Gefährdung der nationalen Sicherheit

Nach Deutschland und der Schweiz sind nun auch dänische Journalisten wegen der Veröffentlichung von geheimen Informationen, die die Lügen der Regierung zum Irak-Krieg aufdeckten, in die Schusslinie geraten

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Nicht nur in den USA ist es nicht nur für Geheimdienstmitarbeiter riskanter geworden, geheime Informationen weiterzugeben. Auch für Journalisten, die geheime Informationen veröffentlichen, wird es unangenehmer. Jetzt könnte es in Dänemark, dessen Regierung doch angeblich so hinter der Pressefreiheit steht, wie es noch im Konflikt über die Mohammed-Karikaturen schien, zwei Journalisten und den Chefredakteur einer großen Zeitung treffen.

Das scharfe Vorgehen gegen Journalisten, das die Pressefreiheit in Frage stellt, haben Bruno Schirra und Cicero-Chefredakteur Wolfram Weimer merken müssen, die denen eine Anzeige wegen „Beihilfe zum Geheimnisverrat“ droht, nachdem Schirra in der Zeitschrift Cicero in einem Artikel über al-Sarkawi Informationen aus einem vertraulichen BKA-Bericht veröffentlicht hatte (Schilys (vorerst) letzter Kreuzzug). Klage droht auch dem Auslandschef der schweizerischen Zeitung Sonntagsblick Johannes von Dohnányi, der den Bericht angeblich erhalten und an seinen Cicero-Kollegen weitergereicht hat.

Ähnliche Probleme haben drei Journalisten des SonntagsBlicks (Chefredakteur Christoph Grenacher sowie die Redakteure Sandro Brotz et Beat Jost), weil in einem Artikel vom Januar 2006 ein Fax ägyptischer Behörden über angebliche geheime CIA-Gefängnisse in Europa veröffentlicht wurde, das vom Schweizer Geheimdienst mit dem Lauschsystem Onyx abgefangen und als "geheim" klassifiziert worden war (Abgefangenes Fax bestätigt die Existenz von CIA-Gefängnissen in Osteuropa). Gegen sie ermitteln Militärjustiz und Bundesanwaltschaft. Nach dem Militärgesetz können die Journalisten wegen der Veröffentlichung einer als geheim eingestuften Information zu einer Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren verurteilt werden. Allerdings wurde, wie der SonntagsBlick berichtete, das Fax angeblich von einem Reisenden in Zug unter dem Sitz am Boden gefunden. Er soll es der Zeitung übergeben haben.

Am letzten Donnerstag wurden nun Michael Bjerre und Jesper Larsen, zwei Journalisten der dänischen Zeitung Berlingske Tidende, angeklagt, weil sie mit der Veröffentlichung von drei Artikeln im Februar und März 2004 die nationale Sicherheit gefährdet hätten. Bekanntlich hatte sich die dänische Regierung der Koalition der Willigen angeschlossen und hat Soldaten in den Irak geschickt. Noch immer sind 500 Soldaten im Irak im Einsatz. Die Regierung hatte wie die britische und US-amerikanische 2003 vor der Abstimmung über die Entsendung der Soldaten behauptet, dass das Regime über Waffenvernichtungswaffen verfüge. Auch der 2005 wiedergewählte Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen hatte die Beteiligung am Irak-Krieg mit sicherem Wissen über die Massenvernichtungswaffen begründet.

Frank Grevil, ein Geheimdienstoffizier, hatte der Zeitung anonym Auszüge aus einem Geheimdienstbericht zugeschickt, in denen ein entgegen gesetztes Ergebnis zu lesen war. Die Zeitung veröffentlichte Ausschnitte, Grevil wurde schnell als Quelle entdeckt, entlassen und dann zu vier Monaten wegen Geheimnisverrats verurteilt. Er habe nur den Missbrauch der Geheimdienstinformationen durch die Regierung aufdecken wollen, sagte Grevil.

Zwei Jahre später also ergeht eine Klage gegen die Journalisten, die aufgrund der ihnen übermittelten Geheimdienstberichte eigentlich nur belegten, dass die Regierung die Öffentlichkeit und Parlament angelogen hatte. Die Nichtexistenz von Massenvernichtungswaffen ist längst Tatsache und wurde auch von der dänischen Regierung eingestanden. Nun werden die Journalisten nicht nur angeklagt, weil sie geheime Informationen illegal veröffentlicht haben, sondern auch deswegen, weil die Veröffentlichung die nationale Sicherheit gefährdet habe, aufgrund dessen eine Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren verhängt werden kann. Das ist natürlich absurd, gefährdet war dadurch höchstens die Regierung. Wie Reporter ohne Grenzen berichten, wurde inzwischen auch der Chefredakteur Niels Lunde angeklagt.

Diese Anklagen sind für ein Land wie Dänemark, das zu den Ländern zählt, die die Pressefreiheit am meisten achten, überraschend und schockierend. Sie können einen gefährlichen Präzdenzfall schaffen.

Reporter ohne Grenzen

Auch die Internationale Journalistenvereinigung IFJ protestiert scharf gegen die Anklage:

Die Entscheidung, gegen die Journalisten strafrechtlich vorzugehen, die nur beschuldigt werden, die Wahrheit über die fehlende Information zu berichten, mit der die Regierung ihre Behauptung vor der Irak-Invasion begründete, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt, ist eine schwere Verletzung der Pressefreiheit. Diese Journalisten werden betsraft, weil sie Informationen veröffentlicht haben, die eine wichtige außenpolitische Entscheidung in Frage gestellt und die Regierung in Bedrängnis gebracht haben.

IFJ-Generalsekretär Aidan White