Betrug per Klick

Suchmaschinenwerbung gerät unter Beschuss

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Pro Klick ein potenzieller Kunde - das ist der Traum einer jeden Firma, die bei den großen Suchmaschinen ihre Werbung schaltet. Immer öfter wird daraus ein Alptraum. Schuld ist der um sich greifende Klickbetrug. Es häufen sich die Klagen über Google & Co. Verdirbt die betrügerische Manipulation von Klickraten den Suchmaschinen am Ende das lukrative Geschäft mit suchwort- und kontextbezogener Onlinewerbung?

Wie erpresst man eine Suchmaschine? Kein Problem, meinte der kalifornische Programmierer Michael A. Bradley im März 2004. Man muss nur damit drohen, ihr lukratives Geschäftsmodell zu sabotieren. Suchmaschinen wie Google verdienen ihr Geld beinahe ausschließlich mit Werbung - und das nicht schlecht. Allein Google setzte 2005 insgesamt über sechs Milliarden Werbe-Dollar um: ein verlockend großer Umsatzkuchen, von dem sich Michael A. Bradley ein bescheidenes Stück abschneiden wollte.

Google wird erpresst

Das Geschäftsmodell, das Bradley knacken wollte, ist vom Prinzip her denkbar einfach. Wer bei Google werben möchte, muss sich Suchbegriffe kaufen. Bezahlt wird anschließend pro Klick. Und genau an diesem wunden Punkt, der Pay-per-click-Bezahlung nämlich, setzte Bradley mit seinem Erpressungsversuch an. Der Kalifornier hatte ein Programm mit dem sinnigen Namen "Clique" entwickelt, das bei Googles Werbeschaltungen automatisch und so geschickt "falsche" Klicks generieren sollte, dass die Suchmaschinenfirma diese Manipulationen nicht bemerken würde.

Im Visier hatte Bradley Googles AdSense-Programm. Im Rahmen dieses Programms werden auf angeschlossenen Partnerwebseiten Werbeanzeigen platziert, die inhaltlich zur jeweiligen Webseite passen. Bezahlt wird ebenfalls nach Pay-per-click. Die Werbeeinnahmen werden zwischen Google und den Besitzern der Partnerwebseiten aufgeteilt. Zum Beweis, dass sein "Clique"-Programm auch wirklich funktionierte, hatte Bradley angeblich zehn Webseiten eingerichtet, bei AdSense angemeldet und mit "falschen" Klicks auf jeder Webseite Einnahmen in Höhe von über 3.000 US-Dollar generiert.

Anschließend bot er Google seine "Clique"-Software zuerst für 60.000 Dollar, später dann für satte 100.000 Dollar an. Sollte Google sein großzügiges Angebot ausschlagen, gäbe es noch die Möglichkeit, das Programm zum Stückpreis von 250 Dollar unter die Leute zu bringen, drohte er in seinen Emails an die Suchmaschinenfirma. Reißender Absatz sei garantiert. Google lehnte ab und informierte das FBI.

Bradley wurde am 10. März 2004 verhaftet. Wie sich später herausstellte, hatte er tatsächlich mit zwei Webseiten am AdSense-Programm teilgenommen und auf einer Seite wirklich Klicks im Wert von 3600 Dollar generiert. Der Scheck von Google kam allerdings nie zur Auszahlung. Das System, mit dem die Suchmaschinenfirma ihr AdSense-Programm rund um die Uhr überwacht, hatte Alarm geschlagen und in diesem Fall die "falschen" Klicks erkannt.

Klickraten werden systematisch manipuliert

In anderen Fällen von Klickbetrug waren die automatischen Aufpasser des Such- und Werbegiganten offenbar weit weniger erfolgreich. Im Gegenteil werden immer mehr Stimmen laut, die den Betreibern aller großen Suchmaschinen vorwerfen, das Problem Klickbetrug unter den Teppich zu kehren und nicht genug dagegen zu unternehmen.

Anfang März letzten Jahres berichtete etwa die auflagenstarke New York Times, dass sich immer mehr Werbetreibende durch Klickbetrügereien verunsichert fühlten. Sie zeigten sich besorgt darüber, dass ihre Anzeigen im großen Stil von Betrügern "per Hand" oder durch so genannte Klickbots automatisch immer wieder angeklickt würden und sie letztlich kaum Möglichkeiten besäßen, hieb- und stichfest zu belegen, dass die fraglichen Klicks manipuliert worden seien. Sie könnten sich allenfalls an Indizien wie ungewöhnlich hohe Klickraten zu ungewöhnlichen Uhrzeiten orientieren, denen dann keine höheren Umsätze folgen würden. In diesem Fall könnten Klickbetrüger am Werk gewesen sein und zur Manipulation der Klickraten beispielsweise Klickbots eingesetzt haben, kleine Programme, die die Aufgabe haben, Werbeanzeigen automatisch immer wieder "anzuklicken" und so die Klickraten zu manipulieren. Diese Programme gehen dabei so geschickt zu Werke, dass der Klickbetrug auf den ersten Blick nicht auffällt.

