Plexiglasröhren statt Raffinerien?

Wasserstoff aus Algen soll in den nächsten 10 Jahren das Öl ersetzen

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Die Idee, Autos wegen der Umweltfreundlichkeit bei der Verbrennung zukünftig mit Wasserstoff zu betreiben, scheitert bislang an der Frage, wo der Wasserstoff denn herkommen soll. Kalifornische Forscher sehen die Zukunft in Wasserstoff produzierenden Pflanzen.

Die schöne neue Wasserstoffwelt, die sowohl BMW als auch amerikanische Politiker immer wieder beschwören, hat ihre Tücken: Zwar verbrennt Wasserstoff mit Luft umweltfreundlich zu Wasserdampf, wobei nur wenige Stickoxide oder andere giftige Nebenprodukte entstehen, doch stellen sich zwei andere Fragen: Einerseits existiert keine Infrastruktur für das Speichern und die Verteilung von Wasserstoff – entsprechende Gastanks sind im Gegensatz zu dem leichten Gas sehr schwer und auch das Speichern in Metallschwämmen leidet unter demselben Problem. Das Verteilen per Pipeline dürfte wiederum in einer Welt der Terroranschläge ziemlich störungsanfällig sein und selbst ohne Fremdeinflüsse diffundiert Wasserstoff in größerem Maß als normales Erdgas durch Metallröhren und Dichtungen.

Das größere Problem war bisher jedoch die Frage, wo der Wasserstoff denn herkommen soll: Zwar ist er zusammen mit Sauerstoff Bestandteil von Wasser, doch die Erzeugung per Elektrolyse verschlingt genau die Energie, die der Wasserstoff später im Auto wieder liefern soll. Damit ist Wasserstoff keine Energiequelle, sondern lediglich ein Energiespeicher, der möglicherweise ineffektiver ist als die Akkus eines Elektroautos. Der Strom, mit dem der Wasserstoff gewonnen wird, muss also seinerseits wieder aus anderen Energiequellen gewonnen werden – und dies mit einem begrenzten Wirkungsgrad, also Verlusten von typischerweise über 50%.

Sauerstoff wird in der Natur durch Photosynthese frei, die Pflanzen zerlegen bei Sonneneinstrahlung auf Chlorophyll Kohlendioxid zu Kohlenstoff und Sauerstoff – den Kohlenstoff bauen sie als Zucker ein, um zu wachsen, der Sauerstoff wird frei und an die Luft abgegeben. Wenn man die Pflanzen nun dazu kriegen wurde, statt Kohlendioxid Wasser per Photosynthese zu zerlegen...

Photosynthese statt Elektrolyse

Diese Gedanken hatte Tasios Melis von der Universität von Berkeley in Kalifornien seit Jahren, wobei er im aktuellen New Scientist konkret wird: "Um den heutigen Benzinbedarf der USA zu decken, werden Wasserstofffarmen erforderlich, die ungefähr 25.000 km2 bedecken". Dies ist weniger als ein Zehntel dessen, was in den USA heute als Anbaufläche für Soja genutzt wird. Im Gegensatz zu dem massiven Landverbrauch, um Getreide als Treibstoff für Alkoholautos anzubauen, das noch dazu erst verarbeitet, vergoren und destilliert werden muss, könnte das Gewinnen von Wasserstoff also relativ effizient sein.

Eine Wasserstofffarm hätte jedoch mit normaler Landwirtschaft nicht viel gemeinsam; sie wäre sehr industriell und dürfte eher wie eine Hydrokultur aus Disneyland ausfallen: Tasios Melis denkt an durchsichtige Kunststoffröhren, die sich über die endlosen Salzflächen der südkalifornischen Wüsten erstrecken. Diese wassergefüllten Röhren würden dann unzählige mikroskopisch kleine Algen enthalten, die das Sonnenlicht zur Generierung von Wasserstoff verwenden.

Der Vorteil wäre, dass diese Anlagen nicht nur in der Wüste gebaut werden können, sondern dort auch noch besonders gut funktionieren: Gerade der weiße Salzboden der ausgetrockneten kalifornischen Wüstenseen würde die Effizienz der Anlagen sogar noch erhöhen, da er das Sonnenlicht besonders stark reflektiert und die Kunststoffröhren somit von beiden Seiten gut belichtet würden.

