.

Es war kein Zufall, dass Mena dies in Anwesenheit des Königs erklärte. Es war der Diktator Franco, der die Monarchie Spanien kurz vor seinem Tod restaurierte. Nach dessen Tod hatte Juan Carlos 1975 per Fingerzeig 41 Personen ausgewählt, darunter etliche Mitglieder der Diktatur und Militärs, um die Verfassung auszuarbeiten, die ganz auf den König zugeschnitten wurde. Darin wurde dieser als oberster Chef der Streitkräfte bestimmt und deren Rolle festgelegt.

Mena sieht „schwerwiegende Konsequenzen auf die Streitkräfte zukommen, sowohl als Institution, aber auch für die ihr angehörigen Personen, wenn das Autonomiestatut in der vorgeschlagenen Form verabschiedet werde". Besonders beißt er sich an der Sprachenfrage fest. Denn das Statut sieht vor, dass in Katalonien vorrangig die katalanische Sprache gesprochen wird: „Die Tatsache, dass es in einer Autonomie einklagbar wäre, deren spezielle Sprache zu kennen, ist eine maßlose Bestrebung“.

Sozialisten in der Zwickmühle

Dass er sich an der Frage der Sprache besonders aufhängt, liegt daran, dass dies der am wenigsten umstrittene Punkt ist. Mena weiß, dass die Sozialisten mit 30 Einwendungen gegen alle wesentlichen Punkte des Statuts Einspruch eingelegt haben. Die PP will gleich 70 % des Textes streichen. Auch die PSOE will nicht von Katalonien als „Nation“ sprechen und der Region auch kein eigenes Finanzierungssystem mehr zugestehen.

Dass eine eigene Finanzierung gegen die Verfassung verstoße, kann getrost als Unfug bezeichnet werden, auch wenn dies sogar der rechte Rand der Sozialisten behauptet. Schließlich wurde das Recht den Basken schon vor 25 Jahren zugestanden. Sie erheben die Steuern selbst und führen einen Teil davon, der in Verhandlungen bestimmt wird, dann an Madrid ab. Dies hatte der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero auch den Katalanen einst versprochen.

Doch das war 2003, als die katalanischen Sozialisten mit der „Republikanischen Linken Kataloniens“ (ERC) und der Initiative für Katalonien/Grüne (IC/V) erstmals seit dem Ende der Diktatur den Konservativen die Macht über die Region abnahmen. Bis im März 2004 war es für Zapatero einfach, der ERC zu versprechen, ein von einer Mehrheit getragenes Autonomiestatut in Madrid abzusegnen. Schließlich regierte bis dahin die PP mit absoluter Mehrheit das Land, die jede Ausweitung der Autonomie blockieren würde ("Alle ins Gefängnis?). Als aber die PSOE überraschend die Wahlen knapp gewann, weil die PP über ihre zahlreichen Lügen stürzte, wurde es ernst.

Seit dem überraschenden Wahlsieg sind die Sozialisten nicht nur in Katalonien von den Linksnationalisten abhängig, sondern die ERC stützt auch in Madrid deren Minderheitsregierung. Es gelang der PSOE nicht, während der Diskussion um das Statut einen Spaltungskeil zwischen die Linksnationalisten und den konservativen Nationalisten zu treiben. Die waren sich sogar mit den katalanischen Sozialisten und der ICV darüber einig, dass das Autonomiestatut grundlegend geändert werden muss. So kam bei der Abstimmung im katalanischen „Parlament“ zur historischen Mehrheit von 120 Stimmen für das Statut bei 15 Gegenstimmen der PP.

Seither befindet sich Zapatero in der Zwickmühle. Seit Monaten treibt ihn die PP mit der Frage des Statuts und anderen Entscheidungen vor sich her und mobilisierte mehrfach Hunderttausende nach Madrid. Auf der anderen Seite ist ihm klar, dass nicht nur seine Regierung in Katalonien stürzt, wenn es nicht zu wesentlichen Änderungen beim Statut kommt. Die ERC hat unmissverständlich klar gestellt, dass die Anerkennung der Nation und Sprache, sowie ein eigenes Finanzierungssystem für sie die Bedingung für die Unterstützung der Sozialisten ist. Der ERC-Chef Josep Lluís Carod-Rovira hatte deutlich erklärt: „In Madrid regieren einige, die uns brauchen.“ Das Statut sei die „zentrale Achse“ der katalanischen Regierung und brachte Neuwahlen ins Gespräch, wenn es scheitere.

Breite Kritik in Spanien

Angesichts der Endphase der Diskussion um das Statut, werden nun alle Karten ausgespielt. So muss auch die Drohung des Generals verstanden werden. Dass das Militär ernsthaft putscht, daran glaubt niemand. Doch Mena weiß, welche Wirkung seine Drohungen haben können. Schon vor dem ersten Wahlsieg der PSOE 1982 hatten Militärs einen Scheinputsch durchgeführt.

Entgegen der offiziellen Meinung ging es den Militärs dabei allerdings nicht darum, die Macht zu übernehmen. Sie wollten tief greifenden Veränderungen einen präventiv einen Riegel vorschieben. So sollten die offenen Nationenfragen mit den Basken und Katalanen nicht angegangen werden. Felipe González hatte sich lange Jahre für die Unabhängigkeit des Baskenlandes stark gemacht. Auch an den wesentlichen Strukturen des Staatssystems sollte nichts geändert werden. Weder sollten die Verbrechen der Diktatur geahndet, noch der Staats- und Militärapparat von Faschisten gesäubert oder die Opfer der Diktatur rehabilitiert werden. Deshalb war es nicht verwunderlich, wenn der Putschistengeneral Alfonso Armada zum 20. Jahrestag 2001 im spanischen Fernsehen erklärte, man habe letztlich triumphiert, weil das Land wieder auf seinen richtigen Weg gebracht worden sei. Die ehemalige rechte Hand des Königs hatte den Putsch sogar mit Teilen der PSOE abgestimmt. Der König selbst sei eingeweiht gewesen, weshalb Armada ihn später in einem Brief bat, „den Inhalt unseres Gesprächs“, vor Gericht verwenden zu dürfen.

Es ist deshalb ein gutes Zeichen, dass die Drohungen des Generals nun auf großen Widerstand im politischen Spanien gestoßen sind. Bis auf die PP haben alle bedeutsamen Parteien die Äußerungen Menas scharf verurteilt. Die PP hat erneut gezeigt, dass sie immer noch nicht in der Demokratie angekommen ist und sich von ihrer Geschichte frei gemacht hat. Deren PP-Sprecher Gabriel Elorriaga nannte die Drohungen „Reflexe einer Situation“, in der man lebe. Derlei Äußerungen seien angesichts des Statuts „unvermeidlich“.

Sogar eine der beiden Vereinigungen von Militärs hat sich für die Absetzung Menas ausgesprochen. Dass erstmals in Spanien seit dem Ende der Diktatur ein Militärchef in Arrest genommen und seine Entlassung beantragt wurde, ist ebenfalls ein Zeichen der Hoffnung dafür, dass 30 Jahre nach dem Tod des Diktators der Einfluss der Militärs endlich eingeschränkt wird (Die spanische Regierung beginnt mit der Aufarbeitung der Franco-Diktatur).