Kostet bald auch das Telefon Rundfunkgebühren?

Podcast per Telefon: Interessante Idee mit großen Gefahren

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Der neue Dienst Phonecaster.de ermöglicht das Anhören und auch Aufnehmen von Podcasts ohne Computer oder Ipod: Ein gewöhnliches Telefon reicht; es darf aber auch ein Handy sein.

Es gab sie bis in die 70er-Jahre, als man für 23 Pfennig zumindest im Ortsbereich beliebig lange telefonieren konnte, nun ist sie wieder da: die Telefon-Flatrate. Ob bei dem noch bis Ende des Monats verfügbaren Tarif "Callya Open End" von Vodafone, mit dem man für 1,50 Euro im Monat und 39 Cent pro Anruf beliebig lange Gespräche ins Festnetz und ins Vodafone-Mobiltelefonnetz führen kann, bei den Telefon-Flatrates der diversen Internetprovider, den "XXL"-Varianten der Telekom oder der Handy-Flatrate "Base" von E+, bei der man für 25 Euro im Monat beliebig oft und lange ins E+-Mobiltelefon- und ins Festnetz telefonieren kann: Dauerquasseln ist in. Zumindest solange, bis die Stimme versagt oder man alle Bekannten zwar sehr preisgünstig, aber dennoch über Gebühr beansprucht hat (Telekommunikativ überfordert?).

Öffentlich-rechtliche Programme sind ganz vorne dabei bei Phonecaster.de

Was tut man dann noch mit der schönen Telefon-Flatrate? Die Zeitansage anrufen? Die ist dummerweise gerade nicht in der Flatrate enthalten und auf Dauer auch etwas eintönig. Telefonsex-Hotlines? Nein, die fallen natürlich auch nicht unter die Flatrate. Man könnte höchstens bei Oma anrufen und sich das aktuelle Radioprogramm vorspielen lassen. Doch trifft Omas Geschmack leider kaum den eigenen und zudem ist sie verärgert, wenn so stundenlang ihr Telefon blockiert ist.

Nun gibt es die Lösung für alle die, die sich keinen eigenen Ipod leisten wollen, aber immer ein Handy mit Flatrate dabei haben: Statt Oma kann ihnen unter phonecaster.de auch ein Computer das aktuelle Radioprogramm vorspielen – oder auch ausgewählte, als Podcast aufgezeichnete Programme. Das Ganze war als technisches Experiment von Nikolaus Starzacher und Dirk Tostmann gestartet worden, die offensichtlich auch nicht mehr wussten, wen sie mit ihrer Telefon-Flatrate noch anrufen sollten.

Beispiele für bei Phonecaster.de populäre Podcasts (jeweils mit dazugehöriger Telefonnummer)

  1. Tagesschau Podcast (0931 663927 111)
  2. dradio.de – Nachrichten (0931 663927 101)
  3. NDR 2 - Angela - Schicksalsjahre einer Kanzlerin (0931 663927 110)
  4. Witz des Tages (0931 663927 113)
  5. clip2go Vokabeltrainer (0931 663927 137 / 0931 663927 165)
  6. Wanhoffs Wunderbare Welt der Wissenschaft (0931 663927 115)
  7. Schlaflos in München (0931 663927 139)

Das klingt interessant, solange die Telefonfirmen die Würzburger Telefonnummer von Phonecaster.de nicht sperren. Der Vorteil: Die Podcasts müssen nicht erst langwierig vor der Abfahrt zuhause in den MP3-Spieler geladen werden – hat der Bus Verspätung, so kann man einfach spontan einen weiteren Podcast anwählen und sofort lauschen. Über 850 Podcasts sollen bereits über das System der neu gegründeten "Just Digits GmbH" verfügbar sein.

