Computer können die Schlaflosigkeit fördern

Probleme mit dem Biorhythmus: Wer nachts nicht schlafen kann, sollte vielleicht lieber ein Buch lesen

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Gerade im Winter werden viele Menschen tagsüber nicht richtig wach und nachts nicht richtig müde. Die Chat-Räume haben Hochkonjunktur. Doch das kann unter Umständen das Schlafproblem noch fördern.

I'm the screen, the blinding light
I'm the screen, I work at night

R.E.M. - Daysleeper

Unser Körper hat sich in Jahrmillionen auf den von der Natur vorgegebenen Tagesablauf eingestellt. Dieser beginnt morgens beim Sonnenaufgang mit schwacher, rötlicher Beleuchtung. Wenn die Sonne dann später höher steigt, wird sie nicht nur heller: Da ihr Licht nun nicht mehr so viel Luft durchdringen muss wie beim Stand knapp über dem Horizont, kommen nun auch mehr Blautöne durch. Ab 9 Uhr ist so eine Farbtemperatur von 4500 K überschritten, ab 11 Uhr werden über 6500 K erreicht – im Schatten, der nur von blauem Himmel beleuchtet wird, sogar noch mehr. Erst am späten Nachmittag sinkt die Farbtemperatur wieder und mit dem Sonnenuntergang stellt sich der Körper auf das Näherrücken der Nachtruhe ein.

Bei zuwenig Tageslicht kommt die Winterdepression (Bild: Osram)

So funktioniert es auch heute noch, solange man auch tatsächlich Zugang zu Tageslicht hat – also im Sommer und auch noch im Frühjahr und Herbst bei klarem Himmel. Im Winter zeigt sich dagegen prompt das Bedürfnis nach „Winterschlaf“ tagsüber und Unruhe nachts, denn zu dunkel ist es nun fast rund um die Uhr. In Großraumbüros und Fabrikhallen mit ausschließlich künstlicher Beleuchtung herrscht sogar das ganze Jahr „Frühjahrsmüdigkeit“, denn auch wenn diese heutzutage üblicherweise mit Leuchtstofflampen durchgeführt wird, sind diese zumindest in Deutschland so gut wie nie auf Tageslichtqualität eingestellt: Statt den 6500 K des Tageslichts sind meist 2700 K angesagt, das sogenannte Warmton-Licht.

Die Ursache für die für Leuchtstofflampen eigentlich unnatürliche Farbtemperatur liegt im Marketing: Die ersten Leuchtstofflampen hatten durchaus Tageslicht-Charakter, nur die Farbqualität ließ zu wünschen übrig, da sich ihr Licht nicht wie das der Sonne durch ein kontinuierliches Spektrum auszeichnet, sondern im Extremfall nur aus zwei Spektralfarben zu Weiß zusammensetzt, bei besseren Leuchtstoffen zumindest auf drei Farben ähnlich dem Farbfernseher. Das Problem hierbei: Farben, in denen diese Spektrallinien nicht enthalten sind, wirken in solchem Licht ausgesprochen fahl.

Ausgesprochen fahl wirkt die Leuchtstofflampe mit Tageslichtcharakter allerdings auch, wenn sie nicht besonders hell ist: Unsympathisch und kalt erscheint das Licht, das typische "Neonlicht" halt. Der Grund liegt in der bereits erwähnten Gewöhnung des menschlichen Körpers an einen normalen Tagesablauf: Licht hoher Farbtemperatur ist in der Natur üblicherweise auch sehr intensiv, nur das wärmere Licht am Morgen und Abend wird in geringerer Intensität akzeptiert, ohne unangenehm zu wirken.

Glühlampe mit Tageslichteinstellung fotografiert: Gelbliche Angelegenheit (Bild: W.D.Roth)

Während die Bewohner südlicher Länder, denen es warm genug ist, dennoch keine Probleme mit kaltem Fluoreszenzlicht haben, war die Leuchtstoffbeleuchtung außerhalb Fabriken und Supermärkten in unseren Breitengraden so nicht durchzusetzen. Erst, als die Leuchtstoffe dem rötlich-gelblichen Farbton der Glühlampen angepasst waren, wurde das Fluoreszenzlicht als "warm" und „angenehm“ empfunden.

