"Im Märzen der Bauer..."

Konzerne greifen nach der Saat

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"Die Terminator-Technologie ist ein Angriff auf das Menschenrecht auf Nahrung": An die 30 Organisationen aus der Agrarwirtschaft sowie aus der Umwelt- und Entwicklungspolitik haben zum Start der diesjährigen Grünen Woche die Kampagne Freie Saat statt tote Ernte ausgerufen. Sie wollen verhindern, dass das im Jahr 2000 verhängte internationale Moratorium gegen den Einsatz der "Killer-Technologie" wieder aufgehoben wird.

Dafür setzen sich Staaten wie Kanada, Neuseeland und Australien ein, die erklärt haben, dass sie den Einsatz von so genannten "Genetic Use Restriction Technologies" (GURTs) sinnvoll fänden. GURTs, beziehungsweise "Technology Protection Systems" (TPs) schalten mittels einer in das Erbgut der Pflanze eingesetzten Dreier-Kombination die Fortpflanzungsfähigkeit der Pflanzen aus; i.e. Samen werden gebildet, sind jedoch nicht keimfähig. Von den Kritikern werden die GURTs deshalb konsequenterweise als "Terminator"-Technologien tituliert.

Nachdem die Baumwollzüchter-Firma Delta Pine im Jahr 1998 in den USA ein erstes Patent für ein solches Terminator-Verfahren anmeldete, war der Sturm der Entrüstung, der daraufhin weltweit losbrach, so groß, dass andere Saatgut-Konzerne zunächst erklärten, auf den Einsatz entsprechender Verfahren verzichten zu wollen. Doch hinter den Kulissen arbeiteten sie intensiv daran, die emotionalen Hürden gegen die neue Technologie ins Wanken zu bringen.

Protest gegen Terminatorsaat (Bild: Malte Kreutzfeldt, Attac)

Eine neue Argumentation wurde lanciert, wonach die Terminator-Technologie dazu dienen solle, die Auskreuzung genveränderter Pflanzen mit anderen Zucht- und Wildpflanzen zu verhindern. Ende März diesen Jahres nun werden die Vertragsstaaten, die die Konvention über die Biologische Vielfalt unterzeichnet haben (die USA gehören übrigens nicht dazu) im spanischen Coritiba darüber entscheiden, ob sie den Einsatz von Terminator-Technologien nicht doch zulassen werden, beziehungsweise die Entscheidung jedem einzelnen Staat selbst überlassen wollen.

Mittlerweile haben alle großen Saatgut-Konzerne wie etwa Syngenta, Monsanto oder Bayer Crop eigene Patente auf GURTs angemeldet. Sie haben Millionen investiert in der Hoffnung, dass sich auch diese neue Technologie früher oder später noch durchsetzen werde.

Fesselung mit GURT

Nach Ansicht der Organisationen, die sich an der Kampagne "Freie Saat statt toter Ernte" beteiligen, haben die GURT entwickelnden Konzerne vor allem eines im Sinn: Sie wollen die Landwirte noch fester als bisher an sich binden. Bauern sollen nicht mehr in der Lage sein, ihre Felder aus eigener Kraft – und der der Natur – zu bestellen, sondern die Landwirtschaft soll via Einsatz von genetisch veränderten beziehungsweise von Pestizid- und Dünger-abhängigen Sorten noch weiter kommerzialisiert werden, als dies bisher schon der Fall ist (siehe dazu auch Saatgutkonzerne am Weg zum Genmonopol).

"Monsanto sagt ganz offen: 'Wir bestimmen, was auf den Teller kommt'", so Georg Janßen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL; zu Monsantos Methoden siehe auch Haltet den Dieb?). Und der Geschäftsführer des europäischen Pflanzenzüchter-Dachverbandes, der European Seed Association, habe auf einem der Kongresse seines Verbandes ebenfalls ganz deutlich geäußert: Die Züchter müssten endlich verhindern, dass die Bauern ihr Saatgut selbst – aus der eigenen Ernte – gewinnen.

Bereits 1991 haben die Pflanzenzüchter erreicht, dass das so genannte "Landwirteprivileg" gekippt wurde, und seit 1997 dürfen die Landwirte in Deutschland das aus sortengeschützten Pflanzen selbst gewonnene Saatgut nun nicht mehr kostenfrei aussäen: Noch zwanzig bis dreißig Jahre nach Entwicklung einer neuen Sorte müssen die Bauern den "Sortenschutzinhabern" (i.e.: den Züchtern) eine Gebühr für die Nutzung des Saatguts bezahlen – wenn sie schon kein neues kaufen – die so genannte Nachbaugebühr.

Raubsäer, Nachbauer und Schwarzkopierer

Seitdem verschickt die Saatgut-Treuhandverwaltung (STV) jährlich Fragebögen, auf denen die Bauern angeben sollen, welche Sorte sie in welcher Menge anbauen, um daraus die entsprechenden Gebühren ableiten zu können. Wegen ihrer dreisten Ausforschungsmethoden ist die Gesellschaft im vergangenen Jahr mit dem Big Brother Award des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs ausgezeichnet worden, und gegen ihre angebliche Auskunftspflicht haben Landwirte bereits sechs Verfahren vor dem Bundesgerichtshof sowie vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg geführt und teilweise gewonnen.

Protest vom 10. Januar 2006 (Bild: Malte Kreutzfeldt, Attac)

Je nach Feldfrucht stammt zwischen 35 und 50 Prozent des in Deutschland verwendeten Saatguts noch aus der eigenen Ernte, schätzt Georg Janßen von der AbL. In den Entwicklungsländern dagegen dürfte noch rund 90 Prozent des verwendeten Saatguts aus der eigenen Ernte der Bauern stammen. Rudi Buntzel vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) meint deshalb, dass die Terminator-Technologie von den Saatgut-Konzernen in erster Linie mit Blick auf die Länder des Südens entwickelt wurde. Denn Nachbaugebühren ließen sich dort nicht eintreiben, dafür seien die staatlichen Strukturen gerade im ländlichen Raum meist viel zu schwach ausgebildet. Deshalb sollen die Bauern über die schleichende Einführung von genveränderten Saatgut in die Abhängigkeit der Agrar-Konzerne getrieben werden.

Buntzel ist in Deutschland der Experte für die Ausbreitung genveränderter Pflanzen in der Dritten Welt. Er sagt, dass immer mehr genverändertes Saatgut – etwa aus US-amerikanischen Nahrungsmittellieferungen – auf den unregulierten Märkten im Süden auftauche, oft ohne dass die Bauern davon wissen. Komplexe Gentechnologien wie die GURTs könnten hier besonders schlimme, weil besonders unkontrollierte Auswirkungen haben. Zumal wenn sie dafür sorgen, dass bei der nächsten Aussaat die Ernte ausbleibt.