Neue Energiequelle "Weißes Gold"

Methanhydrat: Nutzbare Alternative zu Erdöl, Ergas oder Kohle für die Zukunft?

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In den Tiefen der Ozeane findet sich ein ganz besonderer Schatz: Methanhydrat, besser bekannt als Methaneis beziehungsweise „weißes Gold“. Die brennbare Substanz aus gefrorenem Wasser und Methan wird bereits seit längerem als Energiequelle der Zukunft gehandelt. Doch ein Abbau schien bisher sehr schwierig. Nun könnte man der Nutzung einen Schritt näher gekommen sein.

Das schwarze Gold ist weiß geworden.
Man nehme eine einfache Rezeptur
und aus Koks wird wieder Kohle
Wärme, Behaglichkeit, Energie.

Falco, "Mutti, der Mann mit dem Koks ist da!"

Koksidee oder Zukunft? Den Wissenschaftlern des Leibnitz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) ist es gelungen, den Entstehungsprozess von Methanhydraten genauer zu analysieren und damit eine wissenschaftliche Grundlage für eine mögliche Nutzung der Methaneisvorräte in 10 Jahren zu bieten.

Wichtigster Indikator für förderungswürdiges Methaneis: Gasblasen

Die Gasblasen sind wichtigster Indikator für förderungswürdiges Methaneis. In einer aktuellen Untersuchung haben die Meeresforscher am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften den Entstehungsprozess von Methanhydraten im Blake Ridge (Westatlantik) analysiert, mit dem Ergebnis, dass größere Mengen des Hydrats hauptsächlich durch folgenden, bereits früher erforschten Mechanismus entstehen: Gasblasen steigen aus einer Tiefe von ein bis drei Kilometern unterhalb des Meeresbodens auf und gefrieren in ca. 100 bis 500 Meter tiefen Sedimenten zu Gashydrat, da nur hier der Stoff stabil ist.

Methanhydrate in Meeressedimenten. Das Stabilitätsdiagramm zeigt die physikalischen Temperatur- und Druckbedingungen für Methanhydrate im marinen Milieu auf. Bei 0°C z.B. in polaren Gebieten sind in nur 100 m Wassertiefe Methanhydrate nicht stabil. Liegt der Meeresboden allerdings tiefer als 400 m, so ist ein Vorkommen möglich, wobei die Mächtigkeit der Hydrat-Zone je nach Temperaturgradient variiert. Ab einer bestimmten Tiefe im Sediment sind die Temperaturen wiederum zu hoch, so dass Gashydrate nicht mehr existieren können und freies Gas und Wasser vorliegen. In dem angenommenen Fall einer mittleren Temperaturzunahme von 3°C pro 100 m Sedimenttiefe kann prinzipiell bei einer Bohrung in 300 m Wassertiefe eine Hydratschicht von 300 m erwartet werden. Diese Schicht beträgt in 1000 m Wassertiefe schon 600 m. (Bild: Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR))

Diese aufsteigenden Gasblasen lassen sich mit Hilfe von Schallwellen orten. "Sie sind damit der wichtigste Indikator für förderungswürdige Mengen von Methanhydrat", so Prof. Dr. Klaus Wallmann vom Kieler Forschernetzwerk Ozean der Zukunft. "Angesichts der aktuellen Debatte um die Energieversorgung der Zukunft ist es wichtig, den Entstehungsprozess sowie die ökologischen, ökonomischen und rechtlichen Aspekte dieser Ressource bereits heute intensiv zu erforschen", so Prof. Dr. Klaus Wallmann.

Das Kieler Forschernetzwerk Ozean der Zukunft widmet sich fachbereichsübergreifend dieser Thematik. Ob Ozeanographen, Biologen, Geologen, Meteorologen, Ökonomen und Juristen oder Chemiker – zahlreiche Experten rund um die Kieler Universität erforschen Chancen und Risiken, die eine Nutzung des "weißen Goldes" mit sich bringen könnte. Forscher schätzen, dass die Vorräte an Methanhydraten fast doppelt so viel Energie wie alle Erdöl-, Erdgas- und Kohlelagerstätten der Erde zusammen liefern können.

Was ist Methanhydrat?

