Bewohnte Welten um Rote Zwergsterne?

SETI-Forscher und Astrobiologen denken um und glauben, dass auf Planeten, die so genannte M-Zwergsterne umkreisen, intelligentes Leben existieren könnte

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Nach der jüngsten Entdeckung eines Exoplaneten um einen der M-Zwergsterne, die Astronomen auch gemeinhin als Rote Zwerge bezeichnen (Der "zweiten Erde" auf der Spur), gewinnt die Frage an Aktualität, ob stellare Körper dieser Machart zugleich die Sonnen bewohnter Planeten sein könnten. Da M-Zwerge sehr licht- und massearm sind, schenkten SETI-Forscher und Astrobiologen solchen Objekten in der Vergangenheit allerdings nur wenig Beachtung. Inzwischen glauben sie aber, dass es eine große Anzahl bewohnbarer Planeten um Rote Zwerge geben könnte, auf denen sogar hoch entwickelte Zivilisationen existieren könnten. Computersimulationen sprechen dafür. SETI will daher seine alte Suchstrategie alsbald modifizieren, zumal Rote Zwerge sehr langlebig sind und 70 Prozent der Sterne in der Milchstraße stellen.

Im kosmischen "Äther" herrscht von der Warte der irdischen SETI-Forscher aus gesehen, die seit 45 Jahren händeringend nach einer extraterrestrischen Botschaft in Form von Funksignalen suchen und neuerdings sogar nach Lichtsignalen Ausschau halten, das große Schweigen. Bis dato ist bei ihnen aus den Tiefen des Alls weder ein Kosmogramm mit außerirdischem Absender noch ein künstlich generiertes Lichtsignal eingegangen, geschweige denn ein intelligentes Piepsen. Doch ungeachtet aller Probleme und der relativ geringen Wahrscheinlichkeit auf Erfolg suchen die weltweit operierenden SETI-Protagonisten weiterhin beharrlich nach Licht- und Radiosignalen intelligenter außerirdischer Provenienz.

Suche nach der richtigen Suche

Dabei gehen alle SETI-Astronomen von einer Maxime aus, die den Moment der Zufälligkeit ihrer Observationen drastisch vor Augen führt: Wer nicht am richtigen Küstenabschnitt zum rechten Zeitpunkt wartet, um das unbekannte Strandgut aufzusammeln, geht leer aus, da Funksignale nicht warten, sondern stetig weiterziehen und sich mit zunehmender Distanz über einen immer größeren Radius im All verteilen. Was ehemals die Antenne als gebündelter, intensiver Strahl verlässt, kommt beim unbekannten Adressaten als äußerst schwacher Impuls an, so wie der Strahl einer Taschenlampe. Je weiter dieser von seiner Quelle entfernt ist, umso schwächer wird er. Auch das SETI-Optical-Program, das nach stark gebündelten Laserblitzen künstlichen Ursprungs Ausschau hält, sieht sich derselben Problematik gegenüber. Schließlich zerstreuen sich auch Lichtwellen (wie Radiowellen) über sehr große Entfernungen.

ESO 269-57 – so die Katalognummer der 155 Millionen Lichtjahre entfernten im Sternbild Stier (Centarus) gelegenen Spiralgalaxie. Mit einem Durchmesser von 200.000 Lichtjahren ist sie annähernd doppelt so groß wie unsere Galaxis, in der zumindest eine intelligente Zivilisation beheimatet ist. Wie viele mögen in dieser Welteninsel leben oder gelebt haben? (Bild: ESO)

Die klassische Suchmethode via Radiowellen birgt noch weitere Probleme. So fokussierten sich viele SETI-Projekte bisher auf die 21-Zentimeter-Wasserstofflinie, die auch heute noch als kosmische Standardfrequenz angesehen wird, auf der außerirdische Intelligenzen senden könnten. Für eine Suche nach künstlichen Radiosignalen eignet sich der langwellige Bereich der Wasserstofflinie (1,42 Gigahertz), weil auf dieser Frequenz das im Universum am häufigsten vorkommende Element, der neutrale interstellare Wasserstoff, strahlt. Aber es ist noch völlig offen, ob Außerirdische überhaupt diesen Frequenzbereich "frequentieren". Was wäre, wenn sie auf und mit Wellenlängen jenseits unserer Vorstellungskraft operierten? Und was wäre, wenn intelligente Lebensformen auf anderen Planeten überhaupt keine Radioastronomie betreiben oder schlichtweg kein Interesse an den Sternen haben, da sie tief im Erdboden leben oder als Meeresbewohner naturgemäß keinen Zugang zum Sternenhimmel haben?

