Im Orbit der Erotik: Venus Express

Erfolgreiche Mission auf dem Weg zum Planeten der Liebe, eingehende Beobachtungen der Venus-Atmosphäre für Anfang Mai geplant

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Die meisten Menschen verbinden mit dem Begriff Venus die Göttin der Liebe, Erotik und Schönheit; dies ist bis auf die Antike zurückzuführen. Der Planet Venus, benannt nach dieser Göttin leuchtet neben der Sonne und dem Mond am hellsten am nächtlichen Abendhimmel und gehört neben Sonne, Merkur, Erde und Mars zum inneren Sonnensystem als sechstgrößter Himmelskörper mit einem Durchmesser von 12.103,6 km.

Die Venus wird auch als Schwesterplanet der Erde bezeichnet, denn in Größe, Dichte, Masse und Volumen ähnelt sie sehr der Erde. Damit endet allerdings auch die Parallelität, denn Wissenschaftler haben im Verlauf der letzten Jahre doch erhebliche Unterschiede festgestellt, wie Atmosphäre (96,5 % Kohlendioxid, 3,5% Stickstoff), Luftdruck (93 bar) und Oberflächentemperatur (ca. 468 Grad), um nur einige Beispiele zu nennen.

Venus Express auf dem langen Weg zum Planeten der Liebe

Das Interesse der Wissenschaft war schon lange geweckt und trotz vieler Missionen gibt dieser „erotische“ Planet den Wissenschaftlern noch viele Rätsel auf, die das europäische Projekt „Venus-Express“ zum Teil lüften soll: Mit ihm sollen Struktur, Chemie und Dynamik der Venus-Atmosphäre, die durch extrem hohe Temperaturen, einen starken Druck und einer noch nicht geklärten „Superrotations-Bewegung“ – die Atmosphäre umrundet den Planeten einmal alle vier Erdtage – gekennzeichnet ist, weiter erforscht werden.

Projekt Venus-Express

Am 9. November 2005 trat die 1.240 kg schwere Raumsonde Venus Express, bei der ein Großteil der für Mars Express entwickelten Architektur wieder verwendet wurde, mit Hilfe der russischen Sojus-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur aus ihren langen Weg über eine Distanz von 400 Millionen Kilometern in den Orbit an. Heute trat sie mit komplexen und aufwändigen Manövern in die entscheidende Phase ein. Mit diversen Steuerungsbefehlen, Triebwerkzündungen und Manövern, die die Missionskontrolleure im Raumflugkontrollzentrum der ESA (ESOC) in Darmstadt durchführten, konnte eine Geschwindigkeitsreduzierung durchgeführt werden, damit die Sonde vom Schwerefeld der Venus erfasst werden konnte.

400 Millionen Kilometer musste Venus-Express zurücklegen, um mit komplexen Manövern in die Venus-Umlaufbahn einzuschwenken

Bei ihrem Eintritt wurde Venus Express mit schwierigeren Bedingungen konfrontiert, als dies bei der Mission Mars Express der Fall war. Bei einer Größe, die in etwa der der Erde entspricht, ist die Venus nämlich 7,6-mal massiver als der Mars und hat damit auch ein entsprechend größeres Gravitationsfeld. Um diese stärkere Gravitation auszugleichen und die Sonde in eine elliptische Umlaufbahn mit einem Apozentrum von ca. 350.000 km und einem Perizentrum von ca. 400 km um den Planeten zu transferieren, musste die Sonde ihr Haupttriebwerk für eine Dauer von 53 Minuten zünden, damit ihre Geschwindigkeit von 29.000 km/h unmittelbar vor der ersten Zündung um 15 % abgebremst werden konnte. Hierbei wurde auch der größte Teil der von ihr mitgeführten 570 kg Treibstoff verbraucht.

Venus Express beginnt nun ihren ersten Umlauf um die Venus auf dieser stark elliptischen Bahn; dieser Umlauf dauert etwa neun Tage. In den darauf folgenden Tagen wird durch eine Reihe weiterer Triebwerkzündungen (sieben) und 16 Umdrehungen das Apozentrum der Umlaufbahn sukzessive gesenkt und ihr Perizentrum kontrolliert. Am 7. Mai wird die Sonde dann eine 24-Stunden-Bahn (Zielumlaufbahn) um die Venus erreichen, mit einem Apozentrum von 66.000 km und Perizentrum von 250 km über der Venusoberfläche.

