Killing Fields

Ananasplantagen in Costa Rica

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Sonnensaftig schmeckt die Ananas aus Costa Rica. Seit der Bananenpreis in den 90iger Jahren ins Trudeln geriet setzen die Fruchtproduzenten auch in Mittelamerika auf den Anbau dieser Tropenpflanze. Das Geschäft läuft hervorragend, im Januar lag der Ananasexport um 67,7 Prozent höher als im Jahr zuvor. In der nördlichen Karibikregion gedeiht die Frucht aus der Familie der Bromeliengewächse besonders gut; so haben viele Bananenplantagen umgesattelt auf Ananasanbau. Doch Anwohner, Arbeiter und die Umwelt zahlen einen bitteren Preis für den Exporterfolg der süßen Frucht.

Plantagen fressen sich durch den Regenwald. In der Karibik gehören rund 18.000 Hektar den Ananasbaronen. Alle Fotos: Torge Loeding

Über den Ananasanbau ist so gut wie nichts bekannt in Europa, obwohl diese Monokultur die gleichen Probleme mit sich bringt wie Bananen; wenn nicht sogar schlimmere.

Hernan Hermosilla, Foro Emáus

Seit über einem Jahr unterstützt Hernan Hermosilla von der Hauptstadt San José aus eine Kampagne, die sich unter dem Wahlspruch "Stoppt die Ausweitung der Ananasplantagen!" um Aufklärung im Lande bemüht. Er ist Mitarbeiter des Foro Emáus, einem progressiven, kirchennahen Dachverband von 25 Organisationen aus sozialer und ökologischer Bewegung in der Karibikregion Costa Ricas. Ein deutscher Partner ist der Evanglische Entwicklungsdienst (EED). Ein Dokumentarfilm wurde produziert und jede Menge Informationsmaterial. Damit ziehen die Aktivisten - Anwohner, Gewerkschaftler, Umweltschützer und Kirchenmitglieder - von Dorf zu Dorf und organisieren Versammlungen. Im Mai wollen sie ihr Anliegen auf dem Alternativgipfel in Wien erstmals international präsentieren.

Kranke Kinder

Auf halber Strecke zwischen San José in der zentralen Hochebene und dem Karibikhafen Puerto Limón liegt das Kanton Guácimo. Arbeit findet sich für die 40.000 Einwohner eigentlich nur auf den Plantagen. Kleine verschlafene Dörfer liegen verstreut inmitten der Felder - zum Beipiel Cartagena. In die kleine Schule kommt der Nachwuchs aus der ganzen Umgebung, nur ein Graben trennt die auf dem Schulhof spielenden Kinder von Ananaspflanzungen und Pestiziden, die hier gespritzt werden.

Die Kinder bekommen immer wieder Hautausschlag. Außerdem leiden wir hier sehr unter Malaria und Dengue-Fieber. Im Moment ist fast die Hälfte meiner Schüler davon betroffen. Das kommt zu den Flecken auf der Haut dazu. Genau wie regelmäßig Durchfall, Schwindel und Übelkeit mit Erbrechen.

Raina Santos, Schuldirektorin von Cartagena
Hütten der Arbeiter

Da es keine ordentliche Trinkwasserversorgung gibt in der ganzen Gegend, müssen Kinder und Lehrerinnen das Wasser aus einem Brunnen im Garten trinken. An manchen Tagen kommt es dunkelbraun aus dem Hahn. Zudem steht das Nass im Verdacht, mit Chemikalien verseucht zu sein, die durch den Boden von den angrenzenden Feldern in den Brunnen sickern. Bereits viele Male haben sich Eltern und Lehrerinnen an die Behörden gewandt und darum gebeten, die Schule wenigstens an das Trinkwassernetz anzuschließen. Erfolglos.

Das Ausmaß der Belastung durch den Ananasanbau für Mensch und Umwelt ist immens. Betroffen sind ganz besonders die Kinder. Während in Afrika Kinder verhungern, sterben unsere, weil sie von dem Wasser trinken müssen, das vergiftet ist.

Alfredo Erak, Vorstand Gewerkschaft ANEP
Erntearbeiter: Dicke Kleidung gegen Stiche und Schnittwunden bei 40 Grad

Angriff der Vampirfliegen

Doch nicht nur Pestizide und Malariamücken, die in den Abwassergräben brüten, sind eine Belastung für Mensch und Tier. Mit der Ananas kamen auch bislang unbekannte Insekten. Besonders unangenehm ist eine angriffslustige und bluthungrige Art der Stechfliege, gefürchtet als Vampirfliege. Sie brütet in den abgeernteten Resten der Ananaspflanzen und macht sich von dort auf die Reise in die umliegenden Gebiete. In Scharen fallen die kleinen Vampire über die Viehherden der angrenzenden Gehöfte her, sie machen das Vieh nervös und übertragen Krankheiten.

Das Vieh frisst nicht mehr, weil die Stiche der Fliege so schmerzhaft sind. Die Tiere kommen nicht zur Ruhe, weil sie sich den ganzen Tag gegen die Insekten verteidigen müssen. Dadurch verliere ich die gesamte Milchproduktion. Mit dem Fleisch sieht es auch schlecht aus, ich habe Tiere, die auf der Weide nicht kräftiger werden, sondern Tag für Tag Kilo um Kilo verlieren.