Bei alledem könnte ein außerirdisches Kosmogramm unseren Planeten schon vor Millionen Jahren erreicht haben – oder bei uns erst in ferner Zukunft ankommen. Genauso gut könnte die im Wellenmeer driftende extrasolare Flaschenpost schon angeschwemmt worden sein, ohne dass wir dies je bemerkt hätten respektive jemals registrieren werden. Und was wäre, wenn alle nur senden, aber keiner zuhört – oder umgekehrt alle nur zuhören, jedoch keiner sendet? Nicht zuletzt könnte die kurze Lebensspanne intelligenter Zivilisationen den Ausschlag geben. "Gemessen am Alter unseres Universums sind intelligente Kulturen nur Eintagsfliegen", befürchtet die bekannte Astronomin und jetzige Direktorin des SETI-Instituts in Mountain View (Kalifornien), Jill Tarter.

Wahl des Sterns von Relevanz

Neben der Wahl der „richtigen“ Frequenzen muss zu guter Letzt vor allem Wahl der Suchstrategie mit der des anvisierten Zielgebietes und Zielsterns korrespondieren. Alle Puzzlestücke müssen ineinander greifen, damit sich überhaupt ein Gesamtbild verdichten kann. Ebenso ein wichtiges Steinchen in dem Mosaik ist die Frage, welcher Sternentyp der bislang bekannten sieben Spektraltypen O, B, A, F, G, K, M just die notwendigen Charakteristika aufweist, die für die Ausbildung von Planeten mit biologischem Leben essentiell sind. Was für eine Kategorie von Sonnen begünstigt die Entstehung erdähnlicher Planeten? „Die klassischen SETI-Programme beschränkten sich traditionsgemäß auf Sterne, die unserer Sonne sehr ähnlich sind“, gesteht Jill Tarter. „Die Erde ist der einzige Planet, von dem wir genau wissen, dass sich auf seiner Oberfläche Leben entwickelt und eine Technologie herangebildet hat, welche über interstellare Distanzen nachweisbar ist.“

Dr. Jill Tarter (geb. 1944) vom SETI-Institut in Moutain View/Kalifornien. Näheres zu ihr siehe Telepolis-Interview vom 9. Juni 2003. (Bild: NASA)

Kein Wunder also, dass die SETI-Gemeinde ein besonderes Faible für sonnenähnliche Sterne vom Typ G hat, bisweilen auch F-Sterne anvisiert, die etwas heißer als die Sonne sind, und sogar ein Auge auf K-Sterne geworfen hat, die freilich ein wenig kälter sind. Dadurch wuchs der Katalog der von SETI observierten Sterne allein in der Milchstraße auf sage und schreibe mehr als 250.000 an – Tendenz steigend.

Eine Klasse von Sternen, die dem SETI-Profil bislang nicht gerecht wurde und ergo in den Denkmodellen der Exobiologen und SETI-Forscher überhaupt keine Rolle spielte, sind Braune Zwerge. Sie entstehen wie alle Sterne als Folge des gravitativen Kollapses interstellarer Wolken, erreichen jedoch nicht die Masse und den Druck, um die Kerntemperatur von mindestens drei Millionen Kelvin zu erreichen, die nötig ist, um eine klassische solare Kernfusion in Gang zu setzen.

Aber auch die anderen elf Unterarten von Zwergsternen spenden – wie ihren „Kollegen“ von der Braunen-Zwerg-Fraktion – schlichtweg zu wenig Licht und Wärme, um bewohnbare Welten um sich zu scharen, auf denen biologische Evolutionsprozesse stattfinden. Zumindest ging das Gros der Forscher bislang von diesen Annahmen aus.

