Die größte Bedrohung geht vom Iran aus

US-Präsident Bush stellt die neue Nationale Sicherheitsstrategie vor, die fast alles beim Alten lässt und weiterhin auf die Doktrin von Präventivschlägen setzt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der letzten National Security Strategy aus dem Jahr 2002 prägte die Bush-Regierung den Begriff des „amerikanischen Internationalismus“ und erhob damit den Anspruch, die Weltordnung zu gestalten (Amerikanischer Internationalismus). An erster Stelle stand die Bekämpfung des Terrorismus weltweit und die Drohung von präventiven militärischen Interventionen. Darauf folgte der präventive Angriff auf den Irak als erste Umsetzung. Nun veröffentlicht die Bush-Regierung eine neue Nationale Sicherheitsstrategie – „idealistisch hinsichtlich der Ziele, realistisch hinsichtlich der Mittel“ - und bekräftigt darin die Doktrin vom Präventivkrieg gegen Terroristen und Staaten, die Massenvernichtungswaffen besitzen oder in den Besitz kriegen wollen. Als primäres Ziel der Sicherheitsstrategie wird genannt, die Welt von der Tyrannei zu befreien. Man wird kaum umhin kommen, die neue Sicherheitsstrategie mit dem Blick auf den sich aufschaukelnden Iran-Konflikt verstehen zu müssen.

Die Lehre, die die Bush-Regierung aus den Angriffen vom 11.9. gezogen hat, ist, eine aggressive Politik zu verfolgen und militärisch einzugreifen, bevor ein möglicher Angriff erfolgt ist. Das öffnet der Willkür Tür und Tor, was sich deutlich hat am Irak-Krieg sehen lassen. Das Hussein-Regime verfügte zwar über keine Massenvernichtungswaffen und auch über keine Programme zu deren Herstellung, wie das Weiße Haus fingierte, aber nach der Präventivkriegsdoktrin wäre das auch gar nicht notwendig, denn ein wie auch immer begründeter Verdacht genügt schon.

Nun ist nach Afghanistan auch der Regime-Sturz im Irak nicht glücklich verlaufen. Die politische Glaubwürdigkeit ist weitgehend verspielt, die Nachkriegs-Vorbereitungen und –Strategien waren offenbar stümperhaft. Weder wirtschaftlich, noch politisch oder im Hinblick auf die Menschenrechte geht es denn Menschen in beiden Ländern wirklich besser als zuvor, dafür dürfte vor allem durch die Irak-Besetzung der Terrorismus gestärkt worden sein.

In dem neuen Strategie-Papier, das die Regierung dem Kongress vorlegen muss, heißt es allerdings, dass man mit dem Sturz Husseins die mögliche Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen „ein für alle Mal beendet“ habe. In der Einleitung schreibt US-Präsident Bush zur Einstimmung im ersten Satz: „Amerika befindet sich im Krieg.“ Man werde den vor vier begonnen Kampf weiter fortsetzen, versichert Bush. Nirgendwo findet man – ganz im Stil der Bush-Regierung – auch nur einen Hauch von Selbstkritik, man sieht sich als leuchtendes Vorbild. Während der Terrorismus und seine „Ideologie des Hasses und Mordens“ bekämpft würden, suche man weiterhin Freiheit und Demokratie als Garanten zu verbreiten. Zwar bemerkt er, dass man den „Ansatz“ verbessert habe, erläutert wird dies aber nicht, dafür wird im Papier selbst eine Erfolgs- und Fortschrittsgeschichte erzählt, nämlich vom Vormarsch der Demokratie durch die Unterstützung der USA in Afghanistan, im Irak, im Libanon, in Saudi-Arabien, in den „bunten Revolutionen“ und eigentlich überall auf der Welt.

