Google-Crash ante portas?

Das Get-Rich-Quick-Syndrom des vergangenen Internet-Bubble hat mit der Google-Aktie ein Revival erlebt

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Déjà vu stammt aus dem Französischen und bedeutet, dass man etwas schon mal gesehen hat. Aktuell beschleicht selbst abgebrühten Börsianern beim Aktienkurs von Google das unheimliche Gefühl, dass dem Kurs das gleiche Schicksal widerfahren könnte wie zuvor Yahoo! oder Amazon.com. Der Begriff Déjà vu stammt bekanntlich von Emile Boirac (1851-1917) und richtet unsere Aufmerksamkeit auf die Vergangenheit. Das Einzigartige am Déjà vu ist jedoch nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart. In dieser könnte der Google-Kurs in kürzester Zeit erodieren wie zu den Zeiten, als wir den Internet-Bubble im Rahmen von Millisekundenpleiten bei vielen Werten platzen sahen.

Mittlerweile empfiehlt selbst Henry Blodget, der im Oktober 1998 ein Amazon-com-Kursziel von 400 US-Dollar herausgab und die Aktie damals innerhalb weniger Wochen auf neue Rekordstände von 600 USD trieb, dass man die Aktie unbedingt verkaufen müsse. Der Mann muss es wissen, empfahl er doch seinen Kunden Amazon.com zum Kauf, während er seinen Kollegen sagte, dass diese völlig überbewertet sei. Doch bei Google dürfte der ehemalige Berufslügner Blodget Recht behalten. Mittlerweile wird Google etwa 300 bis 350 US-Dollar über einem fairen Marktwert gehandelt. Zwar konnten im letzten Quartal die Umsätze weiter kräftig zulegen, jedoch scheinen bei Google die Kosten außer Kontrolle zu geraten.

Gigantomie

Neben den explodierenden Kosten bei Google scheinen die beiden 32-jährigen Firmengründer Sergey Brin und Larry Page (Nummer 16 und 17 der reichsten Amerikaner) von einer Krankheit namens Größenwahn befallen zu sein. Vor kurzem kauften sie sich einen Boeing 767 Privat-Jet, der normalerweise über 180 Passagieren Platz bietet. Man fühlt sich an Paul Allens Boeing 757, ja sogar an die Airforce 1 des Präsidenten erinnert. Das Flugzeug wird einen Wohnraum, ein Esszimmer, Diskussionsräume sowie Badezimmer mit Duschen umfassen.

Wenn man bedenkt, dass Sam Walton, der Begründer von Wal Mart, zu Beginn seiner Karriere lediglich in einem Kleinflugzeug, das er selbst steuerte, durch Amerika flog, so lässt die Anschaffung einer Boeing 767 durch die Google-Gründer nur als puren Luxus bezeichnen. Zwar schätzen Experten den Kaufpreis auf unter 20 Millionen US-Dollar (der Neupreis liegt bei etwa 140 Millionen US-Dollar), trotzdem scheint bei den Google-Gründern, deren Vermögen auf mittlerweile 22 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, die Gigantomie ausgebrochen zu sein.

Google vor dem großen Kurssturz?

Letzte Woche fiel die Google-Aktie bereits mehr als 15 %, um sich dann anfangs der Woche wieder um nahezu 10 Prozent zu erholen. Jedoch kann nicht übersehen werden, dass der 8.5 Prozent-Taucher von letzter Woche der größte Tageskursverfall der Aktie in ihrer noch jungen Geschichte war. Die Volatilität der Google-Aktie scheint, wie auch im Gesamtmarkt, immer mehr zuzunehmen, was aufgrund der luftigen Bewertung von Google für Marktexperten wenig überraschend ist. Mittel- bis langfristig könnte die Google-Aktie sogar wieder unter ihren Ausgabepreis fallen, wenn der Such-Marketing-Hype vorüber ist und Kunden feststellen, dass die Etats bei anderen Unternehmen möglicherweise besser aufgehoben sind. Dann könnten nicht nur die Umsätze, sondern wegen der ansteigenden Kosten plötzlich auch die Gewinne wie Wasser in der Wüste verdunsten.

Das Get-Rich-Quick-Syndrom hat mit der Google-Aktie ein Revival erlebt. Doch wir können uns erinnern, dass viele Anleger an der Get-Poor-Quick-Krankheit erkrankten, nachdem der Internet-Bubble im Jahr 2000 geplatzt war.

Warnzeichen beachten

Der bekannte Wallstreet Stockpicker Bill Miller meidet weiterhin die Hausse in Energieaktien und setzt als Großinvestor voll auf Google. Das Orakel sieht sogar Markbewertungen von deutlich über 200 Milliarden US-Dollar, was einem Aktienkurs von über 1.000 USD entsprechen würde. Ähnliches hörte man jedoch auch schon von japanischen Aktien Ende der 80er Jahre, kurz bevor der damalige Immobilien-Bubble in Japan platzte.

Es ist kaum anzunehmen, dass Google eine Wachstumsrate von 30 % in den nächsten Jahren halten kann. Es dürfte sich in den nächsten Quartalen ein abgeschwächtes Umsatzwachstum abzeichnen. Tritt hier mittelfristig eine Sättigung ein, ist dies pures Gift für den Aktienkurs, der in den Sturzflug übergehen könnte. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass die Analysten von Stifel Nicolaus & Company die überbewertete Google-Aktie nach dem enttäuschenden Ausblick von Yahoo! für das Jahr 2006 von Halten auf Verkaufen herabgesetzt haben. Aktionäre sollten sich laut Ansicht der Research-Firma zukünftig auf den wahren Wert des Unternehmens konzentrieren.

Die Ergebnisse für das aktuelle Quartal, die Ende des Monats herauskommen, könnten durch den verstärkten Wettbewerb und die Tatsache, dass sich die Umsätze unvermeidbar bei einem hohen Niveau abschwächen, schlechter als erwartet ausfallen. Von Insidern hört man außerdem, dass durch das hohe Wachstum, die Personal- und Infrastrukturkosten überproportional gestiegen sind. Dies bedeutet zwar nicht, dass Google nicht mehr profitabel sein wird, jedoch sollten spätestens hier alle Alarmglocken läuten. Anleger sollten deshalb die alte Regel beachten, dass an Gewinnmitnahmen noch keiner gestorben ist.

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