Shake, Rattle and Paste

Auch Elitestudenten schreiben aus dem Internet ab

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Die fiesen Streber, die einen nicht abschreiben ließen. Verachtenswerte Trockentiere, Stubenhocker, für die die Schule das Wichtigste war. Während die Anderen doch wussten, dass es außerhalb der Schule viel Interessanteres zu lesen, zu erfahren und zu erleben gab, so dass für Hausaufgaben kaum mehr Zeit blieb. Abschreiben war ein sportliches Abenteuer. Wem es gelang, die Aufgaben des letzten Tages in den zehn Minuten vor Schulbeginn von einem verlässlichen Mitschüler zu kopieren, war ein streetwiser Fuchs, der sich damit auszeichnen konnte, um so mehr, wenn die Kopie nicht eins zu eins ausfiel.

Mit dem Internet ist man nicht mehr auf kompetente Mitschüler angewiesen, sondern kann sich dort manche Fremdhilfe holen, was dann oft auch eins zu eins geschieht, mit Copy & Paste verbessern anscheinend immer mehr Schüler ihre Hausarbeiten mit Zitaten und ganzen Textpassagen. Die Dunkelziffer ist groß, Lehrer beklagen sich, die Diskussion bleibt aber meist auf entsprechende Kreise beschränkt. Anders dagegen, wenn diese Praxis auch beim Universitätsstudium weitergeführt wird:

Es gibt zwar noch keine harten empirischen Fakten, aber sehr wohl bereits Schätzungen: Rund ein Drittel aller studentischen Arbeiten könnten zumindest teilweise Plagiate darstellen. An den Universitäten wird mit Resignation oder relativ zahnlosem Kampf reagiert.Mit Shake and Paste ans Ziel

Nun ist in England eine Diskussion über die Plagiatspraxis von Studenten im Gange. Einen Tag, nachdem bekannt wurde, dass zehn Studenten der weltberühmten Eliteuniversität Oxfords des Plagiats überführt wurden, brachte gestern eine Umfrage ans Licht, dass mehr als ein Drittel „Material“ aus dem Internet oder aus Büchern kopierten, um ihre Einfälle etwas aufzuwerten.

Von den 1022 Studenten aus 119 Hochschulen gaben allerdings nur drei Prozent an, dass sie Passagen wörtlich übernommen hätten.

In Oxford steht der gute Ruf auf dem Spiel, weswegen sich der oberste Aufsichtsbeamte, Alan Grafen, gezwungen sah, den Plagiats-Skandal im Oxford Magazine öffentlich zu machen. Grafen sieht zwei Gründe für den schockierenden Trend. Erstens, dass es sehr einfach ist, aus Internetquellen zu schöpfen. Und zweitens, dass die Praxis, Hausarbeiten als Mix aus unterschiedlichen Internetzitaten (Shake & Paste) anzufertigen, schon in der Schule üblich sei und zu dieser Arbeitsweise dort mehr oder weniger ermutigt wird. Manche Studenten aus dem Ausland hätten laut Grafen den Eindruck gewonnen, dieser Betrug würde irgendwie schweigend geduldet.

Die Universitätsleitung will den Plagiatsbetrügern künftig mehr auf der Spur sein, einige der Abschreiber sind schon jetzt von der Universität verwiesen worden. Dass das Problem nicht als Kavaliersdelikt behandelt, sondern viel ernster genommen werden soll, dafür plädieren auch andere, die mit den Befragungsergebnissen konfrontiert wurden.

Die Gesellschaft muss das Plagiat als ernsthaftes Thema begreifen, wie Autofahren unter Alkoholeinfluss. Nur dann, wenn die Mehrheit dies als unakzeptabel begreift, kann es unter Kontrolle gebracht werden.

Jean Underwood, Expertin für „Plagiarism“ an der Nottingham Trent University