Kreativität mit Grenzen

Gestern lief die "Du bist Deutschland-Kampagne" aus, die nebenbei einen Kreativitätsschub in vielen Köpfen auslöste

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Nach dem Motto „Ganz Deutschland packt an“, war die „grenzübergreifende Begegnungsstätte“ ebenso am Start, wie die Initiative gesunder Rücken und die „Fans for Football“. Also können die jungen Kreativen von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt mit der Resonanz ihrer Mit-mach-Kampagne ganz zufrieden sein. Das haben sie auch immer wieder deutlich gemacht.

Nach den ersten hundert Tagen zeigten sich die Kampagnenmacher begeistert und auch das Resümee war für „Du bist-Deutschland-Kampagnero Holger Jung mehr als zufrieden stellend. Doch die Kampagne hat auch die Phantasie bei jenen geweckt, die mit Deutschland eigentlich gar nichts am Hut haben.

Ich bin nicht Deutschland, Deutschland raus aus den Köpfen), Du bist billig, Deutschland oder Du bist Jude - denn du bist Deutschland. Solche und ähnliche Wortspiele hatten in den letzten Wochen im Internet, auf Flyern, Postkarten und auf Plakaten Hochkonjunktur. Selbst Tjark Kunstreich, einer der Vordenker der antideutschen Strömung, bescheinigte der Kampagne in der Montagszeitschrift Konkret, dass sie es besser als die Kritiker auszudrücken vermochte, was das heutige Deutschland ausmacht.

Die Kritiker standen vor dem Dilemma, dass sich jede noch so negative Äußerung doch wieder auf die Kampagne bezieht und sie so bestätigt. „Uns war klar, dass wild über "Du bist Deutschland" diskutiert wird. Wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte uns das sehr enttäuscht und das unangenehme Signal vermittelt, dass bei uns in Deutschland alle völlig abgestumpft sind“, so Holger Jung.

Selbst als ein findiger Zeitgenosse nachwies, dass auch die Nazis die Parole „Du bist Deutschland“ schon mal benutzt hatten (Auch er war leider schon mal Deutschland...), wurde es kurze Zeit kritisch für die Kampagne. Doch es ging gut aus, wie Jung bilanziert: „Das war ein sehr seriöser Zwischenfall, der zu sehr heftigen internen Diskussion führte. Als wir dann herausbekamen, dass es sich lediglich um einen lokalen Aufruf für einen kleinen lokalen Aufmarsch in Ludwigshafen handelte und keineswegs um einen Nazi-Slogan auf dem Level "Arbeit macht frei" oder Ähnliches, waren wir erleichtert. Zumal uns das Historiker bestätigt haben. Da konnten wir guten Gewissens mit dem Slogan weitermachen.“ Angeblich hatte man schon eine Ersatz-Parole in der Schublade, falls die NS-Vergangenheit doch zu stark in die Öffentlichkeit thematisiert würde.

Grenzen der Coolness

Doch nicht immer gingen die Kampagnenverantwortlichen so cool mit ihren Kritikern um. Einmal schalteten sie sogar die Justiz ein. Die Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Unverzagt/von Have teilte dem Leipziger Jens Schultz mit, als Betreiber der Homepage www.wieder-deutschland.de habe er sich eines schweren Verstoßes gegen die Markenrechte, gar einer Verunglimpfung schuldig gemacht und verlangte eine Unterlassungserklärung. Besonders die kreative Veränderung des Kampagnenlogos, eine rote und gelbe Welle mit einem schwarzen Punkt oben drauf, wird in dem Schreiben inkriminiert.: „Erschwerend kommt hinzu, dass durch die bildliche Einfügung einer Hundezeichnung der Eindruck erweckt wird, dass der dargestellte Hund entweder auf das Bildmotiv seine Notdurft verrichtet oder aber das Bildmotiv selbst ein von dem Hund hergestellter Hundehaufen darstellen soll.“ Drauf geschissen, würde man im Volksmund sagen.

Jean-Remy von Matt ließ sich sogar in einer Mail dazu hinreißen, kritisierende Blogs als „Klowände des Internets“ zu bezeichnen (Ungefragte Meinungsäußerungen von Undankbaren). Damit hatte er aber die Bloggerszene erst richtig heiß gemacht.

Auch in diesem Sinne haben die Kampagnenmacher Deutschland gut abgebildet. Nach außen gibt es sich kreativ, bunt, cool und modern. Aber wenn die Kritiker eine bestimmte Grenze überschreiten, dann ist schnell Schluss mit lustig. Das Kreativbüro, das schon die Geiz ist Geil-Kampagne kreiert hat, wird sicher schon an neuen Ideen basteln.