Die Blog-Band

Die Arctic Monkeys als Prototyp der neuen Art, Musik zu machen

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Momentan ist der Begriff des Web 2.0 in aller Munde. Damit wird ein Internet beschrieben, bei dem der Focus nicht mehr so sehr auf der Anwendung selbst liegt, sondern stärker auf die Benutzer. Freundlicher, netter, problemloser und vor allem kommunikativer soll das Internet werden. Und während die statischen Homepages allmählich von Blogs, Wikis und Contentmanagementsystemen abgelöst werden, ist auch der Umgang mit Musik im Umbruch begriffen. Bekanntestes Beispiel dafür: die Arctic Monkeys.

Cos‚ after all what is it if not an adventure? Like getting on a bus to the other end of town and your not really sure where it goes but you get on anyway.

Reverend Jon Rarsclart

Im Allgemeinen hört sich die Erfolgsgeschichte einer Band ungefähr wie folgt an: Die Band spielt eine Demokassette oder eine Demo-CD ein, geht damit bei den Plattenfirmen hausieren und früher oder später – wenn sie gut ist – bekommt sie einen Plattenvertrag, steht in den Charts und ist fortan zumindest einem breiteren Kreis bekannt als einer Handvoll von Freunden.

Zumindest die Demo-CD haben die Arctic-Monkeys mit dem üblichen Weg gemein. Doch von da an ist die Geschichte eine ganz andere. Am Erfolg haben Blogs und damit vor allem die Fans eine Menge Anteil. Wie jede Band, die heutzutage etwas auf sich hält, stellten die Arctic Monkeys auf ihre Homepage einige Songs. Dies waren, wenn man dem Internet Archive Glauben schenken mag, „A certain romance“ und „I bet that you look good on the dancefloor“. Zudem nahm die Band alle drei, vier Monate eine Demo-CD auf, die bei den Konzerten verteilt wurde. Im Mai 2005 gab die band eine eigenproduzierte, streng limitierte Single heraus: "Five Minutes with the Arctic Monkeys". Die Demo-CDs allerdings gab die Band kostenlos an die Fans ab. Mark „The Sheriff“ Bull brachte dann den Stein ins Rollen: Er stellte die Songs in seinen Blog.

Wären die Arctic Monkeys nicht die Arctic Monkeys, hätte Bull mit ernsten Konsequenzen rechnen müssen. Jede andere Band hätte ein Heer von Anwälten in Bewegung gesetzt, die dafür gesorgt hätten, dass die Tracks schnell wieder vom Blog verschwinden. Und das wäre dann das Ende der Geschichte gewesen. Doch die Arctic Monkeys sind im Umgang mit ihren Fans ähnlich wie The Grateful Dead, die Ärzte und andere Bands, die Konzertmitschnitte erlaubten oder erlauben, solange diese nicht verkauft oder kommerzielle Ziele damit verfolgt werden (Legale Konzert-Bootlegs).

Die Band tolerierte die Verbreitung der Songs im Internet. Zwar sind auf der offiziellen Webseite inzwischen die Demosongs verschwunden, doch auf der Fanseite Mardy Bum finden sich alle offiziellen Demosongs und können von dort heruntergeladen werden.

Blogs sind heute das, was früher der gute Bekanntenkreis war: Wenn jemand in einem Blog, das man gut findet, etwas empfiehlt, dann klickt man auf den Link, hört oder liest das Verlinkte und gibt es, wenn man es ebenfalls mag, an andere weiter. Blogger lassen sich, so die Umfrage Wie ich blogge?! Erste Ergebnisse der Weblogbefragung 2005, so kennzeichnen: „hohe formale Bildung; um die 30 Jahre alt; oft noch in einer schulischen oder studentischen Ausbildung“. Die Musik der Monkeys traf offenbar den Geschmack der aktiven Blogger. Hier hat sich eine Band gefunden, die die Mechanismen des Internet verstanden hat und für sich nutzt, während gleichzeitig eine webaffine Zuhörerschaft dazu beitrug, dass die Konzerte der Monkeys schon vor dem Erscheinen des Debut-Albums stets gut gefüllt waren. Der Blogleser hat sich gewissermaßen seine Band ausgesucht und diese an die Spitze der Charts gebracht: Die Monkeys halten zur Zeit den Titel des am schnellsten verkauften Debut-Albums aller Zeiten in den UK.

Des am schnellsten verkauften Albums, wo man doch alle Demosongs kostenlos herunterladen kann? Ist das Argument gegen die Bereitstellung von kostenlosen Musiktracks nicht immer, dass dies den Verkauf der Alben schmälern würde? Dieses Argument darf man damit getrost auf die hinteren Plätze verweisen, denn solche Download-Angebote funktionieren dann, wenn das kommerziell angebotene Gegenstück einen Mehrwert fürs Publikum bietet. Beim Debut-Album der Monkeys wäre dieser Zusatznutzen die verbesserte Qualität der Songs.

It's about word of mouth. My readers have large social circles of friends whom they never see face to face. Books like Sisters of Ya Ya Sisterhoood became a success because one friend went to another friend and handed her a copy of the book, saying, 'You must read this, it changed my life.'

Cory Doctorow

Was Cory Doctorow in Bezug auf Bücher sagt, kann man beliebig auf andere Medien übertragen. Diese sozialen Freundschaftszirkel haben den Erfolg der Arctic Monkeys ermöglicht und die Band hat kein Problem damit, dass ihre Werke im Internet kursieren. Communities wie Myspace leben ja auch gerade von diesem neuen Verständnis des Publikums. Und es dürfte einen nicht verwundern dass die Band auch dort eine Homepage besitzt.

Die interessante Frage ist natürlich, nach der obligatorischen, ob das zweite Album der Monkeys dem ersten ebenbürtig sein wird: Kann dieser Erfolg wiederholt werden? Treten Blogs, die MySpace-Nutzer oder die Lifejournalschreiber jetzt an die Stelle der Plattenfirmen? Noch kann auf diese Frage keine definitive Antwort gegeben werden. Ein Patentrezept für einen Erfolg kann es und wird es wohl nie geben. Allerdings werden die Monkeys als Vorzeigemodell für etliche weitere Band dienen.