Trittbrett für al-Qaida?

Die angeheizte Stimmung wegen der Mohammed-Karikaturen nutzt den Extremisten

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Während die wie und von welcher Seite auch immer geschürten Reaktionen auf die Mohammed-Karikaturen im Westen den gegenüber Moslems gehegten Vorurteilen dienen, die immer ungefilterter zu Tage treten, nutzen sie gleichzeitig ihren Pendants auf der anderen Seite, den radikalen Islamisten. Beide Seiten sprechen gerne von organisierten Kampagnen, die Feindbilder und damit den "Krieg der Kulturen" schüren sollen (und schließen sich selbst natürlich davon aus).

Auf der muslimischen Seite werden von Extremisten, denen zu wenig von Regierungen und Geistlichen widersprochen wird, die Karikaturen, die eine Verbindung zwischen dem Islam und der Gewalt nahe legen, bestätigt, wenn sie Botschaften stürmen und anzünden sowie Aufrufe zum Mord oder Gewaltandrohungen auf Demonstrationen oder im Internet verbreiten. Die dänischen Karikaturisten haben sich bereits versteckt und stehen unter Bewachung. Die Meinungsfreiheit ist entschieden dann zu Ende, wenn in London Plakate mit Aufschriften wie "Be prepared fort he real Holocaust" oder "Butcher Those Who Mock Islam" herumgetragen werden können. Die Polizei ist nicht eingeschritten, will aber nun nach Kritik möglicherweise doch gegen diejenigen vorgehen, die zu Anschlägen aufgerufen haben.

Bei den Protesten am Freitag im Libanon, die nach dem Freitagsgottesdiensten begonnen haben, wurde denn auch deutlich, dass die Erregungswelle, die durch die muslimische Welt geht, auch für Terrororganisationen dienlich sein kann. Tausende von Palästinensers aus dem Ain al-Hilweh-Lager in Sidon haben nicht nur dänische und französische Fahnen verbrannt, sondern auch gerufen: "Sprengt die Zeitung in die Luft! Tötet die Dänen! Tötet die Franzosen! Tötet die Amerikaner!" In der Al-Nour-Moschee hatte Sheik Jamal zur Gewalt aufgerufen: "Die Herabwürdigung unseres Propheten Mohammed erfordert von allen Muslimen, Rache zu üben. … Der Islam wird angegriffen. Diese Demonstration ist ein Ausdruck der muslimischen Nation, die den Sieg erringen und die Länder der Muslims befreien wird."

Beschworen wird die Einheit der Muslime, die globale Ummah. Deren Verwirklichung mitsamt der Vertreibung aller Ungläubigen hatte sich auch Osama bin Laden zum Ziel gesetzt. Nicht verwunderlich ist daher, dass auf der Demonstration auch die Hilfe bin Ladens gefordert wurde, "um sofort Rache zu üben". Sheikh Abu Sharif von der Gruppe Esbat al-Ansar trieb dies noch weiter auf die Spitze. Er forderte die Köpfung aller Gotteslästerer und bat Bin Laden und Sarkawi, Rache zu üben, weil sonst niemand den Islam verteidigen könne. Auf der Demonstration wurden Bilder von Bin Laden und Sarkawi herumgetragen. Ähnlich wird aus dem Sudan und aus Gaza-City berichtet.

Heute haben wieder Tausende Menschen, darunter auch Geistliche, an den Protesten in Beirut teilgenommen und die dänische Botschaft angezündet. Hamas-Führer Mahmoud Zahar beruhigte den Konflikt auch nicht gerade, wenn er der italienischen Zeitung Il Giornali am Samstag in einem Interview erklärte, dass der Westen nichts zur Versöhnung beigetragen habe. Obgleich man eigentlich diejenigen, die den Propheten beleidigt haben, hätte töten müssen, habe man nur friedlich demonstriert. Allerdings wurde auch die deutsche Vertretung in der Stadt Gaza von Palästinensern angegriffen.

Verwunderlich wäre nicht, wenn Terrorgruppen solche Angebote zur Verteidigung des Glaubens und zum "Kreuzzug" aufnehmen würden, um sich neue Sympathisanten zu schaffen und für Aufmerksamkeit zu sorgen. Die sich zuspitzende Krise mit Iran trägt ein Weiteres zur explosiven Atmosphäre bei.