Zu viel infrarotes Licht

Insbesondere mit dem am häufigsten vorkommenden Sternentyp im Universum, den M-Zwergsternen bzw. Roten Zwergen, die schätzungsweise 70 Prozent aller Sterne in der Milchstraße stellen, wissen Bioastronomen und SETI-Wissenschaftler noch nicht allzu viel anzufangen. Dies hängt primär damit zusammen, dass dieser stellare Typ fast ausschließlich infrarotes Licht aussendet und somit als potentielles Muttergestirn einer bewohnbaren Welt ausscheidet. Auf einem Planeten, der einen Roten Zwerg umkreist, wäre eine Photosynthese wie auf der Erde nicht möglich, da sein Muttergestirn in diesem Bereich des Spektrums höchst spärlich emittiert.

Bislang sind „erst“ 170 Exoplaneten entdeckt und bestätigt worden. (Bild: NASA)

Selbst bei einem Exoplaneten, der in der habitablen Zone läge, also in jenem Bereich eines M-Zwergsternsystems, der das Entstehen und die Konservierung von flüssigem Wasser begünstigte, nähmen zwei Probleme Überhand. Da nämlich die Ökosphäre um einen Roten Zwerg in der Regel gerade einmal zwischen 0,04 und 0,2 Astronomische Einheiten beträgt, müsste ein Planet schon auf Tuchfühlung zu seinem Mutterstern gehen, um genügend Licht und Wärme zu erhalten.

Zu viel Hitze und Strahlung

Doch selbst dieses Szenario ist utopisch, da jeder Planet in unmittelbarer Nähe zu seiner Sonne – egal, ob diese massereich oder massearm ist – hoher Hitze und vor allem höchst lebensfeindlicher solarer Strahlung ausgesetzt wäre. Zudem würde der Planet infolge der stellaren starken Gravitation synchron rotieren und ergo seinem Muttergestirn immer dieselbe Seite zeigen. Während es auf der einen Kugelhälfte im wahrsten Sinne des Wortes heiß herginge und dort extrem hohe Temperaturen das Sagen hätten, wäre die andere Seite stark abgekühlt – auf der einen Hälfte herrschte ewiger Tag, auf der anderen ewige Dunkelheit.

Aber auch auf einem Planeten, der seine Sonne in großer Distanz umkreiste, hätte die Ausbildung von biologischem Leben nicht den Hauch einer Chance. Hier würde jeder Milliliter Wasser sofort zu Eis gefrieren, was der Ausbildung von Leben alles andere als dienlich wäre. „Flüssiges Wasser ist für Leben absolut notwendig, zumindest für Leben, wie wir es kennen“, betont Jill Tarter.

Nicht zuletzt aufgrund ihrer hohen Radioaktivität gelten M-Zwerge als äußerst „lebensfeindlich“. Gäbe es ein Ranking für die im Produzieren von Sonnenflares effektivsten Sterne, gebührte dieser stellaren Klasse fraglos der Spitzenplatz. Einen Spitzenwert erreicht insbesondere die von solchen Gebilden emittierte UV-B- und Röntgenstrahlung. Dass in der Nähe solcher Lichtquellen biologisches Leben kaum eine Überlebenschance hat, liegt auf der Hand. Das Strahlenbombardement würde die Entfaltung von komplexen DNA-Molekülen glattweg verhindern. Nur erdähnliche Planeten, die über eine gut funktionierende Atmosphäre und somit über ein effektives Schutzschild verfügen, könnten solare Eruptionen solchen Ausmaßes abhalten.

Planeten um M-Zwerge – Horte des Lebens

Seit einigen Jahren aber hat bei den Astrobiologen und SETI-Wissenschaftlern ein Umdenken eingesetzt. Mittlerweile gehen immer mehr Bioastronomen davon aus, dass Planeten, die um Braune Zwerge der Kategorie M treiben, durchaus Horte des Lebens sein könnten. Zu dieser Feststellung gelangte zumindest eine interdisziplinäre Forschergruppe in einem Ende letzten Jahres im SETI-Institut abgehaltenen Workshop.

Deren Ansicht nach könnten M-Zwergsterne trotz aller astralen Defizite Planeten mit ausreichend Licht und Wärme versorgen und auf diese Weise die Entwicklung von biologischem Leben dergestalt fördern, dass sich auf deren planetaren Begleitern sogar hoch entwickelte Zivilisationen mit Radiotechnologie herangebildet haben könnten.

