Identifizierung aus der Entfernung

Obgleich sich RFID-Chips nicht als besonders sicher erwiesen haben, will man im US-Heimatschutzministerium die Reichweite des Ablesens auch bei großen Geschwindigkeiten von Fahrzeugen erheblich vergrößern

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RFID-Chips sind klein und billig, lassen sich berührungslos ablesen und garantieren einen effizienten Überblick über Güter, Tiere oder auch Menschen, wenn sie Lesegeräte passieren. Ihre Verwendungsmöglichkeiten sind vielfach und lassen Fantasien sprießen. Passive RFID-Chips mit persönlichen Informationen werden in Ausweise (oder in Karten für die Fußballweltmeisterschaft) integriert, aber auch Menschen haben sich solche Chips bereits injizieren zu lassen, um dadurch angeblich zweifelsfrei identifiziert werden zu können. In den USA überlegt man nun, für Ausweise RFID-Chips zu verwenden, die sich auch aus einer Entfernung von mindestens 8 Metern und bei hoher Geschwindigkeit automatisch ablesen lassen.

RFID-Chips versprechen bessere Kontrolle oder Überwachung. Allerdings können sie auch, falls sie nicht ausreichend gesichert sind, die Daten anderen als den vorgesehenen Berechtigten und unter Umgehung des gesetzlich vorgeschriebenen Datenschutzes, sofern vorhanden, preisgeben. Die angebliche Sicherheit, die beispielsweise ein Ausweis mit RFID-Chip bieten soll, kann schnell in erhöhte Fälschungsmöglichkeiten umschlagen, lässt sich die Verschlüsselung der Chips knacken.

Niederländische Hacker haben bereits demonstriert, dass die Daten in den RFID-Chips der niederländischen (und im Prinzip auch die deutschen) Biometrie-Pässe aus einer Entfernung von bis zu 10 Metern mit einem Lesegerät erfassen lassen. Die Hacker konnten die aufgezeichneten Daten dann in zwei Stunden knacken, so dass sie Zugriff auf Geburtsdatum, Foto und Fingerabdruck des Passbesitzers hatten (Niederlande: Biometrie-Pass erfolgreich gehackt).

RFID-Chips werden von der Firma VeriChip nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen angeboten. Manche finden es chic, so ein Implantat zu haben, mit dem sich dann beispielsweise Auto- oder Haustüren öffnen oder der Zugang zu einem Computer kontrollieren ließe. Man könnte diese Art der Identifizierung auch für Transaktionen benutzen. So haben sich beispielsweise einige Besucher einer Disco einen solchen Chip implantieren lassen, um über diese Authentifizierung ihre Getränke bargeldlos und ohne Karte zu bezahlen (Das Konto im Oberarm). In Mexiko mussten sich Mitarbeiter des Generalstaatsanwalts Chips injizieren zu lassen, um Zugriff auf wichtige Computersysteme zu erhalten. Die Überwachungsfirma CityWatcher hat, wie immer freiwillig oder nicht, zwei von ihren Mitarbeitern RFID-Chips injiziert, um so den Zugang zu einem Datenzentrum besser abzusichern.

Allerdings sind auch implantierbare RFID-Chips nicht wirklich sicher. Jonathan Westhues hat bereits gezeigt, dass sich das Schutzsystem Proxmarkii für einen implantierbaren Chip von VeriChip cracken und klonen lässt. Westhues beruhigt allerdings und meint, Gefahr bestünde nur, wenn man mit dem Chip sehr dicht an ein Lesegerät herankommt.

Die geringe Reichweite passiver RFID-Chips, die über keine eigene Energiequelle für einen Sender verfügen, ist für Überwacher eine große Einschränkung. Daher hat das US-Heimatschutzministerium im letzten Jahr eine Ausschreibung veröffentlicht, worüber vor kurzem Spychips gestolpert ist. Man ist daran interessiert, auch aus größerer Entfernung die Daten beim Übergang über eine Grenzstation im Rahmen des US-Visit-Programms, aber auch von anderen Programmen verschiedener Ministerien, ablesen zu können und sucht nach dafür geeigneten Technologien. Damit soll die Sicherheit verstärkt, Reiseverkehr und Warentransport beschleunigt und, wie immer auch, „die Privatsphäre der Besucher der USA geschützt“ werden.

Für beschleunigte Grenzabfertigung kann man einen Antrag stellen. Dann wird man, wenn man beispielsweise aus Kanada am FAST-Programm teilnehmen will, befragt und legt seine Ausweise vor. Schließlich werden Fingerabdrücke genommen und wird ein digitales Passbild gemacht. Man erhält, sofern man kein Risiko darstellt, eine Proximity Identification Card (RFID). Man will aber nun möglichst einen Ausweis mit einem Chip schaffen, der ohne eine Aktivität des Besitzers aus einer Entfernung von mindestens 8 Metern automatisch beim Grenzübertritt abgelesen werden kann. Offenbar werden auch nicht nur passive RFID-Chips erwogen, um die geforderten Kapazitäten zu leisten. Allerdings sollen die Chips für die automatische Identifizierung (a-ID) in dem Dokument so lange funktionieren, wie die Ausweise gültig sind – unter allen Wetterbedingungen und unabhängig davon, wie die Ausweise benutzt, gelagert und mitgeführt werden. Die Fehlerrate soll 10 Prozent nicht übersteigen, was an sich schon sehr hoch ist.

Die Anforderungen sind groß und lassen erahnen, dass solche Chips auch anderweitig interessant sein könnten. Sie sollen auch abgelesen werden können, wenn sich mehrere Personen in einem Fahrzeug (PKW, Lastwagen, Bus) befinden, das mit einer Geschwindigkeit bis zu 55 Meilen fährt. Dabei muss die exakte Position festgestellt werden, also um welchen Fußgänger oder um welches Auto in welcher Fahrspur es sich handelt. Bei einem Bus müssen bis zu 55 Chips erfasst werden können. Und die Reisenden müssen die Ausweise nicht herausholen, sie sollen auch gelesen werden können, wenn sie sich in der Kleidung mitgeführt werden, sich in einer Tasche oder an einem Ort im Fahrzeug befinden. Mit der Entfernung wachsen natürlich auch die Möglichkeiten, die Daten heimlich abzulesen.

Liz McIntyre von Spychips warnt, dass die Fernablesung der RFID-Chips an den Grenzen wahrscheinlich nur ein erster Schritt ist. Sie fürchtet, dass die US-Regierung RFID-Chips generell in Führerscheine und schließlich in alle Ausweise integriert. “Man stelle sich vor, dass man einen aus der Entfernung lesbaren nationalen Personalausweis hat, der von der Regierung abgelesen werden kann, wenn man eine Straßen entlang fährt oder geht.” Allerdings wäre dies nur eine Zusatzidentifikation, wenn bereits Überwachungskameras vorhanden sind oder eine Person ein lokalisierbares Gerät wie ein angeschaltetes Handy mit sich führt. Aber das Netz scheint sich allmählich zu schließen und ein Panopticon näher zu rücken.