Die große Dürre

Die Landwirtschaft sorgt weltweit für sinkende Grundwasserspiegel

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Wasser ist die Grundlage unseres Lebens, aber sauberes Trinkwasser wird immer mehr zur kostbaren Handelsware. 70 Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt, aber nur 2,5 Prozent davon ist Süßwasser – und nur etwa ein Prozent Trinkwasser, das unter anderem aus Flüssen, Seen oder dem Boden geholt wird. Vor allem in den Entwicklungsländern haben viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Rohstoff wird knapp und längst ist die Rede davon, dass das 21. Jahrhundert das Zeitalter der Wasserkriege werde. Dennoch pumpt die Landwirtschaft nach wie vor große Mengen dieses Rohstoffs aus dem Boden, um die Felder zu bewässern.

Hygienisch unbedenkliches Wasser ist lebensnotwendig für den Menschen. Trotzdem haben nach der Schätzung von Experten 1,2 Milliarden Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Jährlich sterben rund 2,2 Millionen Menschen an den Folgen verschmutzten Wassers. Die Nachfrage nach dem sauberem "Blut des Planeten" steigt und Verteilungskonflikte sind zu erwarten. Schon 1995 prophezeite Ismail Serageldin, Vizepräsident der Weltbank: "Während es in den Kriegen dieses Jahrhunderts um Öl ging, wird man in den Kriegen des kommenden Jahrhunderts um Wasser kämpfen."

Die Erde ist der Planet des Wassers (Bild: NASA/Goddard Space Flight Center)

Wasserknappheit ist längst Realität und große Konzerne versuchen mit der Privatisierung der Wasserwirtschaft Kasse zu machen (Wasser - künstlich verteuertes Markenprodukt oder Allgemeingut?). Die Vereinten Nationen haben in ihrer Milleniumsdeklaration im Jahr 2000 beschlossen, den Anteil der Menschen ohne Zugang zu sauberem oder bezahlbarem Wasser bis 2015 zu halbieren und die Wasservorräte zu schützen. Es sieht aber nicht danach aus, dass dieses Ziel erreicht werden wird, die Krise verschärft sich eher noch (Water Aid). Wasser ist real eine immer knapper werdende Ressource und gerade deshalb ein potenziell sehr rentabler Markt (Vorprogrammierter Nachdurst). Große Profite werden vorausgesagt. Experten gehen davon aus, dass mit Wasserhandel international bereit 400 Milliarden Dollar jährlich erzielt werden.

Die ersten lokalen "Schlachten" der Wasserkriege sind bereits geschlagen oder noch in vollem Gange, z.B. bei der Grenzziehung zwischen Israel und den Palästinensergebieten (Meerwasser für Palästina), durch die Privatisierung der Trinkwasserversorgung im bolivanischen Cochabamba ("Blaues Gold" - Krieg ums Trinkwasser), aber auch im indischen Perumatty (Unthinkable, Undrinkable) oder im brasilianischen Sao Lourenco (Wasser-Privatisierung in Brasilien und der 'Fall' Nestlé).

Wasserknappheit resultiert neben der schlichten Verschwendung (Las Vegas - geht der Wüstenmetropole das Wasser aus?) auch aus der Klimaveränderung (Dürre am Amazonas), der Umweltverschmutzung und der Erschließung von Gebieten z.B. durch Minengesellschaften (Kohletransport mittels Trinkwasser am Ende?) oder für die Stromerzeugung (Wird der Viktoriasee zum Auslaufmodell?).

Wasser-Vampir Landwirtschaft

Im New Scientist beschäftigt sich ein Artikel mit der Art, wie weltweit der Grundwasserspiegel sinkt, weil Bauern jede Menge blaues Gold aus dem Boden pumpen oder aus Flüssen ableiten, um ihre Felder zu bewässern. Dank ausgeklügelten Systemen wächst heute Reis, Weizen oder Mais, wo früher der Boden gar nichts hergab. Die „grüne Revolution“ hat neben anderen nachteiligen Konsequenzen (Hochleistungsgetreide der Grünen Revolution schuld an Mangelernährung) auch dazu geführt, dass immer tiefere Brunnen gegraben werden, um an das nötige nasse Element zu kommen.

In Indien geschah das in den letzten Jahrzehnten millionenfach, zumal die Landwirte selbst die Bohrungen vornehmen und dann das Wasser mit elektrischen Pumpen hoch holen. Heute berieseln mehr als 21 Millionen indische Landwirte durch eigene Brunnen ihre Felder mit Grundwasser. Dabei nehmen sie in Kauf, dass sie immer tiefer bohren müssen, um an die Reserven im Untergrund zu gelangen.

Es gibt keine genaue Statistik, wie viel Trinkwasser auf diese Art pro Jahr der Erde entnommen wird, aber das International Water Management Institute (IWMI) schätzt, dass insgesamt 250 Kubikkilometer H2O auf Feldern ausgebracht werden, um die Pflanzen wachsen zu lassen. Das sind 100 Kubikkilometer mehr, als durch Regengüsse wieder aufgefüllt werden kann. Der Wasserspezialist Tushaar Shah vom IWMI kommentiert:

Es herrscht eine kolossale Anarchie, das ist eine Einbahnstraße ins Desaster. Eine Regulierung ist praktisch unmöglich. Niemand weiß, wo die Pumpen installiert sind und wem sie gehören. Es gibt keine Chance zu kontrollieren, was da genau geschieht. Die Entwicklung ist im letzten Jahrzehnt explodiert, seit es in Indien billige Pumpen gibt. Es gibt jedes Jahr eine Million Pumpen mehr, die Vorgänge beschleunigen sich. Und wir fangen erst an, die Konsequenzen abzusehen.

Im nördlichen Bundesstaat Gujarat gab es vor fünfzig Jahren noch offene Wasserstellen, aus denen mit Eimern das Wasser aus einer Tiefe von nur zehn Metern geschöpft werden konnte. Heute muss 400 Meter tief gebohrt werden, und selbst diese tiefen Brunnen trocknen zunehmend aus. Im westlichen Indien liegen die Hälfte der Brunnen bereits trocken. Und im südlichen Tamil Nadu geben zwei Drittel der alten Brunnen nichts mehr her und eine Landflucht hat eingesetzt, weil die Hälfte der noch vor zehn Jahren genutzten landwirtschaftlichen Flächen nicht mehr bewässert werden kann.

Und nicht nur in Indien muss das Grundwasser aus immer tieferen Erdschichten geholt werden, auch in anderen Ländern wie z.B. dem Jemen herrscht längst der Notstand (Muss Sanaa verlegt werden?). In weiten Teilen Chinas herrscht ebenfalls Wasserknappheit (Megatrend China: Wasserengpass).

Tatsächlich verbraucht die Landwirtschaft überall auf der Welt riesige Mengen des blauen Goldes. Mehr als zwei Drittel des globalen Verbrauchs versickert auf Feldern, die Industrie verbraucht 20 Prozent und die privaten Haushalte gerade mal ein Zehntel. Nach Angaben der UNESCO werden für die Produktion eines Kilos Weizen 1100 Liter Wasser eingesetzt, in einem Liter Milch verbergen sich sozusagen 800 Liter Wasser, in einem Kilo Eier rund 4500 Liter und in einem Kilo Rindfleisch sogar 22.000 Liter (Dossier: Virtuelles Wasser). Wenn die Entwicklung nicht gestoppt werden, könnten die erreichbaren Grundwasserspeicher in vielen Teilen Asiens in zehn Jahren versiegt sein.