Ein "Sakrileg" ohne "Plagiat"

Der Rechtsstreit Baigent/Leigh ./. Random House

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Der US-amerikanische Schriftsteller Dan Brown ist möglicherweise der meistgelesene Schriftsteller der Gegenwart. Seine Romane tragen in Deutschland sämtlich den Untertitel "Thriller". Er war wiederholt Angriffsziel von Autoren, die die Auffassung vertraten, er hätte sich bei ihrem "geistigen Eigentum" bedient und bezichtigten ihn des Plagiats.

So auch die fachlich überaus umstrittenen "Sachbuchautoren" Michael Baigent und Richard Leigh, deren Klage in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den zum Bertelsmann – Konzern gehörenden Verlag Random House, der die Bücher von Dan Brown und von Baigent/Leigh verlegt, nunmehr vom Londoner High Court durch Judge Peter Smith – keineswegs unerwartet – in vollem Umfang durch ein sehr lesenswertes Urteil abgewiesen wurde.

Die Abstandnahme von diesem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch sollte dem Verlag nach Auffassung der Kläger rund 15 Millionen Euro wert sein. Der Prozess entwickelte sich im Verlauf der dreiwöchtigen Beweisaufnahme selbst zu einer Art "Thriller" und hat für das internationale Medien- und Urheberrecht eine erhebliche Bedeutung, da Romane und vergleichbare Literaturgattungen immer öfter Angriffen wegen Urheberrechtsverletzungen und wegen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ausgesetzt sind.

I. Die Story

Mit dem Roman "Illuminati" (englisch: Angels and Demons) brachte Dan Brown den Vatikan gegen sich auf. Mit dem Roman "Sakrileg" ("The Da Vinci Code") verhält es sich nicht viel anders, da hier unter anderem die nicht gerade neue These durchgespielt wird, dass Jesus mit Maria Madgalena als seiner Ehefrau eine Tochter hatte und deren Nachkommen in Frankreich Spuren bis in die Gegenwart hinterlassen haben. Ein "Geheimnis", das von der "geheimnisumwitterten" Prieure de Sion als Bewahrer des Grabes der Maria Magdalena und damit des Grals gehütet wird. Eine Organisation übrigens, die durch den französischen Fälscher Pierre Plantard ebenso erfunden worden ist wie die berühmt-berüchtigten "Sauniere-Papiere" aus dem Altar von Rennes-le-Chateau. Die Kreuzigung Jesu Christi selbst stellt Dan Brown nicht in Frage.

In einer materialisierten Welt lässt sich mit religiösen "Geheimnissen" leicht und kommerziell erfolgreich spielen. Der Erfolg der Bücher spricht für sich und für das Interesse an der Suche nach "letzten Geheimnissen" der Christenheit, die gerade durch die Rekonstruktion des "Judas-Evangeliums" neuen Auftrieb erhalten haben, auch wenn dies etwa bereits in "Die letzte Versuchung Christi" zum Ausdruck kam. Nicht zuletzt "Illuminati" hat den Rom-Tourismus noch weiter beflügelt. Spezielle "Dan-Brown-Illuminati-Führungen" zeigen dies eindrucksvoll. Dan Brown ist inzwischen schlicht ein "Wirtschaftsfaktor".

Brown spielt in "Illuminati" und "Sakrileg" geradezu mit "Verschwörungstheorien", doch haben seine Romane keine bemerkenswerten "aufklärischen" Ambitionen. Soweit er behauptet, sein Roman beruhe auf Tatsachen, wagt er sich weit vor, ohne dass dies hier näher beurteilt werden soll. Dies kann bereits deshalb auf sich beruhen, weil bei literarischen Texten der fiktionale Charakter im Vordergrund steht und nur dieser der Gegenstand der Lektüre ist. Für eine urheberrechtliche Analyse spielt dies keine Rolle, wie auch der britische High-Court judiziert hat. Der "Stachel der Kriktik" dient hier mehr als Anker für einen reißerischen Handlungsablauf vor dem Hintergrund religiöser Symbole und umstrittener Überlieferungen, die durchaus spannend zu lesen sind. Dies alles sind Stoffe, die "Hollywood" mag.