Durchmesser: 305 Meter: Die Arecibo-Schüssel in Puerto Rico (USA) ist immer noch das weltweit größte unbewegliche Radioteleskop, mit dem SETI-Forscher zeitweilig nach außerirdischen Radiobotschaften suchen. (Bild: NAIC – Arecibo Observatory)

Zumindest zeigen Daten diverser Computerexperimente, dass bewohnbare Welten um M-Zwerge keine Seltenheit sein müssen. Bislang konnten verschiedene computergenerierte atmosphärische Modelle belegen, dass beispielsweise ein sonnennaher Planet um einen M-Zwergstern automatisch eine dickere Atmosphäre ausbilden würde. Die sich daraus ergebene stärkere Zirkulation würde die Sonnenwärme um den ganzen Planeten gleichmäßig verteilen. „Wenn sie ein wenig Gewächshausgas in die Atmosphäre entlassen, kommt es im Zuge der Zirkulation in der Atmosphäre zu einer planetenweit gleichmäßigen Verteilung der Temperatur. Auf diese Weise gelangt die Hitze auf der den Sternen zugewandten Seite auf die Rückseite des Planeten“, erklärt Jill Tarter voller Zuversicht. Möglicherweise schaffe dieser Prozess die Bedingungen für eine bewohnbare Welt.

Kosmische Dauerbrenner

Ein anderer wichtiger Aspekt, der bislang stets übersehen wurde, hängt mit der Lebensdauer und den „besten Jahren“ von M-Zwergen zusammen. Fakt ist: Rote Zwerge werden alt, sehr alt. Wegen ihres niedrigen Energieverbrauchs leuchten diese kosmischen Dauerbrenner fast eine Ewigkeit. Kosmologen attestieren ihnen ein Alter, das – je nach Masse – zwischen 50 Milliarden und 50 Billionen Jahren liegen könnte. Wenn dereinst die Sternpopulationen und Galaxien ihr Licht ausgehaucht haben, könnte eine hohe Zahl von Roten Zwergen das All noch bevölkern.

Noch wichtiger für Exobiologen ist aber die Tatsache, dass M-Zwerge ihre produktivste bzw. aktivste Zeit in den ersten Milliarden Jahren ihrer Existenz durchleben. Sind die wilden Jahre einmal vorbei und ist das strahlenreiche Feuerwerk beendet, setzt sich der Stern zur Ruhe und spendet dabei erstmals Wärme und Energie in einer Intensität, welche die Entfaltung von organischem Leben – selbst auf Infrarotbasis – ermöglicht.

Mit ATA nach M-Zwergen jagen

Über die Frage, ob M-Zwerge auf die „Zielliste“ (target list) kommen sollen oder nicht, haben SETI-Forscher, Astronomen, Planetenjäger sowie Astrobiologen und Geologen im Rahmen interdisziplinärer Tagungen bereits des öfteren diskutiert. Nunmehr haben sie fachübergreifend erstmals Nägel mit Köpfen gemacht und entschieden, dass mit dem Allen Telescope Array (ATA demnächst solche M-Zwerge anvisiert werden sollen. „In der nächsten Dekade wollen wir die modernste und schnellste Suche mit der größtmöglichen Anzahl von Sternen starten. Ich will einen riesigen Katalog von Zielsternen. Ich will Millionen von Sternen“, wünscht sich Jill Tarter. Mit dem ATA betreibe man, so Tarter, konventionelle astronomische Beobachtungen und gleichzeitig klassische SETI-Observationen. Es sei das erste Teleskop, das gebaut wurde, um beide Strategien miteinander zu verbinden und zu optimieren.

So könnte das ATA-Areal eines Tages aussehen (Bild: SETI/Isaac Gary)

Das ATA besteht aus kleinen Radioteleskopen, die jeweils nur sechs Meter groß sind. 350 davon werden in Form eines Gitters eingesetzt und dem Prinzip der Interferometrie folgend im Verbund zusammengeschaltet. Dabei richtet sich interessanterweise das Augenmerk der SETI-Forscher nicht generell auf Sterne, sondern ganz gezielt auf Planeten, wie Tarter verdeutlicht:

Es ist nicht der Stern, der mich interessiert. Es sind die Signaturen, die von hoch entwickelten Technologien stammen, deren Planeten um Sterne kreisen. Solange ich weiß, dass wir die korrekte Richtung anvisieren, brauche ich den Stern nicht zu sehen. Ja, ich brauche noch nicht einmal den Planeten zu sehen. Mache ich aber ein Radiosignal aus – Bingo! –, dann habe ich eine bewohnte Welt gefunden!