Jeder zwölfte Brite ist schon einmal auf Online-Betrüger hereingefallen

Spam-Mails sind deutlich erfolgreicher, als bislang angenommen

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Ha ha, auf so etwas wie die Briefe der Nigeria-Connection fällt doch kein vernünftiger Mensch herein, sollte man meinen. Doch wenn es nur jeder Tausendste tut, haben sich die unendlichen Mengen von Müll-Mails bereits rentiert. Tatsächlich scheint jedoch fast jeder zehnte Brite auf betrügerische Spam-Mails hereinzufallen.

Wie kann man nur auf die meist unglaublich dämlich gestrickten Spam-Mails hereinfallen, die die Eingabe geheimer Passwörter oder PINs in radebrechendem Deutsch verlangen? Doch wie der um einen knalligen Gag nie verlegene Christian Bedey feststellen musste, geben selbst auf seiner Satireseite Geheime Daten immer wieder Leute ihre intimsten Geheimnisse ein, ohne lange nachzudenken. Dabei haben sie noch Glück, dass es sich eben nur um eine Scherzseite handelt, die allerdings ihrem Besitzer jüngst eine Hausdurchsuchung eingebracht haben soll.

Na ja, die Deutschen sind halt besonders blöd, da kann sowas schon einmal vorkommen. Doch eine von der englischen Verbraucherschutzorganisation Which? in Auftrag gegebene Studie enthüllt nun wesentlich erschreckendere Zahlen: bei einer Bevölkerungszahl des gesamten Vereinigten Königreiches mit Irland und Schottland von etwas über 60 Millionen Menschen haben bereits mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung, nämlich 28 Millionen Einwohner, Kontakt mit Online-Betrügern gehabt. Und tatsächlich darauf hereingefallen sind stolze 5 Millionen – also nicht ein Tausendstel oder ein Hundertstel der Onliner, sondern jeder Zwöfte – und zwar nicht der Personen mit Internetzugang, sondern der Gesamtbevölkerung. Befragt wurden von Which? etwas über 1000 Bürger.

In der Lotterie gewonnen, obwohl nie gespielt?

Acht Millionen Briten haben dabei Nachrichten über irgendwelche internationalen Lotteriegewinne erhalten. Oft löst dabei weder Misstrauen aus, dass man überhaupt nicht in einer Lotterie mitgespielt hat, noch dass eine „kleine Schutzgebühr“ notwendig ist, um seinen Preis zugeschickt zu bekommen – genau dasselbe Schema, das die bekannten Nigeria-Bettelbriefe nutzen, denen 8% der Befragten bereits begegnet waren. Oft werden auch die Bankdaten missbraucht, die angeblich zum Überweisen des Gewinns aufs Konto benötigt worden, um stattdessen Geld vom Konto des Opfers abzubuchen.

Multilevel-Marketing-Systeme (Schneeballsysteme) sind ebenfalls sehr häufig, bei denen zunächst einmal eine "Grundausstattung" oder ein (nachher nur dreiseitiges) „Lehrbuch“ gekauft werden soll. 1/4 der befragten Erwachsenen haben derartige Angebote bereits einmal gesehen.

Dass diese Betrügereien erfolgreich sind, beweist auch der Bericht über die Studie in "The Register", bei dem die rund um den Artikel platzierten Google-Ads genau für die betrügerischen Dienste werben, vor denen der Artikel eigentlich warnen soll.

Dauerproblem: Betrügerische Rückrufwünsche

Online spielt auf den Britischen Inseln im Bewusstsein der Bevölkerung für Telekommunikations-Betrug übrigens nicht die Hauptrolle: Der insgesamt bekannteste faule Trick ist die auch bei uns nicht unbekannte Masche, um Rückruf auf einer besonders hoch bepreisten sogenannten Mehrwertnummer zu bitten – in Deutschland 0190 beziehungsweise seit dem 1. Januar 2006 nun 0900, aber auch 0137 („Televoting“, Preisausschreiben). Dazu wird angerufen und um Rückruf gebeten – selbst auf dem Anrufbeantworter der Telepolis-Redaktion wurden bereits solche Ansagen hinterlassen, von ähnlich betrügerischen Faxen ganz abgesehen. Auch wer sein Auto in der Zeitung inseriert, muss mit derartigen Betrugsanrufen rechnen.

Insbesondere Mobiltelefone lassen die Betrüger noch preisgünstiger oft nur einmal klingeln, so dass niemand schnell genug abheben kann, und hinterlassen dabei eine teure 0900- oder 0137-Nummer als vermeintlichen Absender. Anschließend drücken viele Handybesitzer einfach auf „Rückruf“, um den vermeintlich verpassten Anrufer zu erwischen, ohne vorher auf die Rufnummer zu sehen, und landen dann auf langwierigen Tonbandanlagen, wie beispielsweise einem nur scheinbar fehlgeschalteten Sexgespräch, während der Gebührenzähler rast.

Jeder dritte Brite hat bereits einmal solche Anrufe erhalten, allerdings haben nur zwei Millionen auch tatsächlich zurückgerufen, hier sind die Inselbewohner also offensichtlich vorsichtiger als im Internet. Trotzdem reichte dies bereits aus, dass die Auszahlungen aus solchen "Mehrteuernummern" nun in England 30 Tage zurückgehalten werden, bevor sie ausgezahlt werden dürften – eine Praxis, die in Deutschland immer schon so üblich war.