Wüsten zu Äckern

Melis glaubt, dass auch arme Länder diese zukünftige Technik gut verwenden könnten. Bislang gibt es jedoch noch keine Algen oder Bakterien, die Wasserstoff ausrechend effizient und nicht nur als Nebenprodukt erzeugen. Etliche Forscher arbeiten daran, dies entweder durch Genmanipulation an den verwendeten Chlamydomonas reinhardtii zu erreichen oder durch spezielle Nährböden. Auch das amerikanische Energieministerium investiert jährlich einige Millionen Dollar in diese Forschungen. Momentan hat die Wasserstofferzeugung aus Algen eine Effizienz von unter 0,1%, während eine kommerzielle Nutzung etwa 10% Effizienz bei der Umwandlung von Sonnenlicht in Wasserstoff erforderlich machen würde.

Tatsächlich ist die Wasserstofferzeugung heute bereits integraler Bestandteil der Photosynthese der Pflanzen. Diese besteht aus zwei Teilprozessen: Der erste zerlegt bei Lichteinstrahlung Wasser in Sauerstoff, Protonen (Wasserstoffkerne) und Elektronen, während ein zweiter Teilprozess ohne Lichteinwirkung, der Calvin-Zyklus, mithilfe der Protonen und Elektronen Kohlendioxid und Wasser zu Zuckern zusammenführt, aus denen die Pflanzen ihre Substanz aufbauen. Wenn am Morgen das erste Sonnenlicht auf die Pflanze trifft, läuft der erste Teilprozess an, während der Calvin-Zyklus noch inaktiv ist. Damit die freiwerdenden Protonen und Elektronen in der Pflanze keinen Schaden anrichten, fügt das Enzym Hydrogenase sie zu Wasserstoff zusammen. Doch der gleichzeitig anfallende Sauerstoff deaktiviert das Enzym und damit die Wasserstofferzeugung. Kurz darauf läuft auch der zweite Prozess an, und die Wasserstofferzeugung in der Pflanze wird somit wieder eingestellt, weil sie für diese sowieso keinen Nutzen bringt. Erstmals entdeckt wurde die Wasserstofferzeugung durch Pflanzen schon in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts vom deutschen Forscher Hans Gaffron und in den letzten Jahren wurde auch in Deutschland und Australien eifrig an den Wasserstoff-Algen geforscht (Grünalgen als Wasserstoffproduzenten).

Um die Photosynthese zu verlangsamen, ist es beispielsweise möglich, den Anteil von Sulfaten in der Nährlösung zu reduzieren. In diesem Fall wird weniger Sauerstoff erzeugt und damit bleibt die Wasserstofferzeugung, wenn auch ebenfalls abgebremst, aktiv. Doch durch die Sulfat-Unterernährung sterben die Algen innerhalb einer Woche ab. Durch Genmanipulation soll nun erreicht werden, dass in der Lösung der zum Überleben notwendige Sulfatanteil verbleibt, aber der Transport an die Chloroplasten, in denen die Photosynthese stattfindet, gebremst wird.

Dumme Idee: Algen aushungern

Die Photosynthese zu bremsen, ist allerdings zugegeben ohnehin keine wirklich gute Idee, wenn man doch gerade mit dieser Photosynthese Wasserstoff erzeugen will. Andere Wissenschaftler versuchen deshalb, die Reaktion der Hydrogenase auf Sauerstoff abzustellen.

Ein weiterer Faktor, der die Wasserstoffproduktion in den Algen bremst, ist die elektrische Aufladung durch die Ansammlung von Protonen. Außerdem sind heutige Algen nicht auf solche Lichtmengen eingerichtet und absorbieren das Licht so intensiv, dass nur die oberste Schicht in einer solchen Kunststoffröhre aktiv wäre, während die darunter liegenden Algenzellen schlichtweg im Dunkeln säßen. Und schließlich ist es natürlich noch notwendig, den erzeugten Wasserstoff und Sauerstoff sauber voneinander zu trennen, ohne dabei durch einen Funken mal eben die ganze Anlage in die Luft zu jagen.

Bis 2015 erwarten die Forscher, den Preis pro Kilogramm Algen-Wasserstoff auf drei US-Dollar zu senken, womit er kommerziell konkurrenzfähig würde. Langfristig könnten sogar 1,40 Dollar möglich sein, so Tasios Melis.