Das "Geheimnis" besteht in diesem Bereich mehr in "Wissenslücken" aufgrund von Brüchen in Überlieferungen als in irgendwelchen "Mysterien", die in Bezug auf die Existenz Gottes sämtlich auf die Lösung der von einem fiktiven Gott gestellten Frage "Bin ich?" hinauslaufen. Letztlich produziert Brown in seinem Buch eine Art "Gegenmythos" zum katholischen Mythos, der sich mit diesem verschränkt. Ironischerweise veranstalten manche Leser regelrechte "Sakrileg-Exegesen" und es existiert bereits eine lebhafte Sekundärliteratur. Mehr Publicity können sich Autor und Verlag kaum wünschen. Vordergründige Spannung vermischt sich in diesem Buch mit durchaus niveauvollen Kunstinterpretationen etwa der "Mona Lisa" (La Joconde) oder des "Letzten Abendmahles" von Leonardo da Vinci, die auch für sich genommen lesenswert sind, und nach der Überzeugung des Londoner Richters von Blythe Brown stammen.

Da Vincis vorstehend genannte Gemälde spielen in diesem Roman eine Schlüsselfunktion, da sie in Beziehung stehen zu dem fraglichen "Code", der hier entziffert werden soll, um zum Grab Maria Madgalenas und zum "Gral" zu führen. Den Inhalt zu referieren wäre an dieser Stelle verfehlt, zumal das Buch weltweit in rund 45 Millionen Exemplaren verbreitet sein soll, so dass es fast ein jeder kennt, nur vielleicht in den Grenzen der Interpretation anders liest.

Der Affront gegen den Vatikan und die katholische Kirche besteht bei "Sakrileg" insbesondere darin, dass im Auftrag höchster Kreise der katholischen Kirche – auf Kardinalsebene – der Auftrag erteilt wird, der "Prieure de Sion" ihr Geheimnis zu entreißen und etwaigen schädlichen Enthüllungen vorzubeugen, auch um den Preis mehrerer Morde an hochrangigen Mitgliedern der "Prieure". Immerhin fühlte sich die äußerst umstrittene katholische Organisation "Opus Dei" zu einer harschen Stellungnahme herausgefordert, die zeigt, dass dieses Buch den Nerv ihrer Führung getroffen haben muss.

Mythos und Forschung fallen oft auseinander, ohne dass dies dem Mythos schadet. Einem Roman Recherchefehler vorzuwerfen, ist ohnehin schon ein schwieriges Unterfangen. Romane breiten fiktionale Stoffe aus und können mit "Fakten" spielen, die keiner Realität korrespondieren müssen. Gerade historische Romane oder Romane, die derartige Stoffe verarbeiten, spielen oft sehr frei mit "Fakten". Dies gilt erst recht in einem Bereich, in dem Mythos und historische Forschung derartig weit auseinanderdriften, wie beim historischen Jesus und dem Christus des Neuen Testaments, dessen Textstufen – auch angesichts der Apokrphen – nicht völlig erforscht sind. Unter rechtlichen Aspekten besteht inzwischen auch aller Anlass, Darstellungen lebender Personen in Romanen entsprechend zu "verfremden".

Die beiden genannten Romane von Dan Brown verbinden in dramaturgisch geschickter Form Religions- und Kirchenkritik mit einer Krimi-Story, in die ein Harvard-Professor als "Held" hineingerät, der als Spezialist für "Symbologie" als Consultant hingezogen wird und für den ein bestimmter Semiot aus Alessandria im Piemont möglicherweise den intellektuellen "Prototyp" abgegeben hat und der bereits in einem Interview angeboten hat, ein solches Buch für 50 Dollar besser zu schreiben.