Bush warnt vor Isolationismus, die einzige Alternative ist „leadership“ der USA, um „die Welt zu gestalten“. Und er versichert, dass die „nationale Stärke“ erweitert werden müsse, um „gegen Drohungen und Probleme vorgehen zu können, bevor sie uns oder unsere Interessen Schaden zufügen“. Im Papier heißt es ganz unumwunden:

Falls notwendig, schließen wir gemäß den lange bewährten Prinzipien der Selbstverteidigung die Anwendung von Gewalt nicht aus, selbst wenn die Ungewisseheit über Zeit und Ort des feindlichen Angriffs bleibt. Wenn die Folgen eines Angriffs mit Massenvernichtungswaffen potenziell so verwüstend sind, können wir es uns nicht leisten, untätig beiseite zu stehen, wenn ernsthafte Gefahren heraufkommen.

Man warnt allerdings davor, dass kein Staat – außer den USA? – Präventionsschläge als „Vorwand für Aggression“ missbrauchen dürfe. Und man versichert auch, um wohl nicht ganz inkonsequent beispielsweise im Hinblick auf Pakistan oder Nordkorea zu erscheinen, dass man nicht notwendigerweise zu einem präventiven Militärschlag greife. Von einer Ratifizierung oder Stärkung von internationalen Abkommen (Biowaffen, chemische Waffen) oder einer nuklearen Abrüstung wird nicht gesprochen. Die Möglichkeit von Massenvernichtungswaffen dient hingegen als Legitimation für Aufrüstung und Präventivschläge.

Die Rede von den „failed states“ oder den Unterstützern des Terrorismus ist nun weitgehend der neuen Terminologie der Tyrannei gewichen. Herausgegriffen werden hier Nordkorea, Iran, Syrien, Kuba, Weißrussland, Burma und Simbabwe. Syrien und Iran werden auch beschuldigt, Terroristen im Ausland zu unterstützen und im Inland zu beherbergen. Und Äußerungen wie diese müssen als Kampfansage und gleichzeitig als Affront gegenüber allen verstanden werden, die keiner Schwarz-Weiß-Ideologie und damit letztlich einer Konfrontationsstrategie folgen wollen:

Die USA und ihre Verbündeten im Krieg gegen den Terror machen keinen Unterschied zwischen denjenigen, die Terrorakte begehen, und denjenigen, die sie unterstützen und beherbergen, weil sie gleichermaßen des Mordes schuldig sind. Jede Regierung, die sich dafür entscheidet, wie Iran oder Syrien ein Verbündeter des Terrors zu sein, hat sich dafür entschieden, ein Feind der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens zu sin. Die Welt muss diese Regime zur Rechenschaft ziehen.

In Bezug auf Iran heiß es denn auch unmissverständlich: „We may face no greater challenge from a single country than from Iran.“

Die Strategie der Prävention gilt auch explizit für die Regionen, die noch keinen direkten Einfluss auf die USA haben. Aber sie können schnell, so das Papier, auf das Taliban-Afghanistan verweisend, zu einem Problem werden. Neben Darfur, Kolumbien oder Äthiopien/Eritrea und dem Erzfeind Kuba werden als akute Problemstaaten auch Nepal genannt – und natürlich Venezuela, wo „ein im Ölgeld schwimmender Demagoge die Demokratie aushöhlt und die Stabilität der Region bedroht“. Man habe, um nach einer Intervention den Wiederaufbau und die Stabilität zu befördern, im Außenministerium ein „Office of the Coordinator for Reconstruction and Stabilization“ eingerichtet.

Ideologisch feststeht für die US-Regierung die unzertrennliche Verbindung von „politischer, religiöser und wirtschaftlicher Freiheit“. Ohne freien Markt und Religionsfreiheit keine wirkliche Demokratie. Und die Demokratisierung des Auslands liege auch, so das Papier, im Interesse der USA. Schließlich, wird wiederholt gesagt, würden freie Gesellschaften friedlich sein und sich „gut verhalten“. Aber manchmal verhalten sich selbst demokratisch gewählte Regierungen nicht „weise“. Die USA wollen zwar nicht „diktatorisch“ eingreifen, wohl aber die Entscheidungen dieser Regierungen beeinflussen. Und bei aller Rhetorik der Kooperation mit Partnern müsse die US-Regierung, so hält man unerschütterlich fest, auch weiterhin entschlossen sein, alleine zu handeln, zudem setzt man eher auf „Koalitionen der Willigen“, die leichter von den USA zu steuern sind.