Das zukünftige Geschäftsmodell des neuen Dienstes ist allerdings unklar: es soll keine Werbung eingeblendet werden und es handelt sich auch nicht um gebührenpflichtige Rufnummern: Der Anrufer zahlt nur das, was ihm sein Telefonanbieter für ein Ferngespräch abknüpft. Dafür fallen allerdings bei Starzacher und Tostmann auch nur die Kosten für die Computer, die Telefonanlage und die Leitungen an, denn an die Urheber der abrufbaren Programme wird nichts gezahlt:

Nein, wir haben tatsächlich keine Verträge mit den Urhebern / Autoren des über Phonecaster abrufbaren Contents. Allerdings haben wir mittlerweile die Urheber / Autoren aller Podcasts angeschrieben und ihnen mitgeteilt, wie sie sich wieder austragen lassen können. Von mittlerweile über 1000 Einträgen haben davon aber bisher nur ca. 10 Urheber Gebrauch gemacht.

Nikolaus Starzacher zu Telepolis

Das klingt ziemlich erstaunlich, wo doch sonst Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen nie lange auf sich warten lassen. Doch die Geduld der Urheber könnte einen ganz trivialen Grund haben: Die beliebtesten Inhalte von Phonecaster.de stammen nämlich von öffentlich-rechtlichen Sendern. Und wenn dieser nun zukünftig auch noch über Telefon abrufbar sind, dann wird nach E-Mail und Chat nun auch das Telefon vom Telekommunikations- zum Broadcast-Medium umdefiniert und der Telefonanschluss plötzlich auch ohne Internet und Computer, wo es ab 2007 bereits beschlossene Sache ist (Das Internet wird gebührenpflichtig!), rundfunkgebührenpflichtig.

Damit dürften die Einnahmen von ARD und ZDF deutlich ansteigen, zumal in Betrieben im Gegensatz zum Computer mit Internetzugang jede Nebenstelle und jedes Mobiltelefon einzeln gebührenpflichtig würde. Bestenfalls wäre die Anzahl der zu zahlenden Radiogebühren von 5,52 Euro monatlich auf die Anzahl der insgesamt zur Verfügung stehenden Amtsleitungen beschränkt, doch bei geschäftlich genutzten Mobiltelefonen entfiele diese Beschränkung natürlich. Und das durchaus stichhaltige Argument, dass die Mitarbeiter die Telefonleitungen des Unternehmens oder ihr Firmenhandy kaum zum Radiohören blockieren dürften, zieht ja bedauerlicherweise schon beim Internetanschluss nicht.

Immerhin: Da die Videotelefonie bis heute nicht sehr weit gediehen und aktuell nur bei UMTS-Mobiltelefonen im Gespräch ist, dürfte es zumindest bei Festnetztelefonen bis auf Weiteres nicht möglich sein, die teurere Fernsehgebühr (zur Zeit 17,03 Euro monatlich) in Rechnung zu stellen. Phonecaster.de plant momentan auch keine Video-Podcasts, obwohl dies beim Tagesschau-Podcast durchaus naheläge.

Das einzige, was die Gebührenpflicht noch aufhalten könnte, ist die Tatsache, dass es sich bei Podcasts nicht um Live-Rundfunk handelt, sondern um zeitversetztes Abrufen zuvor aufgezeichneter Inhalte:

Podcasts sind derzeit ja zum Glück noch nicht GEZ- und GEMA-pflichtig, auch wenn GEZ und GEMA beide daran arbeiten, ihre "Gebührenreichweite" auch auf weitere Kanäle auszudehnen. Eine entsprechende Diskussion ist ja momentan mal wieder im vollen Gange, die wir natürlich interessiert verfolgen.

Nikolaus Starzacher zu Telepolis

Bei einigen der Podcasts wie dem Tagesschau-Podcast ist die Aufzeichnung jedoch bereits sehr zeitnah fast gleichzeitig zur Live-Sendung verfügbar und es gibt ja auch etliche Live-Radiokanäle auf phonecaster.de, wenn auch momentan noch keine öffentlich-rechtlichen Sender.