Die Mission

Nachdem Venus Express auf die endgültige Umlaufbahn einschwenkt, beginnt am 22. April die orbitale Inbetriebnahme der Sonde. Ihre Instrumente werden bis zum 13. Mai nacheinander eingeschaltet und gründlich durchgeprüft, anschließend werden sie alle zusammen bzw. in Gruppen betrieben. Dies gestattet die gleichzeitige Beobachtung von zu testenden Phänomenen, so dass zum Beginn der nominalen wissenschaftlichen Phase am 4. Juni alles startklar ist.

Erste Umlaufbahnen-Erforschung der Atmosphäre

Während der ersten Umläufe wird sich die gesamte Scheibe der Venus im Blickfeld der abbildenden Instrumente von Venus Express befinden, was während der nominalen Phase aufgrund der dann geringeren Abstände zur Oberfläche nicht mehr möglich sein wird. Diese Beobachtungen werden sich hauptsächlich auf die südliche Hemisphäre konzentrieren, die bei früheren Missionen nur unzureichend erforscht wurde.

Vor allem die Geometrie der ersten Umlaufbahn ermöglicht die kontinuierliche und eingehende Beobachtung der Dynamik der Atmosphäre aus einer größeren Entfernung über einen vollen Rotationszyklus der Atmosphäre am oberen Ende der Wolken (die nach wie vor nicht erklärte viertägige „Super-Rotation“) übersteigenden Zeitraum hinaus. Beispielsweise kann das Spektrometer im sichtbaren und nahen Infrarotbereich (VIRTIS) aus Entfernungen von über 200.000 km Schnappschüsse der gesamten Scheibe des Planeten und seiner Atmosphäre machen. Während der nominalen wissenschaftlichen Phase hingegen müssen die Abbildungen der Atmosphäre als „Mosaik“ zusammengefügt werden.

Mit dem Gerät zur Analyse von Plasma und energiereichen Atomen (ASPERA) werden erstmals aus großer Entfernung der ungehindert einwirkende Sonnenwind beobachtet und Daten über Entweichungen in die Atmosphäre auf einem Planeten ohne magnetischen Schutz gesammelt werden können. Mit Ausnahme des Radiosondierungsexperiments VeRA und des PFS-Spektrometers können auf der ersten Umlaufbahn alle Venus-Express-Instrumente zu ausgewählten Zeitpunkten für einige Stunden pro Tag Beobachtungen durchführen. Venus Express soll über zwei Venustage, was 486 Erdtagen entspricht, wissenschaftliche Beobachtungen durchführen

Eine Fülle wissenschaftlicher Untersuchungen

Die „Augen“ der Sonde umfassen eine Kombination aus Spektrometern (das Planeten-Fourier-Spektrometer PFS und das Atmosphärenspektrometer im ultravioletten und Infrarotbereich SpicaV/SOIR), abbildenden Spektrometern (das abbildende Spektrometer im ultravioletten, sichtbaren und nahen Infrarotbereich VIRTIS) und Abbildungsgeräten (die Venus-Beobachtungskamera VMC).

Erfolgreicher Start der Venus-Sonde am 9. November 2005 mit der russischen Sojus-Fregate-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur

Diese Instrumente sind in unterschiedlichen elektromagnetischen Wellenlängen vom Ultraviolett- bis zum Infrarotbereich äußerst empfindlich und werden eine eingehende Untersuchung der Atmosphäre und ihrer Wechselwirkung mit der Oberfläche der Venus gestatten. Außerdem führt die Sonde das Magnetometer MAG und die bereits erwähnten Instrumente ASPERA und VeRA mit, die die Wechselwirkung zwischen der Atmosphäre und dem nie nachlassenden Sonnenwind erforschen werden.

Venus Express wird sich erstmals die so genannten „Infrarot-Fenster“ zunutze machen, kleine atmosphärische Lücken im Infrarotbereich des Spektrums. Durch diese Fenster lassen sich wertvolle Erkenntnisse über die unteren Schichten der Atmosphäre und sogar die Oberfläche gewinnen. Und so wird vielleicht die moderne Astrophysik mit naturwissenschaftlichen Methoden und Verfahren der Mystik der Venus ein wenig mehr zu Leibe rücken und ihr erotisches Geheimnis transparenter machen.