Auf Extremistenjagd unter Dozenten

Weil die UCLA einem ehemaligen Studenten als Brutstätte des Extremismus ("Anti-Amerikanismus und Anti-Kapitalismus") gilt, will seine Organisation Studenten gegen Bezahlung in die Vorlesungen zum Sammeln von Informationen schicken

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Der konservative Nahostexperte und Direktor des Middle East Forum Daniel Pipes, der den Islam als Bedrohung für den Westen sieht, zeigte sich hoch erfreut über den Fragebogen für Muslims in Baden-Württemberg und den Vorschlag des niedersächsischen Innenministers, Islamisten an die elektronische Leine zu hängen. Die beiden Minister, so die transatlantische Solidarität von Pipes, haben "zwei mutige Taktiken zur Verteidigung des Westens vorgeschlagen, die in beiden Fällen auf dem Verständnis gründen, dass Kultur und Ideen das wirkliche Schlachtfeld darstellen. Ich begrüße ihre Kreaitivität und ihren Mut. Wer wird der Nächste sein, der sich anpasst und diese Initiativen übernimmt?"

Der rührige Warner, der der Bush-Regierung nahe steht, hatte 2002, da "Kultur und Ideen", also auch Wissenschaft das Schlachtfeld darstellen, die Website Campus-Watch etabliert. Damit sollten Universitäten und Dozenten unter Beobachtung gestellt werden, die den Islam verharmlosen oder einseitig Anti-Israelisches bzw. Pro-Arabisches vertreten, und vor allem die Studiengänge, die sich mit dem Nahen Osten befassen, im Sinne von Pipes justiert werden.

"Andrew Jones, seines Zeichens Präsident und Gründer der Bruin Alumni Assocation, will für politische Korrektheit in der Universität sorgen

Nun haben Andere die Idee der Professorenkontrolle übernommen, auch wenn sich der Kampf gegen die Abtrünnigen der rechten Lehre erst einmal auf die University of California in Los Angeles (UCLA) beschränkt. Die Website UCLAProfs ist gerade an den Start gegangen. Sie wird getragen von einer Organisation namens Bruin Alumni Assocation, die von Andrew Jones, einem ehemaligen Studenten geleitet wird, der zuvor einer republikanischen Studentenorganisation vorgestanden ist und für die Studentenzeitung The Daily Bruin geschrieben hat. Für den 24-jährigen "Präsidenten" der Organisation steht es schlimm um die Universität, weswegen er nun auf Rettungsmission ausgezogen ist:

Wir stehen einer explodierenden Krise des politischen Radikalismus auf dem Campus gegenüber. Sie gefährdet den eigentlichen Kern der UCLA – die Erfahrung der Studenten. Ein Aspekt dieser Radikalisierung ist eine unheilige Allianz zwischen Anti-Kriegs-Professoren, radikalen muslimischen Studenten und einer nachgiebigen Verwaltung. Sie haben die UCLA zu einem großen Zentrum der Opposition gegen den Krieg gegen den Terror gemacht.

Nach Jones arbeiten hier teuflische Mächte zusammen, die alles mit ihrem "Anti-Amerikanismus und Anti-Kapitalismus" durchdrungen haben (die nahe Verbindung ist erhellend). Professoren greifen in Vorlesungen "Präsident Bush, die Republikanische Partei, multinationale Unternehmen oder sogar unsere kämpfenden Frauen und Männer" an. Dann gibt es die Studenten, die staatliche Stipendien ausnutzen, um "radikale politische Aktivitäten auszuführen und den Campus nach ethnischen Unterschieden aufteilen". Gefährliche "radikale Positionen" sind: "Anti-Israel, Anti-Bush, Anti-Krieg".

Immerhin hat Jones bislang nicht nur eine ganze Reihe von "Beiräten" zu seiner Organsiation gewonnen, auch wenn einige schon wieder zurückgetreten sind, sondern auch 22.000 US-Dollar an Spenden eingenommen. Und Geld braucht Jones für die Mission, genau die Dozenten zu überwachen und zu dokumentieren, was sie sagen. Da bislang die Berichte über die radikalen und extremistischen Dozenten eher anekdotisch und nicht beweiskräftig seien, will er ein Archiv mit Mitschriften und Mitschnitten der Vorlesungen und Seminare anlegen. Und um Studenten zu der Arbeit zu motivieren, erhalten Studenten, wenn sie genaue Mitschriften von einer Vorlesung machen, alle vom Professor ausgeteilten Materialien sammeln und jede Stunde mit einem Rekorder aufnehmen, 100 US-Dollar. Dabei muss freilich viel beachtet werden:

Die Vorlesungsmitschriften müssen besonders die Reaktion der Zuhörer, Kommentare und andere Einzelheiten enthalten, die die nicht sachbezogenen ideologischen Kommentare des Professors richtig in den Zusammenhang rücken.

Mit dem Start der Webseite – die Universität wird erst einmal nichts gegen die Aktion von Jones unternehmen – werden eine Rubrik "Radikaler der Woche" und eine Liste von Dozenten veröffentlicht: "The Dirty Thirty: Ranking The Worst of The Worst". Da gibt es beispielsweise Adolfo Bermeo von den Chicano Studies, der mit Castro und Subcommandante Marcos sympathisiert. Oder da ist die Anthropologin Karen Brodkin, die, was schon reichen würde, eine "lesbische Feministin" ist, aber auch noch zahlreiche andere "extremistische Positionen" vertritt. Sie ist eine "hardcore" Gewerkschafterin, die sich "wiederholt und deutlich gegen das Militär, Präsident Bush, den Krieg und den Staat Israel" ausgesprochen hat. Und sie hängt auch der Idee der "affirmative action", also der Bevorzugung von Minderheiten zur Schaffung von Chancengleichheit an und tritt für Homosexuelle ein.

Manchmal reichen aber auch schon feine ideologische Unstimmigkeiten oder die Tatsache, dass sich ein schwarzer Professor mit Rassenfragen beschäftigt, dafür aus, auf die Liste der Bösen zu kommen. Für Frauen ist es wohl besonders einfach, radikal zu sein:

Feminist history professor Ellen DuBois is in every way the modern female academic: militant, impatient, accusatory, and radical – very radical.

Angeblich geht es Jones, der sich gegen die "Hysterie" wegen seines Projekts wehrt, nicht um eine "Hexenjagd", sondern nur um den Kampf gegen ideologische Einseitigkeiten, egal aus welcher Richtung sie kommen. Das aber wird wohl niemand ernst nehmen, der sich einmal seine "Dirty Thirty" angesehen hat. Sein Ziel ist, aus seiner Sicht unerwünschte Dozenten unter Druck zu setzen und unter Beobachtung zu stellen, um schließlich über die Verwaltung zu erreichen, dass die Dozenten "ausgewogener" werden. Was das heißt, hat er ja deutlich gemacht. Vermutlich ist seine Organisation bestenfalls ein kleiner Haufen, aber vermutlich doch ein Symptom für die Tendenz mancher konservativer Kreise, die gesellschaftliche Überwachung und Kontrolle zu verstärken.