Ein Praxistest des US-amerikanischen Marketing Experiments Journal hat ergeben, dass bis zu 29,5 Prozent aller Klicks auf "sponsored links" bei Google einen betrügerischen Hintergrund haben - Zahlen, die die werbungtreibende Wirtschaft erheblich verunsichern und Suchmaschinenbetreibern wie Google ganz und gar nicht ins ökonomische Kalkül passen.

Der Test wurde über einen Zeitraum von zehn Tagen durchgeführt. Die Tester schalteten bei Google drei Anzeigen mit unterschiedlich hohem Preis pro Klick. Anschließend wurden diese Anzeigen "überwacht". Doppelte Klicks wurden ermittelt, indem bei jedem Klick die IP-Adresse, Browsereinstellung, das Betriebssystem, der Zeitpunkt des Klicks, das Herkunftsland und die Sprache festgehalten wurden. Dieser Test ergab 29,5 Prozent betrügerische Klicks, die Google größtenteils nicht erkannte und wie reguläre Klicks abrechnete. Unternehmen sollten sich bewusst werden, was für ein großes Problem der Klickbetrug bereits ist, meint Flint McGlaughlin vom Marketing Experiments Journal. Sie sollten sich umgehend darum kümmern, ihre Online-Werbung in Suchmaschinen genauer zu kontrollieren.

Häufig stecken Konkurrenten, die einem Mitbewerber finanziell schaden wollen, hinter einem Klickbetrug. Zuweilen sind es aber auch entlassene Mitarbeiter oder "enttäuschte" Kunden, die meinen, noch eine Rechnung offen zu haben. Der wirtschaftliche Schaden, der den Werbetreibenden durch manipulierte Klickraten entsteht, kann schnell beachtliche Summen erreichen. Wird beispielsweise die Anzeige eines Lebensversicherers, die etwa 5 Euro pro Klick kostet, hundert Mal pro Tag in betrügerischer Absicht angeklickt, ergibt sich daraus schon ein Schaden von monatlich rund 15.000 Euro.

Anzeigen werden weggeklickt

Es ist nicht der finanzielle Schaden allein, der viele Firmen aufschreckt. Denn eine andere, besonders beliebte Variante des Klickbetrugs hat zum Ziel, die Anzeigen der Konkurrenz rigoros wegzuklicken.

Wer bei Google wirbt, kann ein Tagesbudget für seine Werbekosten und damit eine Höchstzahl von kostenpflichtigen Klicks pro Tag festlegen. Wird seine Anzeige oft genug angeklickt und das Budget ausgeschöpft, wird die Werbung den Rest des Tages über nicht mehr angezeigt. Klickbetrüger nutzen diese sinnvolle Möglichkeit, die Werbekosten zu begrenzen, indem sie ihre Klickbots bereits kurz nach Mitternacht auf die Reise schicken und solange auf die "sponsored links" ihrer Opfer klicken lassen, bis das Tagesbudget aufgebraucht ist. Spätestens am Morgen ist die Anzeige des lästigen Mitbewerbers von den Suchergebnislisten verschwunden. Dem betrogenen Werbetreibenden entsteht dabei ein doppelter Schaden: Er muss die Klickkosten zahlen, ohne an diesem Tag die Chance gehabt zu haben, neue Kunden zu gewinnen.

Betrug bei AdSense

Während der Betrug über den Verbrauch des Tagesbudgets derzeit vor allem in den USA verbreitet ist, bewegt sich eine andere Variante des Klickbetrugs speziell bei Googles AdSense auch in Europa in manchen Branchen bereits im zweistelligen Prozentbereich.

Es gibt nämlich eine beachtliche Zahl von Webseitenbetreibern, die ihre Seiten bei Google als Partnerseiten angemeldet haben und dann die "Ads by Google" selbst anklicken. Da die Einnahmen zwischen Google und Webseitenbetreiber aufgeteilt werden, lassen sich dadurch die Erträge unter Umständen ganz beträchtlich steigern. Profis heuern dafür professionelle Klickbetrüger an, die die einnahmeträchtigen Links durch ihre Klickbots anklicken lassen. Auch hier ist der Werbetreibende der Dumme. Er zahlt für Phantomklicks, die ihm keinen Werbenutzen bringen. Außerdem obliegt ihm die schwierige Aufgabe zu beweisen, dass die abgerechneten Klickraten falsch sind. Die Werbetreibenden sind dabei auf den guten Willen und die Kulanz der Suchmaschinenfirmen angewiesen und fühlen sich bei Reklamationen vielfach in der Rolle eines Bittstellers.

