"Komet rast auf die Erde zu"

Die Bild-Zeitung schürt Ängste vor einem möglichen Einschlag im Mai, die Fragmente von 73P/Schwassmann-Wachmann 3 werden aber mehr als 8 Millionen Kilometer an der Erde vorbeifliegen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

„Komet rast auf Erde zu – Forscher in großer Sorge. 200 Meter hohe Flutwelle im Atlantik?“ Es ist die übliche Story der Bild-Zeitung, die stets das Optimale aus irgendwelchen Neuigkeiten herausholen will, um Erregung zu schaffen, weil das die Leser wünschen. Wer sich wirklich informieren will, dürfte wohl nicht Bild lesen. Wer auf Erregung aus ist, dürfte nicht auf Wahrheit fixiert sein. Die „Artikel“ von Bild auf ihre Wahrheit zu überprüfen, ist daher zwar lobenswert, wird aber nichts bewirken. Die meisten Leser werden wohl den Aussagen nicht wirklich glauben, aber sie schätzen es, mit vermeintlichen Skandalen, Katastrophen und anderen wunderlichen Ereignissen, Personen und Dingen konfrontiert zu werden. Die tägliche Dosis an Wunderbarem eben.

Der 1995 zerfallende Komet 73P/Schwassmann-Wachmann 3. Bild: Nasa

Jetzt haben die stets emsig suchenden Bild-Journalisten eine neue Sensation ausgemacht – und man muss sich schon wundern, wie angestrengt sie Wahrscheinlichkeit mit dem Möglichen zu vereinen suchen. Der Komet mit dem wenig spektakulären Namen 73P/Schwassmann-Wachmann 3, der erstmals am 2. Mai 1930 von den Astronomen Arnold Schwassmann und Arno Arthur Wachmann entdeckt wurde, ist bereits 1995 in drei Mini-Kometen auseinander gebrochen, später wurden weitere beobachtet. Vor wenigen Tagen meldete die Nasa, dass mittlerweile der Komet in weitere 30 Teile zerfallen ist. Zwischen 12. und 28. Mai würden diese Teile nahe an der Erde vorbeifliegen – relativ nahe, müsste man sagen, denn näher als 8,8 Millionen Kilometer werden sie sich ihr nicht nähern. Kein Grund, in Aufregung zu verfallen.

Das beeindruckt die Bild-Zeitung allerdings wenig, die schreibt: „Steht die Erde am Rand einer Katastrophe? Schon am 25. Mai, so die dramatische Warnung, könnte ein Kometen-Trümmer (so stand es im Artikel) in den Atlantik stürzen und eine 200 Meter hohe Flutwelle auslösen!“ Bild beruft sich auf den „französischen Kometenforscher und Autor Eric Julien“, der wohl einmal bei der französischen Luftwaffe gearbeitet, ansonsten aber durch UFO-Forschung hervorgetreten ist. Julien will sich einen Namen machen und hat für die Warnung vor der Mai-Katastrophe gleich eine Website gemacht: Saves Lives in May.

Die Gefahr will der gute Mann irgendwie durch Kornkreise zeigen. Egal, die Bild findet den Gedanken an eine Flutwelle wie den Tsunami Ende 2004 offenbar attraktiv, führt zwar – so macht man das journalistisch – die gegenteilige Meinung der Nasa an, hält sich aber weiter an die vorhergesagte Katastrophe des französischen Experten. Und ist es nicht tatsächlich schön, wenn ausgerechnet ein „sterbender Komet“ auf die Erde zurast und Unheil verspricht?

Nach den Berechnungen der Nasa kann man zwar die Gelegenheit nutzen, den Kometen zu beobachten, aber eine Gefahr besteht nicht, schließlich werden die Teile in einem mehr als 20 Mal so großem Abstand an uns vorbeifliegen, wie der Mond von der Erde entfernt ist. Der größte Teil des sowieso relativen kleinen Kometen, das Fragment C, wird am 12. Mai in einer Entfernung von fast 12 Millionen Kilometern an der Erde vorbeifliegen. Die Chancen einer Verirrung sind äußerst gering.

Fragment C am 1. Mai 2006. Bild: Ralf Vandebergh

Es wird also auch wieder nichts mit der großen Katastrophe, mit der Bild ihr Spiel treibt und die gleichwohl jederzeit eintreten könnte. Die Wahrscheinlichkeit ist groß. Gerade erst haben wieder Wissenschaftler eine Möglichkeit vorgeschlagen, wie man einen solchen Einschlag auf die Erde abwehren könnte. Französische Wissenschaftler sagen, man könnte einen kleinen Asteroiden einfangen und ihn in einer Umlaufbahn parken. Sollte sich ein Asteroid oder Komet nähern, könnte man ihn so bewegen, dass deren Bahn abgelenkt würde. Andere Pläne, beispielsweise der ESA, gehen dahin, eine Rakete in einen Asteroiden zu schießen, um ihn aus seiner Bahn zu bringen. Mit beiden Vorschlägen könnte aber der Komet oder Asteroid wie 73P/Schwassmann-Wachmann 3 zerfallen und damit ein Teil unvorhergesehen auf die Erde aufschlagen.