Begrenzte Uranmengen bremsen Optimismus der Atomindustrie

Ministerpräsident Kochs Ruf nach neuen AKWs kann nicht verdecken, dass die Atomlobby längst nicht mehr so optimistisch in die Zukunft blickt

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Am Wochenende nahm eine Debatte zwischen den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und Bundesumweltminister Siegfried Gabriel bizarre Züge an. „Ich fordere Koch auf, noch vor den hessischen Kommunalwahlen zu sagen, an welchem Standort in Hessen er ein neues Kernkraftwerk bauen lassen will und wo er das dazu gehörige Endlager haben will", so Gabriel.

Bei mittleren Bedarf würden die Uranvorräte nich einmal bis 2050 reichen. Grafik: Greenpeace

Anlass der Kontroverse ist eine Rede, die Koch am vergangenen Donnerstag vor dem Deutschen Atomforum, der Lobbyorganisation der Atomindustri gehalten hat. Dort forderte er die Atomwirtschaft auf, wieder über Anträge für den Neubau von Atomkraftwerken nachzudenken. Damit würde das Verbot von AKW-Neubaus, das in der von der Atomindustrie mit unterzeichnetem Ausstiegsplan enthalten ist, infragegestellt. Danach schlugen die Wellen hoch.

Politik der kleinen Schritte

Die Aufregung um Kochs Rede, könnte ein von ihm gewolltes Ablenkungsmanöver sein. Denn nicht neue AKWs stehen zur Zeit auf der Agenda der Atomlobby. Vorerst übt man sich in einer Politik der kleinen Schritte. Denn trotz Abgang des grünen Umweltministers Jürgen Trittin ist die große´Zukunftseuphorie beim Atomforum ausgeblieben. Sein Nachfolger Gabriel, der den rotgrünen Atomkompromiss bisher verteidigt, könnte für die Pläne der Atomlobby bald zum Problem werden.

„Antinukleare Gene einer großen Volkspartei“diagnostizierte der Präsident des Atomforums Walter Hohlefelder. Die zwingen die Atomlobby zu kleinen Schritten. Niemand erwarte, dass der im April geplante Energiegipfel der großen Koalition ein Durchmarsch für die Atom-Stromer wird. Die Kernenergie dürfe allerdings bei dem Treffen nicht ausgespart werden, verlangte Hohlefelder. Jan Zilius von der RWE Power AG riet denn auch, sich in der Öffentlichkeit nicht gegen den Atomkompromiss zu stellen, der schließlich die Unterschrift der Atomindustrie trägt. Mit Blick auf die eigentlich in dieser Legislaturperiode anstehende Abschaltung des hessischen Reaktors Biblis A, empfahl er, alle Möglichkeiten des Gesetzes zu nutzen. „Unser Aufsichtsrat würde uns davon jagen, wenn wir keinen Verlängerungsantrag stellen“, präzisierte Zilius.

An einer weiteren Front sah man beim Atomforum Fortschritte. Demnächst soll in München wieder ein Lehrstuhl für Nukleartechnik in Deutschland eingerichtet werden. Allerdings sei es noch nicht gelungen, in Deutschland einen Ordinarius zu finden, so dass man mit Wissenschaftlern aus dem Ausland verhandele, monierte Hohlefelder.

So könnte man sich mit kleinen Schritten durch die Legislaturperiode hangeln und nach den nächsten Wahlen doch noch auf die Wunschkoalition der Atomlobby, ein Bündnis von Union und FDP, warten. In der Zwischenzeit könnte man mit entsprechenden Studien nachweisen lassen, dass Atomkraft auch aus ethischen Gründen eine Zukunft haben muss, so das Ergebnis einer am 7.Februar vorgestellten Studie. Wenn da nicht einige andere aktuelle Meldungen den Atom-Stromern die Laune verderben würden.

Uran ist endlich

Uran, der Rohstoff für die Atomkraft, wird höchstens noch 65 Jahre ausreichen, lautete das Ergebnis einer Studie, die die Umweltorganisation Greenpeace Mitte letzter Woche in Berlin vorstellte. Die Studie beruht auf Daten der Konferenz für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und geht davon aus, dass die Uranvorkommen weltweit auch bei reduziertem Bedarf spätestens 2070 erschöpft sein werden. Derzeit deckt die Atomkraft rund sieben Prozent des weltweiten Energiebedarfs. Würde dieser Anteil signifikant erhöht, wären die Uranressourcen in kurzer Zeit erschöpft sein. Schon jetzt führt die zunehmende Verknappung zu steigenden Preisen.

Das Atomforum war davon so alarmiert, dass eigens ein Beitrag eingeschoben wurde, der das Argument, dass die begrenzten Uranmengen eine Hürde für einen AKW-Ausbau wären, widerlegen sollte. Doch eigentlich konnte der Geschäftsführer der Urenco GmbH, Joachim Ohnemus, die Zahlen der Greenpeace-Studie nur bestätigen und ansonsten auf das Prinzip Hoffnung setzen.

Gerade wo Ohnemus auf Prognosen verwies, die von einer niedrigeren Uranmenge ausgehen, zeigte er, dass die Greenpeace-Studie seriös gearbeitet hat. Allerdings habe sie nur die schon erschlossenen Fundstellen berücksichtig, versuchte Ohnemus die Atomgemeinde zu beruhigen. Er geht allerdings davon aus, dass sich sowohl in der Umgebung dieser Orte als auch an anderen Stellen noch weitere Uranvorkommen befinden. Wenn es dann gelänge, nur einen Teil des Urans vom Meeresboden zu nutzen, wären die Vorräte über Jahrhunderte gesichert. Auf die technische Machbarkeit und die Kosten für solche Methoden ging der Wissenschaftler allerdings nicht ein.

So konnte er als Aufmunterung für die Atomgemeinde nur anführen, dass sich die Uranvorkommen überwiegend in politisch stabilen Regionen befänden und man auch schon abgereicherte Brennstäbe weiter zur Urannutzung verwenden könne. Außerdem werde der von Greenpeace prognostizierte Anstieg der Uranpreise dazu führen, dass mehr in den Abbau bestehender und die Erschließung neuer Abbaustätten investiert werde, so die Hoffnung des Wissenschaftlers.

Mehr als einen Höflichkeitsapplaus für seine wissenschaftlichen Bemühungen hatte Ohnemus daher auch nicht zu erwarten. Denn die Atom-Stromer können die Zahlen und die wirtschaftlichen Zusammenhänge nur zu gut. Die von ihnen hoch gelobte Renaissance der AKW-Industrie vor allem in Staaten wie China und Indien wird den Druck auf die Uranmengen und den Uranpreis erheblich erhöhen. So könnte ihnen in absehbarer Zeit noch einmal ein Satz, der auf dem Atomforum fast von jedem Redner vorgetragen wurde, Probleme bereiten: „Wir haben nichts gegen regenerative Energieträgern, aber die müssen sich im wirtschaftlichen Wettbewerb mit den herkömmlichen Energieträgern behaupten.“