Kriegspläne gegen Iran

Nach einem Bericht von Seymour Hersh gehört die auch militärische Beendigung des iranischen Nuklearprogramms zu einer der dringendsten außenpolitischen Prioritäten der Bush-Regierung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der US-Enthüllungsjournalist Seymour Hersh hat in einem vielbeachteten Artikel im New Yorker seine Serie über Angriffspläne der US Regierung gegenüber dem Iran fortgesetzt. Auch bei Hershs neuestem Artikel ist - wie auch schon aus anderen Quellen bekannt wurde - dabei vom möglichen Einsatz substrategischer Kernwaffen die Rede. Dies wurde auch von der Washington Post bestätigt.

Nachdem der vielleicht bekannteste Enthüllungsjournalist der USA, Seymour Hersh, schon im Januar 2005 im "New Yorker" auf neuerliche Kriegsplanungen der USA gegenüber Iran hingewiesen hatte (Das letzte Hurra...), lässt sich seinem neuesten Beitrag vor allem eine aktuelle Dringlichkeit entnehmen. Aus der anschwellenden Rhetorik, aus der zunehmenden medialen Aufgeregtheit, manche US-Medien sprechen bereits von einem "countdown" gegenüber Iran, lässt sich mit Sicherheit Folgendes ableiten: Die Frage des iranischen Nuklearprogramms zählt nun zu den bedeutendsten außenpolitischen Prioritäten der Bush-Regierung. Trotz des gesamten Debakels im Irak.

Diese Dringlichkeit erklärt sich nicht aus der tatsächlichen zeitlichen Ferne zur Herstellung einer möglichen ersten Kernwaffe. Hier geht selbst John Negroponte, der oberste Geheimdienstchef der USA, von einem Zeitraum zwischen fünf und zehn Jahren aus. Nach Hershs Quellen - er nennt einen "Regierungsberater mit engen Verbindungen zum Pentagon" - ist Bush erstens davon überzeugt, dass Iran "die Bombe" auf jeden Fall bauen werde, wenn er nicht gestoppt wird, und zweitens, dass er tun müsse, was kein Präsident nach ihm jemals tun würde, nämlich "Iran zu retten".

Im Unterschied zu den weniger alarmistischen Analysen der IAEA oder unabhängiger Think-Tanks, wonach es noch Zeit für eine Verhandlungslösung gäbe, scheinen die Scharfmacher in der Umgebung von Bush nun die israelische Position übernommen zu haben, wonach bereits die technische Option der Urananreicherung verhindert werden müsse. Aus dem Umfeld von Bush wurde dies in den letzten beiden Monaten ähnlich formuliert. Iran dürfe nicht die Möglichkeit haben, die Technologie der Urananreicherung zu beherrschen.

Bei Hersh liest sich das so: Iran müsse die Möglichkeit verwehrt werden, auch nur eine Pilotanreicherung zu betreiben. Oder: Staatssekretär Robert Joseph wird mit der Aussage zitiert: "Wir können es nicht zulassen, dass sich nur eine einzelne Zentrifuge im Iran dreht. Iran ist eine direkte Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA und wir werden dies nicht tolerieren." Dies ist nun Doktrin und mehr als nur ein Versuch, Iran mit drastischer Rhetorik zum Einlenken zwingen zu wollen. Es verstellt den Blick jedoch darauf, dass es jenen Hardlinern, die eine militärische Konfrontation suchen, schon längst nicht mehr nur um das Nuklearprogramm, sondern eben auch um einen generellen Regimewechsel in Teheran geht.

Parallelen zum Irak-Krieg

Wie glaubwürdig kann man Hersh und seine Quellen einstufen, insbensondere wenn es um die militärischen Planungen geht? Seymour Hersh ist nicht der Typ, der sich irgendwie als Sprachrohr einer Regierung, schon gar nicht der Bush-Regierung, hergeben würde. Er hat für diesen Bericht länger recherchiert und nennt, was die US-Situation angelangt, folgende Quellen: einen früheren Geheimdienstmitarbeiter, einen früheren Verteidigungsexperten, einen früheren hochrangigen Mitarbeiter des Pentagon, einen kürzlich zurückgetretenen hochrangigen Mitarbeiter der Bush-Regierung, sowie "im Amt befindliche" Regierungsberater, einen militärischen Planer, einen hochrangigen Diplomaten, einen Pentagon-Berater, ein Mitglied des US-Repräsentantenhauses sowie einen israelischen Geheimdienstmitarbeiter. Nachdem vieles, was Hersh schreibt, ohnehin schon aus anderen Quellen bekannt ist, etwa die Planungen für einen Kernwaffeneinsatz, sollte man seinen Text eher als Bestätigung der schlimmsten Befürchtungen der Planung mancher Hardliner in der US-Regierung betrachten denn als haltlose Übertreibung.

