Sanftes Gleiten

Naturwissenschaftler diskutieren darüber, wie Schlittschuhe über das Eis flitzen

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Dieser Winter war besonders schneereich, kalt und will überhaupt nicht aufhören. Trotz meteorologischem Frühlingsanfang ist nach wie vor alles gefroren und jeder Spaziergang birgt das Risiko, den Halt zu verlieren und hinzufallen. Denn Eis ist rutschig. Warum das so ist, darüber streiten die Physiker und Chemiker immer noch.

Wir bestehen zum größten Teil aus Wasser. Wir sind von Wasser umgeben, Wasser bedeckt mehr als 70 Prozent der Oberfläche unseres Planeten, das meiste schwappt in den Meeren im Takt von Ebbe und Flut, ein Teil ist aber auch immer gefroren: An den Polen, auf den Bergen, im Winter. Dennoch ist Wasser ein ganz ungewöhnlicher Stoff und für die Physik äußerst faszinierend (Planet Erde: Wasser). Jeden Tag haben wir Wasser in verschiedenen Zuständen um uns herum, sowohl flüssig, wie auch gefroren oder als gasförmig als Dampf. In diesen kalten Zeiten wenden wir uns jetzt der Frage zu, wie Eis sich als Festkörper – sprich Eis – verhält, bzw. warum wir darauf gleiten können. Besonders gut funktioniert das auf den Metallkufen von Schlittschuhen, aber warum?

Winterszene von Hendrick Avercamp (1585 – 1634)

Gefrorenes Wasser ist ein ganz spezieller Stoff, denn es ist weniger dicht als in flüssigem Zustand. Am dichtesten ist Wasser bei einer Temperatur von 4 Grad Celsius, das ist der Grund, warum Eiswürfel auf dem Drink schwimmen oder Eisberge auf dem Ozean und warum ein See von oben nach unten zufriert. Wasser dehnt sich also aus, wenn es sich der Null-Grad-Grenze nähert.

Aber das erklärt noch nicht, warum es so glatt ist, dass wir darauf ins Rutschen kommen, und warum Eisschnellläufer mit bis zu 60 Stundenkilometer über die kalte Fläche sausen können (Eisschnelllauf). Wer sich Schlittschuhe umschnallt und ein ähnliches Gleiten auf extrem glatt geschliffenem Metall oder Glas versucht, wird nur ein ohrenbetäubend kreischendes Geräusch erzeugen und kaum voran kommen.

Druck und Wasserfilm

Wahrscheinlich fuhren unsere Vorfahren schon vor 5.000 Jahren auf Kufen aus Tierknochen über vereiste Seen und Teiche. Sicher ist, dass das Schlittschuhlaufen in Holland und den skandinavischen Ländern bereits im Mittelalter sehr populär war (The virtual ice skates museum). Heute sind Eiskunstlauf, Eistanz, Eisschnelllauf und Eishockey beliebte Wintersportarten. Fast jeder hat schon mal in Schlittschuhen auf einer spiegelnden Eisfläche gestanden und gespürt, wie schnell und problemlos es sich darauf gleiten lässt.

Der NASA-Forscher Peter Wasilewski benutzt polarisiertes Licht, um die Unterschiede der verschiedenen Eisarten für die unterschiedlichen Wintersportarten abzubilden (Bild: Peter Wasilewski)

Aber die Alltagserfahrung hilft den Physikern und Chemikern nicht wirklich weiter. Eine Weile waren die Wissenschaftler überzeugt, dass Eis so rutschig ist, weil die Belastung durch die schmalen Kufen so viel Druck erzeugt, dass ein Schmelzeffekt eintritt und der Eisläufer auf dem so unter seinen Schlittschuhen entstehenden Wasserfilm über die gefrorene Fläche gleitet. So steht das bis heute in vielen Schulbüchern.

In der New York Times klärte dies Robert M. Rosenberg etwas genauer auf, wobei er sich auf einen Artikel bezog, den er in der Dezember-Ausgabe von Physics Today veröffentlicht hat (Why is ice slippery?). Theoretisch ist das zwar richtig, denn Druck lässt Eis schmelzen, sehr viel Druck verändert überhaupt die Eigenschaften gefrorenen Wassers fundamental (Gefrorene Geheimnisse). Aber ein Mensch erzeugt mit gängigen Schlittschuhen nur einen geringen Druck, der nicht ausreicht, um einen wirkungsvollen Druckschmelzprozess zu produzieren. Außerdem rutschen auch Spaziergänger auf flachen Schuhen auf Eis – und der unter ihren Sohlen erzeugte Druck ist entsprechend geringer. Das kann es also nicht sein.

Eine weitere Theorie besagt, dass durch die Reibung der Metallkufen das Eis erhitzt wird und vorübergehend schmilzt, der Schlittschuhläufer schwimmt ganz kurz auf der dünnen Flüssigkeitsschicht, bevor sie sich wieder verfestigt. Und der neueste Ansatz besagt, dass Eis ganz schlicht immer von einer Art quasi-flüssigem Wasserfilms bedeckt ist. Die Wassermoleküle an der Eisoberfläche vibrierten mehr als die vollständig eingebundenen, die Kristallgitterstruktur ist schwächer und so bildet sich eine ständige Schmiere, auf der die Eisläufer sich bewegen können (Slippery all the time). Entsprechende Versuche veranstaltete Gabor A. Somorjai vom Lawrence Berkeley National Laboratory, und Volker Winkler von der Technischen Universität Ilmenau gelang in Deutschland die Resultate zu bestätigen (Wissen des Alltags: Warum rutschen Schlittschuhe?).

Tatsächlich hat die Praxis gezeigt, dass Eistänzer auf weicherem, wärmerem Eis besser ihre Figuren fahren können, während Eishockeyspieler härtere und etwas kältere Eisflächen bevorzugen – es ist „schneller“ (Besseres Eis mit weniger Energie). Die strukturellen Unterschiede der verschiedenen Eissorten lassen sich sogar visualisieren (NASA Scientist Looks at Olympic Ice in a Frozen Light).