Der "zweiten Erde" auf der Spur

Astrodetektive finden mit kosmischer Lupe den bislang masseärmsten extrasolaren Planeten

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28.000 Lichtjahre von der Erde entfernt umkreist ein „kleiner“ Eisplanet einen Roten Zwergstern. Der extrasolare Himmelskörper ist nur 5,5-mal massereicher als die Erde und befindet sich 2,6 Astronomische Einheiten von seinem Muttergestirn entfernt. Aufgespürt werden konnte das Gebilde mithilfe der Gravitations-Mikrolinsen-Methode. In der heute erschienenen Fachzeitschrift „Nature“ berichtet ein 73-köpfiges internationales Forscherteam von seiner spektakulären Entdeckung.

Seitdem die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz vom Genfer Observatorium im Jahr 1995 bei dem Stern 51 Pegasi den ersten Exoplaneten einer noch nicht erloschenen Sonne entdeckten, spürten Forscherteams rund um den Globus und „über“ ihn mit erdgebundenen Observatorien und Weltraumteleskopen 170 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems auf.

Im offiziellen Jean-Schneider-Katalog sind derzeit 170 Exoplaneten verzeichnet. Gleichwohl warten noch Dutzende Kandidaten auf eine Bestätigung. (Bild: NASA)

170 ferne Welten, die sich auf 147 Planetensysteme verteilen, die aber mit unserer Heimatwelt allesamt nur herzlich wenig gemein haben. Größtenteils handelt es sich nämlich bei ihnen um unbewohnbare, extrem heiße, teils aber auch abgekühlte Gasriesen in der Größenklasse von Neptun (17-fache Erdmasse) bis hin zu Jupiter und größer, die ihren Heimatstern entweder sehr nah und auffallend schnell umflitzen – oder weit entfernt in exzentrischen Umlaufbahnen langsam umkreisen. Kurzum, ein halbwegs erdähnlicher extrasolarer Planet war darunter nicht, ganz zu schweigen von einer "zweiten Erde".

Eisplanet um M-Zwergstern

Jetzt aber stellte ein internationales 73-köpfiges Planetenjägerteam einen neuen Rekord auf. Mit Hilfe von sechs leistungsstarken, im Verbund operierenden Fernrohren spürten sie einen fernen Planeten auf, der „nur“ die 5,5-fache Erdmasse hat.

Wie der Leiter der PLANET-Gruppe und federführende Autor, Jean-Philippe Beaulieu vom Institut d'Astrophysique de Paris (Institut für Astrophysik in Paris), in der aktuellen Fachzeitschrift Nature (Nr. 439, 26. Januar 2006, S. 437-439) berichtet, umkreist OGLE-2005-BLG-390Lb, so der kryptische Name des kleinen Riesen, einen stellaren kleinen Zwerg: einen Zwergstern vom Typ M, welche in der Astronomie auch als Rote Zwerge firmieren.

M-Zwergsterne sind langlebige, sehr licht- und massearme Gebilde, die schätzungsweise mehr als 70 Prozent aller Sterne in der Milchstraße stellen. So weist der 28.000 Lichtjahre von der Erde entfernte und im Sternbild Sagittarius (Schütze) ansässige Rote Zwerg OGLE-2005-BLG-390 zwar nur 0,2 Prozent der Sonnenmasse auf, zählt dafür aber mit seinen 10 Milliarden Jahren zu den hoch betagten Veteranen der Milchstraße. Sein 5,5 Erdmassen „schwerer“ Begleiter umkreist ihn in 10 Jahren einmal – in nicht allzu großer Entfernung. „Die Distanz zu seinem Muttergestirn beträgt 2,6 Astronomische Einheiten (1 AU entspricht dem Abstand Erde-Sonne; ca. 150 Millionen Kilometer), was in unserem Sonnensystem ungefähr einer Umlaufbahn zwischen Mars und Jupiter entspräche“, erklärt Didier Queloz vom Genfer Observatorium (Schweiz).

Minus 220 Grad Celsius

Erwartungsgemäß ist es auf OGLE bitterkalt. „Im Vergleich zur Erde erhält der Exoplanet von seinem Heimatstern eine Strahlung von nur 0,1 Prozent, so dass sich seine Oberflächentemperatur auf zirka minus 220 Grad Celsius beläuft, was mit den Werten auf Neptun oder Pluto vergleichbar ist“, schreiben die Forscher in ihrer Studie. „Solche kühlen, noch unter der Masse von Neptun liegenden Planeten sind im Kosmos vielleicht verbreiteter als Gasriesen, wie es die Theorie vorhersagt.“

Die “Whirlpool-Galaxie” (M 51) – 31 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Wie viele erdähnliche Planeten mag es dort geben? (Bild: NASA, ESA, S. Beckwith (STScI), The Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Um die ferne, unsichtbare Welt sichtbar zu machen, bedienten sich die Astrodetektive einer natürlichen Lupe: der so genannten Gravitations-Mikrolinsen-Methode. Beim Mikrolinsen-Effekt handelt es sich in der beobachtenden Astronomie um ein mittlerweile kaum mehr wegzudenkendes Verfahren. Bewegt sich etwa ein Stern, der sich in der Sichtlinie der Erde und einem weit entfernten Hintergrundstern befindet, an diesem vorbei, wird das Licht des Hintergrundsterns in charakteristischer Weise durch den Gravitations-Mikrolinseneffekt verstärkt.

Dank solcher Phantombilder können Astronomen nicht nur hinter die kosmischen Fassaden von Sternen, Galaxien und Galaxienhaufen blicken, sondern auch extrasolare Planeten lokalisieren. Denn Exoplaneten, die nahe um den Vordergrundstern kreisen, verändern die Lichtkurve der Lichtverstärkung dergestalt, dass sie sich als Planet zu erkennen geben. Anhand der Kurve des gebeugten Lichts können die Astrodetektive sogar die Größe des Planeten ermitteln.

Hoffnungsvolle Technik

„Unsere Entdeckung zeigt, dass mithilfe des Mikrolinsen-Verfahrens Planeten unterhalb der Größe von Neptun, die ihre Heimatsterne in geringem Abstand umkreisen, detektiert werden können“, verdeutlichen die Forscher in „Nature“. Auch der Berliner Astrophysiker und „Nature“-Mitautor Daniel Kubas sieht Grund zum Optimismus:

Diese Technik eignet sich sehr für kleine und leichte Planeten. Sie ist vielleicht eine der aussichtsreichsten Kandidaten, um eines Tages vom Boden aus eine Art "zweite Erde" zu finden.

In einem Gespräch mit Telepolis begrüßt auch der Direktor der Thüringer Landessternwarte Tautenburg, Prof. Dr. Artie Hatzes, der bis heute selbst sechs extrasolare Planeten mit der Radialgeschwindigkeitsmethode ausgemacht hat, den Erfolg seiner Kollegen:

Es ist eine echt bedeutende Entdeckung. Es ist in der Tat der bislang masseärmste Exoplanet, der aufgespürt wurde. Die angewandte Technik ist eine gute Ergänzung zu unserer Methode. Auf dem Gebiet der Exoplanetenforschung sind alle Techniken willkommen, die dabei helfen, extrasolare Planeten dingfest zu machen.