Und so finden sich heute auch in Büros „Neonlampen“ mit glühlampenähnlichen Farbtönen wieder, oder maximal solche mit 4000 K als Kompromisslösung. Doch dieses Licht macht nicht wach, und selbst in Fensternähe ist es unangenehm, wenn es sich mit dem echten Tageslicht mischt. Die Folge: An dunklen, verregneten Tagen, wo etwas mehr Licht zum Arbeiten durchaus hilfreich wäre, wird es oft abgelehnt, weil das "rosarote Gefunzel" irritiert.

Vor einigen Jahren erkannten auch die Lampenhersteller das Problem, es wurden besonders hochwertige "Vollspektrumlampen" entwickelt, die dem Tageslicht so nah wie möglich kommen wollten. Technisch ist dies auch gelungen: Hochdruckmetalldampflampen wie die einstige "Orgalux" (heute GFAG) , oder auch normale Leuchtstofflampen mit verbesserter Leuchtstoffmischung wie die „Biolux“ von Osram machten müde Büroarbeiter munter. Auch „True-Lite“ oder „Sano-Lux“ waren einst bekannte Namen. Neben dem Wechsel der Röhren war jedoch meist auch eine Verstärkung der Beleuchtung notwendig, damit diese nicht unangenehm wirkte.

Energiesparlampe Osram Dulux EL: Dem Auge erscheint sie rötlich, der Kamera wegen des nicht kontinuierlichen Spektrums sogar noch gelblicher als die Glühlampe (Bild: W.D.Roth)

Mit dem Aufkommen der Energiesparlampen in Glühlampenform wurden jedoch plötzlich wieder nur „Einschlaf-Funzeln“ mit 2700 K angeboten: Man wollte ja erreichen, dass die Kunden ihre Glühlampen gegen Energiesparlampen austauschen, ohne sich deswegen unwohl zu fühlen. Biolux & Co. gibt es folglich nur in der klassischen langen Röhren-Bauform und nicht als Energiesparlampen – zumindest nicht für den normalen Käufer in Deutschland. Hergestellt werden Energiesparlampen mit Tageslichtcharakteristik durchaus, aber man bekommt sie beispielsweise nur in Italien. Und die Osram Biolux wird nur noch für exotische Tiere beworben, aber nicht mehr für Menschen.

Erst seit kurzem bieten die Fabrikate Narva und Megaman Energiesparlampen mit Tageslichtcharakteristik an. Das Modell von Narva ist dabei etwas klobig und passt deswegen nicht in jede für normale Glühlampen bestimmte Leuchte. Die „Megaman Lillyput“ ist dagegen aus sehr dünnen Röhren konstruiert und daher besonders klein, braucht dafür aber einige Minuten zum Anlaufen und warm werden. Und auch diese Lampen sind nur bei Elektronik-Spezialhändern wie Conrad Elektronik oder Umwelt-Büroausstattern wie Memo zu erhalten – beim Elektrohändler um die Ecke gibt es nach wie vor nur rosa Einschlaflichter.

Philips hat derartige Tageslicht-Röhren ähnlich einer Höhensonne unter den Namen „Bright Light“ und „Energy Light“ in ein kompaktes, aber nicht billiges Gerät gebaut, das man sich zum "wach werden" per "Lichttherapie" im Winter eine halbe Stunde einschalten und vor sich stellen soll, um damit auch die durch Lichtmangel entstehendeWinterdepression zu vermeiden, wenn ein Spaziergang nicht möglich ist, wie eben im Büro. Ein ähnliches Produkt ist "Dermalight". Das klingt nun allerdings ziemlich umständlich, wo es doch ausreichen würde, die normale Beleuchtung umzustellen.