Das Buch ist bereits verfilmt worden. Der Film soll im Mai in die Kinos kommen, so dass der Prozess von erheblichen wirtschaftlichen Interessen gekennzeichnet war, da die Bejahung des Unterlassungsanspruches dieses Filmprojekt wohl bis auf weiteres gestoppt hätte. Der Londoner High Court war sich dieser Folgeabschätzung – wie das Urteil zeigt – sehr wohl bewusst.

II. Die Vorgeschichte

Nicht zum ersten Mal wird Dan Brown ein Plagiat vorgeworfen. In den 80er-Jahren hatte der US-amerikanische Autor Lewis Perdue ein – auf deutsch übersetztes und gerade neu erschienenes – Buch mit dem Titel "The Da Vinci Legacy" veröffentlicht und zieh Dan Brown und den Verlag des Plagiats.

In seinen beiden Internets-Blogs übt Perdue heftige Kritik an Dan Brown und Random House. Allerdings wirft er Brown kein komplettes Plagiat vor, sondern ein "Abkupfern" zahlreicher kleiner Details, nachdem Random House zunächst ihn abgemahnt hatte. Als Schadensersatz machte er eine Forderung in Höhe von 150 Millionen Dollar geltend, die er für einen gemeinnützigen Zweck spenden will. Er unterlag allerdings in der ersten Instanz vor einem US-amerikanischen Gericht. Die Berufung ist noch anhängig.

Das Gericht erster Instanz in New York City stellte fest, dass Ähnlichkeiten – letztlich schon im englischen Titel – vorhanden waren, es sich aber um Passagen handelte, die auf urheberrechtlich nach US-amerikanischem Rechtsverständnis nicht geschütztem Material beruhten. Genau dieser Punkt hat auch den englischen High-Court intensiv beschäftigt, der sich mit den Texten äußerst intensiv und für weitere Urteile in diesem Bereich vorbildlich auseinander gesetzt hat. In der Beweisaufnahme wurden die gerügten Passagen Satz für Satz diskutiert und die Autoren zu ihren Intentionen vernommen. In derartigen Urheberprozessen werden Gerichtssäle oftmals zu "Literatur-oder Kunstseminaren".

Die Kläger Michael Baigent und Richard Leigh in dem Londoner Verfahren sind Verfasser vielgelesener "Sachbücher", so auch des von Brown angeblich in zentralen Passagen mittelbar plagiierten Buches "Der heilige Gral und seine Erben" (englisch: The holy Gral and the holy Blood, gemeinsam mit Henry Lincoln, der nicht als Kläger aufgetreten ist).

Die Literatur, die diese Autoren selbst zitieren zeigt, allerdings, dass sie nicht gerade als erste auf dieses Thema gestoßen sind, die aus einer Aneinderreihung von Fakten bestehen, die auf illustre Weise geschichtlich verbunden werden. Das Londoner Gericht würdigt diesen Umstand sehr eingehend. Eine Reihe ihrer "Tatsachenfeststellungen" beruhen überdies auf Darlegungen jenes Pierre Plantard, der später als Fälscher entlarvt wurde.

Dieses Buch als "Sachbuch" oder "Fachbuch" zu bezeichnen, dürfte manchem Historiker schwer fallen, da hier letztlich über das Überleben des Jesus nach der Kreuzigung, über dessen "Stammvaterschaft" für die Merowinger, deren "Überleben" in einer Nebenlinie des "Arelats", über die Gründung des Templerordens, die Abspaltung der Prieur de Sion von diesem Orden, die Rosenkreuzer und Freimaurer bis hin zur Wiedereinsetzung eines Nachfahrens der Merowinger als potentiellem König von Frankreich alles irgendwie mit allem verknüpft wird. Wie das Geständnis von Pierre Plantard in einem Strafverfahren von 1993 gezeigt hat, war das Buch selbst äußerst schlecht recherchiert, was im Vorwort zur US-amerikanischen Ausgabe von 1996 letztlich auch mehr oder weniger eingestanden werden musste.