Miguel Porras (Landwirt)

Der Gewichtsverlust seiner Rinder bedeutet für Miguel Porras einen Wertverlust seiner Tiere. Ein immenser Schaden, der kaum zu kompensieren ist. Viele Viehbauern mussten ihre kleine Herde bereits verkaufen. Ihr Land übernahmen die Plantagenbesitzer gerne - für einen Spottpreis: Ananas und Fliegen nähern sich somit dem nächsten Weidegrund. Ein Teufelskreis.

Die Natur leidet im Ökotourismusparadies Costa Rica auch unter den exzessiven Anbaumethoden. mit denen die fruchtbaren Böden auf den Ananasplantagen ausgelutscht werden - ohne jede Ruhephase zur Regenerierung. Unersetzlicher Regenwald muss der Ausdehnung der Plantagen weichen, und mit den Pflanzen sterben die Tiere.

Hier leben Affen, Faultiere und viele Vogelarten. Grosse Baumaschinen baggern gewaltige Löcher, schieben die Bäume hinein und begraben mit ihnen auch die Tiere lebendig. Wir haben das fotografiert und auf Video aufgenommen und an das Ministerium geschickt. Aber nichts ist passiert. Das ist ein Verbrechen!

Maria Núñez, Parlamentsabgeordnete aus Guácimo
Rund 80 Prozent der Beschäftigten kommen aus dem benachbarten Nicaragua

Profit für Wenige

Für die globalisierungskritische Abgeordnete ist klar, dass die Regierung sich parteiisch verhält, wenn sie die Einhaltung geltender Gesetze auf den Plantagen nicht ausreichend kontrolliert. Die Plantagenbesitzer - in vielen Fällen sind das direkt die multinationalen Fruchtkonzerne wie Dole oder DelMonte - weisen solche Anschuldigungen zurück. Der Ananasanbau habe dem Land viel Positives gebracht, Tausende neue Arbeitsplätze seien in Costa Rica geschaffen worden; außerdem zahle man auch Steuern an den Staat. Maria Nuñez will das so nicht stehen lassen.

In diesem Land ist die Exortquote gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist aber auch die Armutsrate um 21 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass sich der Reichtum in wenigen Händen konzentriert. Diese Wenigen zahlen kaum Steuern, so dass soziale Investitionen immer weniger werden. Wo sind also die vielen Ressourcen dieser Exporte? In wessen Taschen fließen sie? Der Mehrheit der Costaricaner kommen sie jedenfalls nicht zugute.

Maria Núñez, Parlamentsabgeordnete aus Guácimo

Wie Sklavenarbeit

Eher an Sklavenarbeit erinnern die Arbeitsbedingungen auf Costa Ricas Ananasplantagen. Plantagenarbeiter wollen nicht vor laufendem Mikrofon sprechen; aber was sie berichten, das widerspricht allen Arbeitsgesetzen des Landes.

Dole, DelMonte und Co – verantwortlich sind die gleichen Konzerne, die auch im Bananengeschäft groß sind. Sie alle betreiben eine Ausbeuterpolitik. Auf den Ananasplantagen müssen die Arbeiter unglaublich lange arbeiten, oftmals 15 Stunden, in Extremfällen sogar 24 Stunden. Auch sind die Arbeiter nicht direkt bei den Konzernen angestellt, sondern bei Drittfirmen. Diese zahlen keine Sozialleistungen und die Konzerne sagen, sie seien dafür nicht verantwortlich.

Didier Leitón, Vorstand Plantagenarbeiter-Gewerkschaft COSIBA-CR

So schuften Eltern den ganzen Tag, nur der Sonntag ist frei. Zeit für ihre Kinder haben sie nicht und trotzdem reicht das Geld kaum, um die Familie zu ernähren. Fast 80 Prozent der Arbeiter kommen aus dem benachbarten Nicaragua, viele von ihnen illegal. Die Plantagenbetreiber können sich bei diesen sicher sein, dass sie sich nicht so bald beklagen, sondern stumm den Einsatz unter extremen Bedingungen bei mehr als 40 Grad und heftigen Regengüssen ertragen.

Statt unabhängige Gewerkschaften zuzulassen, bezahlen die meisten Plantagenbesitzer ihr eigenes „Movimiento Solidarista“. Diese sogenannte „solidarische Bewegung“ ist eine gelbe Scheingewerkschaft, sie klärt die Beschäftigten nicht über ihre Rechte auf und organisiert auch keine Proteste. Stattdessen achten ihre Mitglieder mit Argusaugen darüber, dass sich die Arbeiter nicht in einer unabhängigen Gewerkschaft organisieren.

Das soll sich alles ändern, wenn es nach dem Willen der Mitglieder der Kampagne „Stoppt die Ausweitung der Ananasplantagen“ geht. Sie wollen, dass die Einhaltung der Gesetze in Costa Rica endlich kontrolliert wird. Und weil sie im Lande bislang nur auf taube Ohren stießen, möchten sie nun die internationale Öffentlichkeit informieren und einbeziehen.

Wir hoffen durch internationalen Druck mehr erreichen zu können. Durch Sensibilisierung der Verbraucher konnten die Verhältnisse auf den Bananenplantagen verbessert werden, bei der Ananas müssen wir ähnliches erreichen. Die Kampagne diskutiert im Moment, ob es sinnvoll wäre zum Ananasboykott aufzurufen.

Hernan Hermosilla, Foro Emáus