Abgefangenes Fax bestätigt die Existenz von CIA-Gefängnissen in Osteuropa

Dem SonntagsBlick wurde eine Kopie des Schweizer Geheimdienstberichts über das brisante Fax des ägyptischen Außenministers zugespielt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie die Zeitung SonntagsBlick.berichtet, hat der Schweizer Geheimdienst mit seiner in den letzten Jahren aufgerüsteten Lauschstation Onyx (weitere Informationen über Onyx) ein womöglich brisantes Fax abgefangen. In dem Fax, das der Zeitung, wie sie sagt, vorliegt, schreibt der ägyptische Außenminister Ahmed Aboul Gheit am 10. November 2005 an die ägyptische Botschaft in London über CIA-Geheimgefängnisse in Osteuropa – kurz nachdem die Washington Post davon berichtet hatte, dass es mindestens zwei solcher Geheimgefängnisse in Osteuropa geben soll (Geheimgefängnis der CIA in Polen oder Rumänien?).

Am 15. November geht eine Meldung von einem Geheimdienstmitarbeiter wbm ein Bericht in französischer Sprache an seine Vorgesetzten mit der Überschrift: "Die Ägypter verfügen über Quellen, welche die Existenz amerikanischer Geheimgefängnisse bestätigen." Aus dem Fax wird wörtlich zitiert:

Die Botschaft hat aus eigenen Quellen erfahren, dass tatsächlich 23 irakische und afghanische Bürger auf dem Stützpunkt Mihail Kogalniceanu in der Nähe der Stadt Constanza am Schwarzen Meer verhört wurden. Ähnliche Verhörzentren gibt es in der Ukraine, im Kosovo, in Mazedonien und Bulgarien.

Im Fax wird auch die Vermutung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erwähnt, dass Gefangene von der CIA nach Rumänien transportiert worden seien. Und es heißt auch, das Rumänien die Existenz solcher Gefängnisse bestreitet. Um wen es sich bei den "eigenen Quellen" handelt, geht aus dem Fax nicht hervor. Aber erstmals wurde nun über die Abhöraktion auch von einer Regierung bestätigt, dass es solche Geheimgefängnisse in Osteuropa gegeben hat – sie wurden, wie die Washington Post berichtete, kurz vor dem Besuch der US-Außenministerin Rice in Europa (auch in Rumänien) aufgelöst und die Gefangenen woandershin gebracht (CIA-Lager in Osteuropa wurden angeblich in aller Eile letzten Monat geräumt). Dass in Rumänien auch irakische Gefangene verhört worden sein sollen, ist eine zusätzliche Neuigkeit.

Peinlich ist der Vorfall aber auch für das Schweizer Militär, dem der Lauschposten untersteht. In der Schweiz wurden wegen der CIA-Flüge bereits Ermittlungen der Bundesanwaltschaft aufgenommen. Es gab auch Anfragen von Schweizer Abgeordneten an die Regierung, ob diese etwas von CIA-Gefängnissen in Europa wusste, was man nun wohl bejahen müsste. Und schließlich untersucht ausgerechnet der Schweizer Ständerat Dick Marty als Leiter einer vom Europarat eingesetzten Kommission die Behauptungen, dass sich solche CIA-Gefängnisse in Europa befinden oder befunden haben. Mitte Dezember berichtete er, dass die Informationen über solche Gefängnisse in Mitgliedsländern glaubwürdig seien. Zu dem abgefangenen Fax sagte er dem SonntagsBlick, dass er dessen Authentizität zwar nicht überprüfen könne, aber dass es ein "zusätzliches Indiz für etwas, das wir schon vermutet haben", sei.

Die Stellungnahme des Schweizer Verteidigungsministeriums zum Artikel im SonntagsBlick scheint die Existenz des Fax und dessen Inhalte zu bestätigen:

Der Artikel im SonntagsBlick "EXKLUSIV: DER BEWEIS - Es gibt CIA-Gefängnisse in Europa. Die Schweiz weiss davon und schweigt." stützt sich auf ein Papier, das integral als geheim klassifiziert ist. Dieses wurde offenbar der Redaktion des SonntagsBlick zugespielt.

Infolge der besonderen Sensitivität des Dokuments und der entsprechenden Klassifizierung nimmt das Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) zu dessen Inhalt nicht Stellung. Hingegen wird im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle die GPDel ausführlich informiert. Zudem wird der Departementschef, Bundesrat Samuel Schmid, eine Administrativuntersuchung einleiten und behält sich weitere rechtliche Schritte vor.

Wie üblich will man also gegen denjenigen vorgehen, der das brisante Dokument der Presse zugespielt hat. Ansonsten mauert man in der Schweiz. Unangenehm ist schließlich auch, dass der Schweizer Geheimdienst offensichtlich die Kommunikation ägyptischer Politiker abhört – und man davon ausgehen kann, dass auch die Kommunikation von Politikern anderer befreundeter Staaten abgehört wird. Das stört – siehe Echelon – freilich nur, solange das nicht öffentlich gemacht wird.

Polen hatte, nachdem der Verdacht entstanden ist, dass im Land ebenfalls ein Geheimgefängnis gewesen sein könnte, den fertig gestellten Untersuchungsbericht der Öffentlichkeit vorenthalten (Die EU und die Entführungen und Gefängnisse der CIA). Und Bundeskanzlerin Merkel will angeblich die US-Regierung bei ihrem Besuch in Washington auffordern, Guantanamo zu schließen, anstatt aktiv für Aufklärung auch in Europa einzutreten.