Die Autoren Autoren Baigent und Leigh bezichtigten nun Dan Brown des mittelbaren Plagiats, weil er angeblich elementare Teile ihres zentralen Themas übernommen haben soll, so dass ihre Klage an den Rand der Proklamation eines Ideenschutzes gerät. Tatsächlich nennt er dieses Buch auch durchaus als Quelle, wohl auch als "Inspirationsquelle", hat es aber angeblich gemeinsam mit seiner Frau Blythe, einer Kunsthistorikerin, nach den Feststellungen des Londoner High Court erst zu einem späten Zeitpunkt der Fertigstellung des Manuskrips hinzugezogen. Die Rekonstruktion der Textentwicklung von "Sakrileg" ist nach den Feststellungen des High Court bereits deshalb schwierig, weil etliche Vorarbeiten nicht mehr vorhanden sind, warum auch immer.

Das "Sachbuch" von Lincoln/Baigent/Leigh – dem später noch zwei Fortsetzungen u.a. über die "Templer" und "Das Geheimnis des Messias" folgten – hatte schon ganz andere Autoren zu einer fiktionalen Umsetzung angeregt. Hier von sicher recherchiertem historischem Wissen zu sprechen, wäre des Guten sicher zuviel und würde diesem "Sachbuch" zuviel der Ehre antun.

So auch den italienischen Autor Umberto Eco, der in "Il pendolo il Foucault" (dt. Das Foucault'sche Pendel, dort Kap. 66) ebenfalls Motive der breit angelegten Verschwörungstheorie von Lincoln/Baigent/Leigh verwendete und dieses Buch auch in einem Motto als Kapitelunterüberschrift zitiert hatte.

Die Passage des betreffenden "Sachbuches", die Eco in diesem Kapitel zitiert, ist in der Stringenz ihrer "Beweiskraft" von einer "hinreißenden" Überzeugungskraft, die gleichzeitig für dieses Werk kennzeichnend ist.

Auch Eco spielt mit Motiven dieses "Sachbuchs", um sie letztlich ad absurdum zu führen, zielt aber mehr auf den dort enthaltenen "Templer-Rosenkreuzer-Mythos". Die Autoren haben Umberto Eco nie verklagt, vielleicht eingedenk des nichtjuristischen Spotts, der ihnen dann mutmaßlich öffentlich gedroht hätte.

III. Das Urteil

Das interessante Urteil – gegen das möglicherweise ein Rechtsmittel eingelegt wird – bietet interessante urheberrechtliche Aspekte und lässt begründungstechnisch keine Wünsche offen, zumal die Lektüre äußerst anregend ist.

Das englische Urheberrecht weicht vom deutschen Urheberrecht nicht unerheblich ab, auch wenn durchaus Gemeinsamkeiten bestehen, die ihren Grund nicht zuletzt in internationalen Konventionen haben, die beim Schutz des "geistigen Eigentums" eine erhebliche Rolle spielen.

Nach dem englischen Copyright, Designs and Patent-Act von 1998 muss ein Werk, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen, in eine der schutzfähigen Werkkategorien fallen und alle formalen Voraussetzungen für die Qualifizierung als urheberrechtlich geschütztes Werk erfüllen. Bei literarischen Werken ist grundsätzlich von einer entsprechenden "originality" auszugehen, die keineswegs deckungsgleich mit der deutschen "Schöpfungshöhe" ist. Das Urteil stellt auch klar, dass die Anforderungen an diese Voraussetzung nicht überzogen werden dürfen. Beide Texte genießen als Werk eindeutig Urheberrechtsschutz.

