Wie im Schwebeflug Musik hören

Geräuschunterdrückende Walkmankopfhörer

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Reisen kann anstrengender sein, als man glaubt – beispielsweise für die Ohren, wenn diese zusätzlich zum Umgebungslärm noch mit Musik aus der eigenen Konserve versorgt werden. Es ist jedoch möglich, die Lärmbelastung sogar unter das Niveau ohne Walkman beziehungsweise Ipod zu senken.

Manche Leute hören ihre Musik über Kopfhörer so laut, dass noch der halbe Zug mithören kann. Das kann ziemlich lästig sein, selbst wenn man einen ähnlichen Musikgeschmack haben sollte, was nur selten der Fall ist. Noch viel übler sind derartige Exzesse jedoch für den, der die Kopfhörer auf hat: Er setzt auf den ohnehin nicht geringen Lärm beispielsweise eines Düsenflugs oder noch schlimmer einer Turbopropmaschine, die alleine bereits ohrenbetäubend sein kann, noch einmal etliche dB obenauf, um seine Musik hören zu können.

Passive Abschirmung durch Stöpsel im Ohr: In-Ohr-Hörer von Pearl – Low-Cost für 15 Euro mit etwas dumpfem Klang (Bild: W.D.Roth)

Dieses Problem wird leicht unterschätzt: Wenn nach dem Flug die Ohren dröhnen, so lag es bestimmt am Flieger. Dabei ist das Kennzeichen der üblichen Leichtkopfhörer gerade, die Ohren möglichst wenig abzuschirmen, um die Umgebung noch wahrnehmen zu können. Solange diese ruhigund selbst nicht bereits von Diskothekenlautstärke erfüllt ist, klappt das auch. Schwierig wird es jedoch, wenn man sich, selbst wenn man keine Musik hören will, am liebsten etwas in die Ohren stecken möchte.

Das Problem sollte man nicht unterschätzen, die modernen Kopfhörer sind so leistungsfähig, dass es leicht möglich ist, die Ohren zu überfordern. Da auch Musiker inzwischen oft Ohrhörer auf der Bühne tragen, die möglichst klein und unauffällig und somit auch nicht abschirmend sind, um darüber Regieanweisungen oder den Gesamtsound der Band zu hören, obwohl sie sich ohnehin schon inmitten von Verstärkern und Schlagzeug an der Grenze der Fähigkeiten ihrer Ohren bewegen, sind Ohrenschäden nicht wirklich verwunderlich, wie beispielsweise Pete Townsend von den Who beklagt, der allerdings meint, sich die Ohren im Studio ruiniert zu haben.

Es ist dabei sinnlos, den Hersteller des MP3-Spielers zu verklagen, da dieser gar nicht wissen kann, was für Kopfhörer der Käufer später anschließt: was beim einen Typ zu ohrenbetäubenden Lautstärken führen kann, mag bei einem anderen Modell gerade einmal für Zimmerlautstärke ausreichen und wenn der Hersteller die Maximallautstärke technisch limitiert, könnte dies gerade Besitzer solcher hochwertigen, doch wenig effizienten HiFi-Kopfhörer verärgern.

Eine Lösung wäre es, sich wieder auf die älteren, geschlossenen Kopfhörerbauformen zu besinnen: im Gegensatz zu den leichten, offenen Kopfhörern, die in größerem Maß erst mit den Walkmen auftauchten, schirmen geschlossene Kopfhörer die Ohren von der Umgebung ab. Dies kann in ruhiger Umgebung sehr unangenehm sein, weil es dem Träger von seiner Umwelt isoliert – zuhause im Wohnzimmer merkt er nicht, wenn sich Familienmitglieder anschleichen und erschrickt. In lauter Umgebung wäre ein solcher "altmodischer" Kopfhörer jedoch durchaus sinnvoll.

Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, warum die meisten heutigen Kopfhörer offene Systeme sind: Sie sind einfach angenehmer zu tragen! Die Ohren schwitzen darunter nicht und die Ohrläppchen schmerzen auch nicht nach kurzer Zeit vom Druck der Kopfhörermuscheln. Zudem schaut ein geschlossener Kopfhörer in freier Wildbahn ziemlich lächerlich aus und wirkt auf die Mitmenschen ähnlich wie das Tragen übergroßer Ghettoblaster. Wer gerne auffallen will, kann dies natürlich tun, doch wer wirklich nur Musik hören will, könnte sich damit genieren. Und schließlich ist es schlichtweg unpraktisch, ein solches Monster auf Reisen mitzunehmen, man hat ja schließlich noch etwas anderes vor, als nur Musik zu hören.

Die andere Alternative sind In-Ohr-Kopfhörer. Diese verschließen im Gegensatz zu den Original-Ohrhörern des Ipod den Gehörgang komplett und klemmen sich in den Ohren fest. Je nach Geschmack wird dieses als angenehm empfunden oder aber noch lästiger als die Original-Ohrhörer, die ja auch schon drücken. Umgebungslärm schirmt es aber tatsächlich ab und teure Modelle dieser Art haben auch einen guten Klang. Nach einer Reise fühlt man sich damit jedoch mitunter ziemlich gestresst, weil diese Ohrpropfen ähnlich Ohropax hauptsächlich die hohen Frequenzen abschirmen und damit durchaus die Ohren schonen, jedoch die tiefen Frequenzen, die den Ohren zwar nicht gefährlich werden, aber durch ihr Dröhnen auf Dauer doch lästig sind, nicht dämpfen, sondern ihren unangenehmen Effekt sogar noch verstärken. Besonders unangenehm sind die In-Ohr-Hörer auf Flugreisen, bei denen sie den für Menschen mit verstopften Ausgleichskanälen ohnehin problematischen Druckausgleich bei Start und Landung noch zusätzlich behindern.

Kann die Abstammung aus der Luftfahrt nicht verleugnen: Philips SBCHN110/00 (Bild: W.D.Roth)

Einen ganz anderen Ansatz haben Kopfhörer mit aktiver Geräuschkompensation. Diese sind ursprünglich sogar unter anderem für Piloten entwickelt worden, die durchaus noch imstande sein müssen, Umgebungsgeräusche im Cockpit wie Zurufe des Kopiloten zu hören und zu verstehen, während sie das Headset mit dem darüber laufenden Funkverkehr auf haben. Ist der Kopfhörer zu geschlossen, wird die Kommunikation innerhalb des Cockpits beeinträchtigt, ist er zu offen, wird es schwierig, dem Funkverkehr zu folgen, ohne die Lautstärke zu hoch einstellen zu müssen und dann wiederum den Kopilot nicht verstehen zu können.

Statt des schweren, klobigen, geschlossenen Kopfhörers wurde hier deshalb die aktive Geräuschkompensation entwickelt, die mittels Mikrofonen auf der Außenseite des Kopfhörers den Umgebungslärm aufnimmt und als Gegenschall auf die Kopfhörermuscheln gibt. Dies führt ein zu einer Geräuschkompensation, man spricht auch von „Antischall“. Allerdings ist diese Kompensation natürlich nicht hundertprozentig und auch nur im unteren Frequenzbereich möglich. Das ist nützlich, um gerade im Flugzeug das laute Dröhnen der Triebwerke auszublenden, während Gespräche im Cockpit nicht beeinträchtigt werden. Wenig nützlich wären diese Kopfhörer dagegen beispielsweise in der Nähe einer Kreissäge oder auch der Flugzeugtriebwerke selbst – hier helfen wirklich nur noch Ohrenschützer.

Nun fliegt man ja nicht jeden Tag, also ist es interessant, wie sich diese geräuschunterdrückenden Kopfhörer beispielsweise beim Bahnfahren verhalten. Auch im Auto können sie nützlich sein, dann allerdings selbstverständlich nur für Passagiere – für den Fahrer sind beide Ohren umfassende Ohr- oder Kopfhörer schon nach der Straßenverkehrsordnung tabu, weil er dann Warnsignale wie Hupen oder Martinshorn überhört.