Methanspeicher sind Gashydrate, die in großen Mengen an Kontinentalrändern und in arktischen Permafrostgebieten auftreten. Gashydrate sind eisähnliche, feste Verbindungen aus Wasser und Gas, die nur bei hohem Druck und/oder niedrigen Temperaturen stabil sind. Da die Wassermoleküle Käfigstrukturen aufbauen, in denen Gase als Gastmoleküle eingeschlossen sind, werden sie auch Einschlussverbindungen genannt.

Schmelzender Methanhydratbrocken in der Hand. Während das bei der Zersetzung frei werdende Methan eine konstante Flamme speist ("Brennendes Eis"), tropft das frei werdende Wasser ab. (Bild: Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR))

Bereits 1810 gelang es dem britischen Naturforscher Sir Humphrey Davy eher zufällig, eine derartige eisähnliche Substanz (Chlorhydrat) herzustellen, indem er Chlorgas unter Druck durch Wasser perlen ließ. Für mehr als ein Jahrhundert galten Gashydrate jedoch als chemische Kuriosität und wurden kaum beachtet. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden sie in der Öl- und Gasindustrie bekannt, als sich herausstellte, dass unbeabsichtigte Gashydratbildung für Transportprobleme in Pipelines verantwortlich war. Es bildete sich bei herabgesetzten Temperaturen festes Gashydrat aus unter Druck stehendem Gas (vorwiegend Methan) und verstopfte die Leitungssysteme.

Vorkommen

Nach Abschätzungen aus den 90er Jahren übertrifft die in Gashydraten gespeicherte Menge an Methan die anderer Kohlenstoffreservoire um ein Vielfaches, diese Schätzungen müssen aber noch verifiziert werden. Im Ozean stammt das Methan zu einem großen Anteil aus dem fermentativen Abbau organischer Komponenten bzw. aus der bakteriellen CO2-Reduktion in den Ablagerungen. Teilweise wird es aber auch durch thermokatalytische Umwandlungsprozesse in tieferen Sedimenten gebildet.

Die bei weitem höchsten Anteile an Methan werden im Bereich der Kontinentalränder gebildet, wo durch hohe Planktonproduktivität der Ozeane und durch hohe Sedimentationsraten große Mengen von organischem Material im Sediment für die Gasbildung zur Verfügung gestellt werden. Daher sind Gashydrate an fast allen passiven und aktiven Kontinentalrändern zu finden, aber auch im Kaspischen Meer, im Schwarzen Meer, im Mittelmeer und im Baikalsee.

Besonders große Mengen von Gashydraten konnten vom Südgipfel des untermeerischen Hydratrückens vor der Küste Oregons mit einem Videogreifer aus 780 m Wassertiefe geborgen werden. Der Hydratrücken ist ein hangparalleler Akkretionsrücken mit ca. 30 km Nord/Süd-Erstreckung und ca. 15 km Breite. Er entstand durch die Subduktion der ozeanischen Juan-de-Fuca-Platte unter den Nordamerikanischen Kontinent. An seinem südlichen Gipfel kommen Gashydrate direkt am Meeresboden vor.

Potenzial als Energiequelle

Im Vergleich ausgewählter, wichtiger Speichergrößen der verschiedensten organischen Kohlenstoffvorkommen der Erde ist die Menge Kohlenstoff, die in Gashydraten existiert, enorm groß. Da es bei der globalen Bilanzierung noch Unsicherheiten gibt, wird heute von einer Größenordnung zwischen 1.000 bis 10.000 Gigatonnen Kohlenstoff, der in Gashydraten gebunden ist, ausgegangen. Dies übersteigt die Kohlenstoffmenge der aktuell bekannten Vorkommen fossiler Brennstoffe bei weitem und stellt somit ein Potenzial für die Zukunft dar, wenn die konventionellen Energieträger ausgeschöpft sein sollten.