Es sind eher die Details, der Subtext, der zu denken gibt, wo sich Parallelen zum Irakkrieg geradezu aufdrängen. Geheime Briefings für ausgewählte Senatoren und Abgeordnete. Ein Detail, das, wenn es stimmt, militärisch sinnlos wäre, aber als psychologische Einschüchterung verstanden werden könnte. Hersh berichtet von Flugmanövern von trägergestützten taktischen Kampfflugzeugen, bei denen in Reichweite iranischen Radars Kernwaffenabwürfe simuliert worden sein sollen. Das Pikante dabei ist, dass es nach allem bekanntem Wissen seit 1994 keine luftgestützten Kernwaffen für taktische Kampfflugzeuge mehr auf amerikanischen Trägerverbänden gibt.

Ein weiteres bemerkenswertes Detail ist die Rolle, die A.Q. Khan, der Vater der pakistanischen Kernwaffe, beim iranischen Nuklearprogramm spielt oder spielen soll. Er wird ja verdächtigt, Zentrifugen und Zentrifugenteile, sowie einen chinesischen Bauplan an das iranische Regime auf eigenen Gewinn und ohne Mitwisserschaft der pakistanischen Behörden verkauft zu haben. Dies ist zumindest die gängige Theorie. A.Q. Khan gilt in Pakistan noch immer als Nationalheld, steht unter Hausarrest und US-Behörden geben sich bei ihm die Türklinke in die Hand. Eine der Quellen von Hersh spricht davon, dass A.Q. Khan "singe wie ein Kanarienvogel", eine andere meint gar, aus seinen Aussagen ließe sich eine neue und völlig dramatische Gefahrenlage rekonstruieren. Das ist insofern merkwürdig, als es der IAEA, der eigentlich zuständigen Behörde für die Aufklärung des iranischen Nuklearprogramms, bisher kein einziges Mal gestattet wurde, A.Q. Khan zu vernehmen.

Machtkampf innerhalb des Militärs?

Die Tatsache, dass gerade jetzt, etwa zwanzig Tage vor Ablauf der Frist des UN-Sicherheitsrates gegenüber Iran alle Anreicherungsexperimente einzustellen, weitere Details über nukleare Einsatzplanungen an die Öffentlichkeit durchsickern, könnte auch bedeuten, dass sich, wie Hersh behauptet, zahlreiche Spitzenmilitärs deutlich gegen eine "nukleare Option" bei einem Angriff aussprechen.

Hersh nennt hier vor allem die Generalstabchefs und meint, es wären auch einige bereit, deswegen zurück zu treten. Die Generalstabchefs haben hier jedoch bestenfalls beratende Funktion, da sie nicht in der Befehlskette bei einem allfälligen Angriff vorkommen werden. Diese verläuft vom Weißen Haus oder vom Pentagon direkt zum CENTCOM, dem regionalen Einsatzkommando.

Die Nicht-Widerlegbarkeit und das "parallele Nuklearprogramm"

Eine Argumentation ist in den letzten Monaten verstärkt aufgebaut worden: das "parallele Nuklearprogramm". Dieser Gedankenstrang findet sich auch bei Hershs Quellen und funktioniert so: Selbst wenn Iran alle IAEA-Auflagen erfüllen sollte, aber trotzdem mit seinem Anreicherungsprojekt weiter machen würde, werde das Land die technische Fähigkeit erlangen, dies in einem geheimen parallelen Nuklearprogramm fortzusetzen.

Nur gibt es bis heute keinerlei ernst zu nehmenden Hinweise darüber. Auch von der IAEA, die hier durchaus ihren Ruf zu verlieren hat, wurde nichts gefunden. Sollte es also zu Luftangriffen kommen, so würde damit auch fast jede Form der Überprüfbarkeit beseitigt sein. Fast alle Experten sind sich darüber einig, dass eine solche Form der militärischen Intervention ein militärisches Nuklearprogramm des Iran zwar verzögern, aber nicht stoppen könnte.

Georg Schöfbänker ist Politikwissenschafter und betreibt das Österreichische Informationsbüro für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle in Linz.