Vergleich des schlanksten (Panasonic RP-HC70) und dicksten (Philips SBCHN110/00) Kopfhörers; zum Transport zusammenfaltbar sind sie beide (Bild: W.D.Roth)

Hierzu wurden drei gängige Modelle getestet: der RP-HC70 von Panasonic, einst am Flughafen Tokio für 40 Euro erstanden, der SBCHN110/00 von Philips für 60 bis 80 Euro, der vor einigen Jahren als das Nonplusultra galt und der PXC 250 von Sennheiser, mit 120 bis 150 Euro das teuerste Gerät im Test und auch das neueste.

Der Panasonic RP-HC70 wird in Deutschland mittlerweile gar nicht mehr angeboten, doch noch im Ausland, ebenso wie ähnliche Modelle von Sony oder Creative Labs. Er sieht fast wie ein normaler Walkman-Kopfhörer aus und ist am leichtesten und kompaktesten – ein angenehmes Reisegepäck. Er kommt mit einer Microzelle zum Betrieb aus und hat eine relativ kompakte und nicht störende Elektronikbox, die die Stellungen "aus", "mittel" und „stark“ kennt. Selbst auf „stark“ ist zwar ein Effekt wahrnehmbar, der allerdings nicht besonders ausgeprägt ausfällt: beim Einschalten der Elektronik wird das Dröhnen der Umgebung etwas leiser, die abgespielte Musik allerdings auch. Angenehm ist, dass man diese an der Elektronikbox zusätzlich in der Lautstärke regeln kann, sodass man nicht nach dem Regler am MP3-Player oder Flugzeugsitz suchen muss.

Der Philips SBCHN110/00 ist offensichtlich der Bauform für Piloten entlehnt und für einen Reisekopfhörer ungewöhnlich klobig. Damit sollte er eigentlich sehr effektiv sein, um Lärm zu unterdrücken. Die Batterie wird hier direkt in den Kopfhörer gelegt, an dem sich auch die Bedienelemente befinden, die im aufgesetzten Zustand allerdings schwer zu erreichen sind. Der Tragekomfort ist besonders für Brillenträger geringer als bei den anderen beiden Modellen, eben weil der Kopfhörer ziemlich massiv ausgefallen ist. Geräusche werden deutlich reduziert, jedoch weniger, als die massive Bauart erwarten lässt. Hinzu kommt, dass man hier für die hohen Frequenzen einen zusätzlichen Wiedergabepfad eingebaut zu haben scheint, damit der Kopfhörerträger seine Umgebung besser wahrnehmen kann und nur vom Dröhnen der Verkehrsmittel befreit wird. So wirklich praktisch ist dies allerdings nicht immer, wenn die Büroklatschgruppe Siemens Wanne-Eickel Ost den Zug entert und sich in der Nähe niederlässt oder schreiende Kinder im Flugzeug sind – in diesem Fall hätte man die hohen Frequenzen wahlweise doch gerne mit abgeschirmt, wie die Bauart des Kopfhörers es eigentlich vermuten lässt. Abgeschaltet wird auch die Musik gedämpft. Einen Lautstärkeregler gibt es nicht.

Der Sennheiser PXC 250 ist eigentlich ziemlich elegant, wenn man nicht gerade die Variante erwischt hat, die Apples Original-Ipod-Kopfhörern nachempfunden ist: auffällig in schneeweiß statt wie früher üblich in silbergrau bis schwarz. Der Kopfhörer fällt also auf dem Kopf zwangsweise auf, doch da er nicht besonders groß ist, wird dies von der Umgebung nicht unangenehm wahrgenommen und bewahrt einen zumindest davor, ständig angesprochen zu werden, ohne es zu bemerken. So klein und unauffällig der Sennheiser Flugkopfhörer nämlich ist, so effektiv schirmt er ab: Er kennt nur die Stellungen „ein“ und „aus“, doch der Unterschied ist sehr deutlich – sobald man einschaltet, versinkt die Welt um einen herum in ein leises Rascheln und selbst ein Gegenüber, das die Zeitung beim Durchblättern mindestens zehnmal faltet, kann einen nun nicht mehr verrückt machen.