Die entscheidende Besonderheit des englischen Copyright-Law besteht letztlich darin, dass es auf die persönliche Bindung des Autors an sein Werk nicht entscheidend ankommt, da die Urheberrechte bis auf geringe Restkompetenzen des Urhebers vollständig auf den Verlag übergehen, weshalb diese hier in Form ihrer englischen Niederlassung auch die Beklagte war. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Klage die Interessen des Verwerters massiv beeinträchtigen kann.

Es ging in diesem Fall keineswegs darum, dass dem Verlag vorgeworfen wurde, Brown hätte bei Lincoln/Baigent/Leigh abgeschrieben und Textpassagen wörtlich übernommen, sondern darum, dass er Handlungsstränge und entscheidende Motive des Sachbuchs übernommen haben soll. Das Gericht bringt dies auf den Punkt:

The claim is of non-textual infringement in literary work. It is conceded that such a claim is unusual and because of its nature presents a greater difficulty of analysis than a textual infringement claim

20/141

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In solchen Fällen bleibt einem Gericht nichts anderes übrig, als Textstufenforschung zu betreiben, um herauszufinden, ob ein Verstoß in einer Form vorliegt, die in einer Übernahme fremden Gedankenguts in Form einer unautorisierten Benutzung des Gedankenguts besteht, das im Text konkret zum Ausdruck kommt. Dabei ist die Idee im englischen Recht ebensowenig schutzfähig wie nach deutschem Rechtsverständnis, so dass deutliche Anhaltspunkte in der Textgestaltung vorhanden sein müssen.

Um die Rechtslage zu klären, diskutiert der High Court sämtliche einschlägigen englischen Urteile, die hier die entscheidenden Präjudizien bilden. In der außergewöhnlich präzisen Beweiswürdigung geht das Gericht etwa auch auf den Umstand ein, dass Blythe Brown zu einer Zeugenaussage – angeblich wegen ihrer Publikumsscheue – nicht bereit war. Im Zusammenhang mit der ersten, noch vorhandenen Synopse der Handlung von "Sakrileg" zieht das Gericht auch erheblich in Zweifel, dass beide das Buch von Lincoln/Baigent/Leigh nicht bereits um 2000 gekannt und benutzt haben wollen (33/219), unterstellt aber zu Gunsten der Beklagten, dass eine Nutzung für die Synopse unwiderlegt nicht nachgewiesen werden konnte, so dass von einer erheblichen Eigenschöpfung des Handlungsrahmens ausgegangen werden muss, zumal es auf diesen Umstand letztlich nicht ankommt. Insbesondere für den langen Dialog von Landgdon/Teabing im 60. Kapitel von "Sakrileg" über die Merowinger und die "Prieure" geht das Gericht aber von einer Benutzung aus, zumal das Buch hier auch zitiert wird.

Das Gericht stützt seine Klageabweisung im Kern darauf, "...there is no case based on text comparision to support the allegation of copying let alone substantially copying HBHG". Um dies zu belegen arbeitet das Gericht das seitens der Kläger behauptete zentrale Thema Punkt für Punkt ab. Hinzu kommt allerdings, dass die Klägerseite in der Beweisaufnahme keine gute Figur gemacht hat. Das Gericht betont deutlich die zentrale Bedeutung der Beweisaufnahme und des Kreuzverhörs für den englischen Zivilprozess: "It is what essentially distinguishes the Common Law from the Cicil Law jurisdictions". Dies kommt in der Wertung zum Ausdruck, dass insbesondere Baigent ein armseliger Zeuge war (37/231), der dem Gericht nicht plausibel machen konnte, was an seiner eigenen Darstellung auf verifizierbaren Fakten beruhen soll und eine originäre Schöpfung darstellen könnte.