Weltweite Verteilung mariner und terrestrischer Gashydratvorkommen. Große Mengen von Gashydraten wurden bisher in den arktischen Permafrostgebieten (gaue Punkte) sowie an den untermeerischen Kontinentalhängen mit geophysikalischen Methoden (rote Punkte) oder durch direkte Beprobung (blaue Punkte) nachgewiesen. (Bild: Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR))

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass, zusätzlich zu der ohnehin gegebenen Treibhausproblematik des Kohlendioxids aus der Verbrennung, Fördermethoden entwickelt werden, die einen wirtschaftlichen und umweltschonenden Abbau sowohl im marinen als auch im Permafrostbereich ermöglichen. Die Gasindustrie verfügt um die Jahrtausendwende noch über genügend Gasreserven für mehr als eine Generation, so dass nur einzelne Länder, wie z.B. das an Erdöl und Erdgas arme Japan, bedeutende Schritte unternehmen, um eine wirtschaftliche Gewinnung von Gas aus Gashydratlagern zu erreichen.

Abbau birgt erhebliches Gefahrenpotenzial

Nach wie vor ist man sich jedoch nicht sicher, wie und ob man diese mögliche Energiequelle überhaupt abbauen kann, denn diese Prozedur wirft eine ganze Menge Fragen und Probleme auf:

  1. Mögliche Klimakatastrophe Ohne den lastenden Druck der Tiefsee und der niedrigen Temperaturen zerfällt das Hydrat in kurzer Zeit in seine Bestandteile. Bei der Bergung könnten daher erhebliche Mengen des klimaschädlichen Methans in die Atmosphäre gelangen und den jetzigen Treibhauseffekt um ein vielfaches verstärken. So ist weitgehend unbekannt, dass das Spurengas Methan als "atmosphärischer Wärmespeicher" etwa 15- bis 30-fach wirksamer ist als Kohlendioxid. Aber nicht nur bei der Bergung selbst lauert die Gefahr, eine grundsätzliche Destabilisierung dieser Methanhydratfelder kann zu plötzlichen Ausbrüchen mit massiver Methanfreisetzung führen. Der Klimaeffekt wäre gleichsam katastrophal.
  2. Mögliche Flutwellen / Tsunamis Methanhydrat dient an vielen Kontinentalhängen als eine Art Zement, der die Sedimente zusammenhält und vor dem Abrutschen bewahrt. Durch das Ab- bzw. Wegrutschen der Hänge könnten enorme unterseeische Erdrutsche/Flutwellen ausgelöst werden.
  3. Zerstörung des marinen Ökosystems Durch das großflächige Aufwühlen des Meeresbodens und der Trübung des Wasser könnte das gesamte marine Ökosystem nicht nur gefährdet werden, sondern auch aus dem bestehenden Gleichgewicht geraten. Auch wird Methanhydrat immer mal wieder im Zusammenhang mit dem Verschwinden der Schiffe im Bermudadreieck genannt: Angeblich seien die Schiffe verschwunden, weil das durch Methangas-Eruptionen aufgewühlte Wasser nicht mehr getragen habe. Bis heute ist nicht geklärt, ob bzw. was die Auslöser dafür sind.

Auch in Literatur (Frank Schätzing – Der Schwarm) und Film (Tsunami – Gefahr lauert vor Sylt, auf DVD erhältlich und auch bereits im Fernsehen gelaufen) hat das Methaneis bereits Einzug gehalten – und die hier geschilderten Zukunftsaussichten sind wenig erfreulich:

Frank Schätzing – Der Schwarm

Unter der Meeresoberfläche brodelt es neuerdings gehörig. Im Nordwesten Amerikas verschwinden Wale spurlos, um bald darauf gar nicht mehr artgerecht wieder aufzutauchen. Australien gibt Quallenalarm. Vor Norwegens Küste entdecken Ölbohrfachleute eine unbekannte Wurmspezies, deren monströse Kauwerkzeuge einen halben Kontinent zum Einsturz bringen können. Dem Meeresbiologen und Schöngeist Sigur Johanson schwant Übles: Die gesamte Meeresfauna und -flora scheint sich ferngesteuert gegen die Menschheit zu wenden…

Tsunami – Gefahr lauert vor Sylt

Auf der Bohrinsel von Alpha Gas vor Sylt läuft die Suche nach Methanhydrat auf Hochtouren. Der fossile Brennstoff soll Öl, Gas und Kohle in naher Zukunft ablösen. Um sich einen Vorsprung auf dem Weltmarkt zu verschaffen, operiert Alpha Gas ohne Genehmigung der EU-Umweltschutzbehörde…