Sennheiser PXC 250 und Panasonic RP-HC70 im Vergleich. Sennheiser liefert noch eine Transporttasche für den zusammengefalteten Kopfhörer mit (Bild: W.D.Roth)

Interessanterweise wird beim Einschalten der Geräuschunterdrückung hier der Ton sogar lauter und am Ipod verbessert sich auch der Klang deutlich, weil Tiefen und Höhen deutlicher wiedergegeben werden. Ob dies an einer besseren Impedanzanpassung liegt, die beim Ipod im Originalzustand mit den mitgelieferten Ohrhörern nicht so toll sein soll und zu deutlichen Bassverlusten führt, oder ob Sennheiser wirklich mit Absicht den Klang verbessert, sei dahingestellt. Einen Lautstärkeregler am Kopfhörer gibt es auch hier nicht.

Die Elektronik ist hier ohne Zweifel am effektivsten, was jedoch auch zu den Nachteilen des Kopfhörers führt: einerseits ist der Elektronikbox gleich mit zwei Batterien zu füllen und das Kabel zum Kopfhörer vergleichsweise kurz, was im Flugzeug vielleicht nicht stört, bei der Benutzung des Kopfhörers stehend in der U-Bahn dagegen schon. In stiller Umgebung muss man die Elektronik auch abschalten, weil sie zuviel Eigenrauschen produziert.

Noch lästiger ist allerdings die Reaktion der mangelhaft abgeschirmten Elektronik auf Handys in der Umgebung! Hat man selbst ein Mobiltelefon in der Tasche, wird man dieses ständig im Kopfhörer hören, doch auch die Mobiltelefone umsitzender Fahrgäste machen sich in Funklöchern lautstark bemerkbar, wenn sie versuchen, mit voller Leistung eine neue Basisstation anzufunken. Dies macht sich beispielsweise bei der Einfahrt in den Bahnhof Geltendorf, einer Endstation des Münchner S-Bahn-Netzes, unangenehm bemerkbar: In diesem Mobilfunkgegnerparadies wurden sämtliche Funktürme für die Handynetze von Bürgerinitiativen untersagt. Somit fällt der Empfang praktisch vollständig aus und sämtliche Handys, die die Fahrgäste in der S-Bahn dabei haben, regeln auf volle Sendeleistung. Die Mobilfunkgegner haben also ganze Arbeit geleistet: man wird auch ohne eigenes Gerät rundum von etwa 20 bis 40 Watt netzsuchender Handys bestrahlt, was natürlich viel gesünder ist als ein weit entfernter Sendemast einer Basisstation und den Sennheiser-Kopfhörer vollends zum Randalieren bringt: Musik ist in diesem Zustand kaum noch zu hören, wenn die GSM-Impulse in die Elektronik knattern.

Diese Konstruktionsschwäche des Sennheiser-Kopfhörers beruht vermutlich darauf, dass er für die Benutzung im Flugzeug konstruiert wurde und dort Handys ja bekanntlich ohnehin ausgeschaltet sein müssen. Ärgerlich ist die mangelnde Abschirmung dennoch, denn ansonsten ist dieser Kopfhörer ungemein entspannend: Schaltet man ihn ein, so kann eine gewöhnliche Bahnfahrt wie im Fluge vergehen und man kommt deutlich entspannter an, als bei einer Fahrt ohne Kopfhörer und ohne Musik. Sennheiser wäre vielleicht gut beraten, das Produkt noch etwas auf die Benutzung außerhalb des Flugzeugs zu optimieren, an die man bei der Herstellung vermutlich nicht gedacht hat. Doch für die wenigen Momente, wo man tatsächlich fliegt, ist das Gerät definitiv zu schade.