Keiner gewinnt, der Datenschutz verliert

Im Prozess, bei dem das US-Justizministerium Daten von Google fordert, hat sich der Richter für einen schlechten Kompromiss entschieden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ähnlich wie im Fall Zacarias Moussaoui sucht der für den Fall US-Justizministerium vs. Google zuständige Richter einen Kompromiss, anstatt eindeutig Position zu beziehen. Richterin Leonie M. Brinkema wies im Fall Moussaoui lediglich die gegen die Anordnung des Gerichts instruierten Zeugen zurück, die von zwei US-Ministerien benannt wurden. Aber die Fortsetzung des Prozesses mit der möglichen Verhängung der Todesstrafe gegen den Angeklagten, der beschuldigt wird, die Anschläge vom 11.9. mit geplant und nach seiner Festnahme nicht verhindert zu haben, ist nun möglich. Nachweisen lässt sich ihm das bislang nicht, er selbst gibt zu, dass er Anschläge im Auftrag von al-Qaida durchführen wollte, aber von der Planung der Anschläge vom 11.9.will er nichts gewusst haben. Als einziger Angeklagter für die Anschläge vom 11.9. ist ziemlich deutlich, dass er die Rolle eines Sündenbocks zu spielen hat.

Im Fall von Google will der Richter auch auf Sicherheit gehen und sich nicht zu starkem Druck seitens der Regierung aussetzen. Das US-Justizministerium hatte ursprünglich von Google die die Herausgabe einer Stichprobe mit nicht personenbezogenen Suchanfragen seiner Nutzer sowie eine Million zufällig ausgewählter Webadressen verlangt (Der Google-Nutzer wird gegoogelt). Von anderen Suchmaschinenbetreibern wie Yahoo oder MSN wurde dem Verlangen umstandslos nachgegeben – was der eigentliche Skandal ist -, Google wehrte sich als einziges Unternehmen immerhin gegen die Auslieferung der Kundendaten ans Justizministerium. Das wollte damit den vom Obersten Gerichtshof wegen Einschränkung der Meinungsfreiheit 2004 außer Kraft gesetzten Child Online Protection Act (COPA) stärken und mit den Belegen der Suchmaschinenbetreiber belegen, dass auch bei Eingabe an sich harmloser Suchbegriffe für Minderjährige der Zugang zu pornografischen Seiten eröffnet wird.

Auch wenn der sicherlich nicht uneigennützige Widerstand von Google just zu einer Zeit kam, als die Suchmaschine mitsamt den anderen unter Kritik geraten ist, aus Profitgründen der chinesischen Regierung bei der Zensur und der Verfolgung von Oppositionellen zu helfen (Wie man trotz aktiver Beihilfe zur Zensur für die Freiheit kämpft), geht der Prozess weit über das konkrete Anliegen des Justizministeriums hinaus. Suchmaschinen sind wichtige Zugangstore zum Internet. Wenn sie die bei Suchanfragen anfallenden Daten nicht nur selbst sammeln und auswerten – ein anderes, nicht minder wichtiges Problem -, sondern sie umstandslos Regierungsbehörden übergeben, dann ist dem Schnüffelstaat Tor und Tür geöffnet, der sowieso auf Überwachung, Abhören und Data-Mining setzt (Sammeln und Verbinden von gigantischen Datenmengen). Schließlich könnten die Suchanfragen mehr über eine Person verraten als das, was diese faktisch macht oder kommuniziert.

Mit einer 90-minütigen Anhörung vor einem kalifornischen Gericht scheint der Konflikt nun buchstäblich beiseite gelegt zu sein. Richter James Ware erklärte, er werde der Staatsanwaltschaft entgegenkommen und zumindest dem Wunsch nachkommen, dass sie von Google Teile der geforderten Daten erhalten kann. Eine schriftliche Begründung des Urteils liegt noch nicht vor. Gleichzeitig versicherte Ware, dass er dem Justizministerium aber nicht alles, was es haben will, geben wolle, um den „Eindruck in der Öffentlichkeit“ zu vermeiden, dass die Benutzung der Suchmaschinen von der Regierung überwacht werde. Ware will sich ganz offensichtlich aus dem Konflikt heraushalten und es allen Seiten recht machen. Dafür spricht auch, dass Google für die entstehenden Kosten vom Ministerium entschädigt werden soll.

Allerdings hatte das Justizministerium schon zuvor Rückzieher gemacht, um dennoch prinzipiell Zugriff auf die Suchmaschinendaten zu erhalten. Von den zunächst geforderten Suchanfragen in Höhe von einer Million wollte man nur noch 5.000. 1.000 würden für die erwünschte Untersuchung ausreichen. Auch die indexierten Websites setzte man von einer Million auf 50.000 zurück, für die Untersuchung seien gerade einmal 10.000 notwendig. Alles also ganz harmlos.

Dass es um mehr als die Untersuchung zum COPA geht, legt auch nahe, dass die Staatsanwaltschaft selbst einräumte, eigentlich von den anderen Suchmaschinen genügend Daten erhalten zu haben. Die Untersuchung würde mit den Daten von Google gestärkt werden, versicherte man scheinheilig. Google scheint damit zufrieden zu sein. Man hat Widerstand gezeigt, wird entschädigt und hat nicht verloren. Man ist weiterhin „gut“, weswegen auch gleich die Aktien stiegen. Gewonnen hat das Justizministerium, das dieses Mal die Anforderungen zurückgeschraubt hat, aber das nächste Mal, sollte sich eine Suchmaschine weigern, höher ansetzen wird. Und wenn es dann nicht nur um ein Anti-Porno-Gesetz zum Schutz von Minderjährigen, sondern um Terroristen geht, dürfte der Erfolg gesichert sein.