Kein durchbrennender Tauchsieder, sondern Narva Tageslicht-Energiesparlampe: Erscheint auch der Kamera wie Tageslicht (Bild: W.D.Roth)

Allerdings ist es auch nicht unbedingt sinnvoll, ausschließlich Tageslicht zu verwenden, wenn die Arbeitszeiten nicht wirklich beispielsweise von 8 bis 16 Uhr beziehungsweise – bei Sommerzeit – von 9 bis 17 Uhr gehen. Zwar ist es ja durchaus erwünscht, dass man zum Arbeiten wach ist, doch direkt nach dem Arbeiten unter einer Tageslichtlampe ist es unmöglich, zu Bett zu gehen: die innere Uhr des Körpers geht einfach noch davon aus, dass es heller Tag ist. Zuhause im Wohnzimmer nach Feierabend ist also der warme Ton durchaus angebracht, ebenso wie die klassische Glühlampe, zu der übrigens auch die modernen Halogensysteme zählen: Nicht unbedingt das Richtige zum Arbeiten, aber das Richtige zum Entspannen. Philips hat versucht, mit dem System "Strato", in dem Tageslicht- ebenso wie Warmton-Leuchtstofflampen verbaut sind, die je nach Tageszeit unterschiedlich gemischt werden können, eine Lösung anzubieten

Doch dann holt man sich doch wieder ein Gerät mit Tageslichtcharakter in die gute Stube und macht damit alles zunichte: den Fernseher oder Computerbildschirm. Dieser ist meistens auf 6500 K eingestellt, wenn nicht noch höher, da „kalt“ hier als besonders „scharf“ und „brilliant“ empfunden wird. Farbtemperaturen von 9300 K werden hier durchaus noch benutzt und nur wenige Bildschirme lassen sich auf die 2700 K der abendlichen Glühlampenbeleuchtung umstellen.

Hinzu kommen meist viel zu hell eingestellte Bildschirme, die dadurch nicht nur flimmern und blenden, sondern dem Körper ebenfalls "Tageslicht" suggerieren. Auf die Idee, die Bildschirme entsprechend der Raumhelligkeit herunter zu regeln, was auch die Augen schont, kommen viele Benutzer nicht. Entsprechende Automatikschaltungen, die Fernseher schon in den fünfziger Jahren hatten, sind mittlerweile auch bei teuren Fernsehbildschirmen kaum noch üblich und bei Computerbildschirmen so gut wie überhaupt nicht zu finden.

Energiesparlampe „Megaman Liliput plus Nature Color“: 6500 K, aber kein völlig kontinuierliches Spektrum, deshalb für die Kamera „neontypisch“ leicht grünlich, aber für das Auge fast wie Tageslicht (Bild: W.D.Roth)

Wer sich wegen Schlaflosigkeit nachts an den Computer setzt und Chaträume oder Foren heimsucht, um sich mit anderen Schlaflosen auszutauschen, könnte damit das Problem also noch verstärken: Der heute übliche helle Schirm mit dunkler Schrift ist zwar ergonomisch und tagsüber durchaus sinnvoll, doch die bei höherer Bildwechselfrequenz zwar nicht mehr wahrnehmbar flimmernden Röhrenbildschirme werden vom Auge trotzdem als nicht konstant leuchtend wahrgenommen und bringen den Körper ebenso in „Habacht-Position“ wie die allgegenwärtigen flackernden und zappelnden Werbebanner. Gleiches gilt natürlich für die große Flimmerkiste im Wohnzimmer, selbst wenn man keine Horror-Filme einlegt. Übrigens auch ein Problem bei Leuchtstofflampen ohne elektronisches Vorschaltgerät: Auch sie flimmern.

LC-Displays, Werbeblocker und geringere Helligkeit verringern die Problematik, die auch nur in chronischen Fällen ein Problem darstellt – nicht bei gelegentlicher Schlaflosigkeit beispielsweise durch Föhn. Wirkliche Abhilfe schafft in besonders schweren Fällen allerdings nur die Regel "Kein Computern nach Sonnenuntergang". Lieber mal ein Buch lesen – aber nicht im Bett, denn da sind nur Schlafen und Sex erlaubt.