Das Gericht geht davon aus, dass Baigent dieses Kreuzverhör so schnell nicht vergessen wird. Die fehlerhaften Recherchen von Baigent/Leigh werden etwa durch die Fehlinterpretation des führenden Kreuzzugshistorikers Steven Runciman offenbar, die das Gericht als Beispiel überzeugend nachgewiesen hat (33/235). Ohnehin zeigt sich, dass das Gericht mit den in Rede stehenden Texten sehr vertraut ist. Dies führt schließlich dazu, dass das angeblich zentrale Thema seitens des Gerichts nicht als genuines zentrales Thema von HBHG angesehen wird, sondern dieses selbst auf – zudem fehlerhaften – Recherchen beruht, denen eine originäre Eigenständigkeit abgesprochen wird (33/250; so auch schon 5/53). Es wird für die Autoren kein Kompliment gewesen sein, dass das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme zum Ergebnis kommt, dass nicht einmal die Kläger selbst an die Genuinität ihres "zentralen Themas" glauben (41/252).

Die wohl entscheidende Überlegung liegt aber in einer Folgenabschätzung für das "Literaturrecht" insgesamt, die in Zukunft beherzigt werden sollte, um die Freiheit von Autoren nicht über Gebühr zu beschneiden:

Copyright should not protect against the borrowing of an idea contained in a work. It is necessary to strike a fair balance between protecting the rights of the author and allowing literary development.

Darin kommt überzeugend zum Ausdruck, dass die künstlerische Freiheit eines Autors nicht dadurch beschränkt werden darf, dass er Ideen aus anderen Werken aufgreift und sie in neuer Form in eine literarische Form bringt, ohne abzuschreiben oder ein zentrales Thema identitätswahrend "abzukupfern". Dem ist auch für das deutsche Urheberrecht zuzustimmen.

IV. Fazit

Keiner der Beteiligten ist aus diesem Verfahren völlig "ungeschoren" herausgekommen. Die Beweisaufnahme ergab etwa, dass Browns Kenntnisse der historischen Hintergründe eher bescheiden sind und er diese Recherchen schlicht von seiner Frau übernommen hat, die eigentlich wohl Anspruch auf eine Urheberbenennung hätte. Gleichzeitig wird das Werk von Baigent/Lincoln/Leigh als das dargestellt, was es ist: ein schlecht recherchiertes "Sachbuch", das ohne diesen Prozess längst wieder auf dem "Wühltisch" der Antiquare gelandet wäre. Indessen hat sich der Prozess finanziell für alle Beteiligten gelohnt, da insbesondere die Bücher von Baigent/Leigh wieder aufgelegt und stärker nachgefragt werden. Die Publicity dürfte aber auch dem in Kürze startenden Hollywood-Film mittelbar zugute kommen, dessen eigene Marketing-Aktionen allerdings parallel laufen. So hat letztlich jeder der Beteiligten von diesem Prozess etwas gehabt. Auch an Prozessen, die man verliert, kann man also durch mitunter "gewinnen".

Einen derartigen Prozess als "PR-Gag" – wie jetzt gelegentlich kolportiert wird – dürften Autoren und Verlage jedoch kaum nötig gehabt haben. Dies hat das Gericht auch ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, unter Hinweis auf die schwierigen Kreuzverhöre, die im deutschen Prozessrecht keine Entsprechung haben. Der Fall stellt jedenfalls für das Autoren- und Verlagsrecht einen Präzedenzfall von internationaler Bedeutung dar, der die rechtlichen Grenzen der Literatur in einem Streit ausgetestet hat, der letztlich die Freiheit der literarischen Gestaltung in der ersten Instanz bestätigt hat. Es dürfte weitere Verfahren geben, in denen versucht wird, aus der zulässigen Verwertung von Ideen anderer "Kasse" zu machen, in England und anderswo. Dabei ist nicht zu erkennen, dass das englische Gericht das Niveau eines effektiven Plagiatschutzes in irgendeiner Form abgesenkt hätte. Dafür bot der Klägervortrag selbst zu viel Angriffsfläche.