Suchmaschinen wiegeln ab

Klickbetrug sei die größte Bedrohung für die Internetwirtschaft und das Geschäftsmodell von Google, äußerte sich George Reyes, bei Google für Finanzen zuständig, auf einer Investorenversammlung im Dezember 2004. "Ich denke, wir müssen sehr, sehr schnell etwas dagegen tun."

Solche ungewöhnlich offenen Statements hört man aus der Suchmaschinenbranche eher selten. Hier wird das Problem des Klickbetrugs meist klein geredet. Die eigenen Werbeprogramme würden ständig kontrolliert und auf Unregelmäßigkeiten hin abgeklopft, heißt es dann. Ausgeklügelte Algorithmen würden dafür sorgen, dass Manipulationen beispielsweise durch Klickbots sofort entdeckt würden. Einzelheiten darüber, welche Maßnahmen zur Betrugsprävention und -aufklärung ergriffen werden, geben die Suchmaschinenfirmen nicht bekannt. Man möchte den Klickbetrügern keine Möglichkeit geben, ihre Betrugssysteme durch zu detaillierte Informationen über die eingesetzten Schutz- und Überwachungsmechanismen zu optimieren, heißt es. Doch das ist allenfalls die halbe Wahrheit.

Suchwort- und kontextbasierte Onlinewerbung boomt. Suchmaschinen wie Google, Yahoo und MSN verdienen Milliarden mit der Schaltung von Werbeanzeigen, die nach dem Pay-per-Click-Prinzip abgerechnet werden. Manipulationen im großen Stil würden diese Einnahmequelle wesentlich schwächer sprudeln lassen. Die Suchmaschinenbetreiber sind also samt und sonders daran interessiert, das Problem rhetorisch möglichst klein zu halten - besonders ihren zahlenden Werbekunden gegenüber. Wegschauen, weghören und bloß nicht drüber reden, scheint hier die Devise.

Sammelklage gegen Suchmaschinen

Exakt dieses Verhalten wird den Betreiberfirmen etlicher großer US-Suchmaschinen in drei Sammelklagen vorgeworfen, die derzeit in den USA anhängig sind. Eine dieser Sammelklagen war im Februar letzten Jahres von geprellten Werbetreibenden im US-Bundesstaat Arkansas erhoben worden.

Auf der Anklagebank sitzen elf namhafte US-Internetfirmen, darunter Google, AOL und Yahoo. Ihr Vergehen: Sie sollen sich auf Kosten ihrer Werbekunden bereichert und ihren Kunden manipulierte Klickraten wissentlich in Rechnung gestellt haben. Zudem sollen sich die verklagten Unternehmen untereinander abgesprochen haben, um das Problem Klickbetrug möglichst zu vertuschen. Außerdem wird ihnen vorgeworfen, ihre Werbekunden unzureichend vor Klickbetrügereien zu schützen und auf Reklamationen wenn überhaupt, dann nur sehr zögerlich zu reagieren.

Nur ein Drittel aller Reklamationen werde überhaupt beantwortet, moniert Jessie Stricchiola von der US-Firma Alchemist Media. Und nur in einem Bruchteil aller Fälle komme es zu Rückerstattungen. Im Einzelnen lauten die Anklagepunkte: Vertragsbruch, ungerechtfertigte Bereicherung sowie zivile Verschwörung. Die Kläger verlangen die zu viel gezahlten Gelder zurück und erheben obendrein Anspruch auf Schadensersatz. Außerdem wollen sie mit ihrer Klage grundsätzlich feststellen lassen, inwieweit die Anzeigenvermarkter von Google & Co. für Betrügereien an den Klickraten verantwortlich und haftbar gemacht werden können.

Das Klickbetrugsverfahren dümpelte zunächst vor sich hin, bis Google Anfang März dieses Jahres mit der überraschenden Ankündigung an die Öffentlichkeit ging, man habe sich mit den Klägern außergerichtlich geeinigt. Google wolle zur Entschädigung von Klickbetrugsopfern insgesamt 90 Millionen US-Dollar springen lassen. Alle Firmen, die seit Beginn des Adwords-Programms im Jahre 2002 nachweislich durch Klickbetrügereien geprellt wurden, sollen nun entschädigt werden.

Die cleveren Google-Anwälte bieten ihnen Gutschriften an. Einlösen kann man sie bei Google - und damit neue Adwords kaufen...