Ihr Sieg ist auch ein Sieg Bin Ladens

Das Bild vom gewaltbereiten Muslim setzt sich durch

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Immer mehr Amerikaner denken immer schlechter über den "Islam" und die Muslime, von denen sie glauben, dass sie überdurchschnittlich Gewaltakten zugeneigt sind.

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Bei fast der Hälfte der Amerikaner - 46% laut einer aktuellen Umfrage, welche die Washington Post und ABC Anfang März bei einer zufällig ausgewählten Menge von 1000 durchgeführt hat - steht der Islam in schlechtem Ansehen ("negative view"). Das ist eine Steigerung von 7 Prozent gegenüber Umfragwerten aus den Monaten nach dem 11.September 2001.

Mehr als verdoppelt hat sich die Zahl der US-Bürger, die der Auffassung sind, dass der "Islam die Gewalt gegen Nicht-Muslime schüren hilft". Waren es im Januar 2002 noch 14 %, so sind jetzt 33 % dieser Ansicht.

Groß überraschen wird das Ergebnis kaum jemanden, eben so wenig wie die Gründe, die diesen Trend erklären sollen. Meist werden die üblichen Faktoren herangezogen, die wohl jeder aufzählen würde: Die aufgebrachten, hysterischen und gewalttätigen Reaktionen von muslimischen Mobs auf die dänischen Karikaturen, fortlaufende Gewaltdrohungen- und Gewaltanwendung von muslimischen Extremisten, aber auch: Hetzer im Westen, die Kapital aus der generellen Stimmungsmache gegen Muslime schlagen, Politiker, Publizisten, Think Tanks, Religionsführer und nicht zuletzt Medien, die solche Kampagnen bedienen.

Zu verantworten hat diesen Trend zur Islamophobie auch die Bush-Regierung, die dafür sowohl in ausländischen Publikationen, wie von amerikanischen Fachleuten scharf und ausgiebig kritisiert wird.

Das Ergebnis sei Wasser auf die Mühlen der Extremisten, namentlich für Bin Ladens Propaganda, da es diesen ja darauf ankäme, die Kluft zwischen dem Westen und dem "Islam" zu vertiefen, wird hier vorgebracht. Ähnliches gelte auch für die selbsternannten rechten Kulturbewahrer des Westens - "As they win, Bin Laden also wins" -, die ein Feinbild benötigen. Der "Islam" also als willkommener Ersatz für die kommunistische Gefahr aus Zeiten des "Kalten Krieges".

Obwohl man auch dies geahnt hat, eröffnet ein "Nebenergebnis" der Studie doch überraschende Aspekte. Die negativen Einstellungen gegenüber dem Islam wiederholen sich in ähnlichen Prozentzahlen bei Fragestellungen, die sich auf das Verhältnis zu Arabern beziehen. Einer von vier Amerikanern gab zu, dass er Vorurteile gegenüber Muslimen hege, die Frage nach Vorurteilen gegenüber Arabern bejahten genauso viele. Antworten auf andere Fragen der Studie legen denselben Schluss nahe: Viele Amerikaner setzen "Islam" schlicht mit Arabern und arabischer Kultur gleich.

Selbst wenn auch das keine Sensation ist, so verwundert es schon, nach all den Jahren "Auseinandersetzung" mit der Religion Islam. Seit der iranischen Revolution und der spektakulären Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran und noch mal verstärkt seit dem 11.Septmeber 2001, den Kriegen in Afghanistan und Irak und weiteren Schlagzeilen machenden Anschlägen in europäischen Städten, ist der Islam tägliches Thema in amerikanischen TV-Sendungen, Magazinen, Zeitungen usw. Da dürfte doch langsam eine der elementarsten Unterscheidungen im Publikum angekommen sein: Dass die muslimische Welt sehr viel mehr umfasst als die arabische - davon abgesehen, dass nicht jeder Araber ein Muslim sein muss. Da ist der "Islam" jeden Abend zu Gast in der Wohnstube und man kennt noch nicht einmal die schlichtesten Tatsachen.

Dass sich aus Unkenntnis politisches Kapital schlagen lässt und Stimmung gemacht werden kann, das ist nicht erst eine Entdeckung der Bush-Regierung. Schon 1981 veröffentlichte der verstorbene Edward Said ein Buch - "Covering Islam", das sich ausführlich mit der Genese des Feinbilds "Islam", mit Simplifizierungen und Spin in den amerikanischen Medien befasst.

Wer glaubt, dass diese Phänomene auf die USA beschränkt sind, den setzt eine Umfrage, die Anfang dieses Jahres in Deutschland durchgeführt wurde (von Forsa, im Auftrag des Stern), ins Glashaus: Demnach empfinden 55 Prozent der Befragten die in Deutschland lebenden Muslime nicht bloß als Bereicherung, sondern auch als Bedrohung. 38 Prozent geben an, sie hätten Angst vor dem Islam. Zwei Jahre zuvor lag der Wert bei 35 Prozent.