Bruchlandung in den Medien

Air Berlin musste in letzter Minute den Börsengang verschieben. Analysten warnten vor hohen Risiken und "Überflieger" Johannes B. Kerner geriet in die Schlagzeilen

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Joachim Hunold ist spendabel - zumindest wenn es um Medienleute geht. Der Air Berlin-Chef gewährt Journalisten einschließlich Begleitpersonen 50% Nachlass auf die Ticketpreise. Nur in der Hauptsaison müssen auch Inhaber von Presseausweisen 75% der normalen Tarife bezahlen. Rund 76.000 der insgesamt 13,5 Millionen Gäste der zweitgrößten deutschen Fluglinie hoben im vergangenen zu diesen Vorzugskonditionen ab. Journalisten zeigten sich denn auch häufig erkenntlich - mit freundlichen Erfolgsstorys über den Billigflieger oder durch Zurückhaltung in der Berichterstattung, wenn’s mal nicht so gut lief.

Foto: Horst Müller

„Mein Freund Joachim Hunold“

Auch in großen Fernsehshows ist die Fluglinie regelmäßig präsent. In der März-Sendung von „Wetten dass“ bot Schauspielerin Veronika Ferres als Wetteinsatz an, dass sie an Bord einer Maschine „von meinem Freund Joachim Hunold“ die Passagiere mit Getränken und Snacks versorgen wolle. Ganz ging der Plan nicht auf. Wettkandidat Jürgen Weishaupt aus Tettnang erkannte 60 Samensorten am Schütteln der Tüten. Der erhoffte Nachbericht über die Einlösung der Wette an Bord eines Air Berlin-Jets fiel aus.

Dafür durfte Hunold persönlich im November des vergangenen Jahres bei Johannes B. Kerner mit Politikern wie Kurt Beck und Oskar Lafontaine über das Thema „Was bringt Schwarz-Rot und Deutschlands erste Kanzlerin?“ debattieren. Der bekennende CDU-Wähler zeigte sich „enttäuscht über die politische Entwicklung im Land“, forderte „mehr unternehmerische Freiheiten“ und bot bald darauf seinem Freund Kerner einen gut dotierten Werbevertrag an. Seit Anfang März strahlte der TV-Talker auf großflächigen Plakaten und versicherte in Fernsehspots „Ich bin ein Airberliner“. Als Hunold den Börsengang für Anfang Mai vorbereitete, war Kerner natürlich mit dabei und forderte per Werbebotschaft „Air Berlin geht an die Börse. Jetzt zur Bank“.

Warnung vor „Kerner-Aktie“

Diesmal lief’s allerdings nicht wie geschmiert. Analysten und Aktienschützer hatten schon seit geraumer Zeit vor der „Kerner-Aktie“ gewarnt. Die anvisierte Spanne des Ausgabepreises zwischen 15 und 17,50 Euro sei angesichts der unsicheren Aussichten für die Flugbranche wegen der hohen Treibstoffpreise überzogen. Zudem hatte Air Berlin in den beiden vergangenen Jahren Verluste eingeflogen. 2005 waren das immerhin rund 116 Millionen Euro bei einem Gesamtumsatz von gut 1,2 Milliarden Euro.

Und diesmal bewahrten Journalisten keine höfliche Zurückhaltung. Was seit gut einer Woche an Berichterstattung über Hunolds Fluglinie und zunehmend auch über Moderator Kerner hereinbricht, kann wohl zutreffend als Bruchlandung in den Medien bezeichnet werden. Die WirtschaftsWoche bildete auf der Titelseite eine Karikatur von Johannes B. Kerner als Lügenbaron auf einer Air Berlin Maschine ab. Die Frage „Wer fliegt auf diese Aktie?“ beantwortete das Blatt im eigenen „Neuemissions-Check“ niederschmetternd mit der Risikoeinschätzung „hoch“ und der eindeutigen Empfehlung „nicht zeichnen“. Auch Bild am Sonntag warnte seine Leser „Hohes Risiko für Kleinanleger“.

Dumm gelaufen

Hinzu kam, dass Kerner immer wieder im Zusammenhang mit der Affäre um seinen Ex-Sat.1-Kollegen Reinhold Beckmann genannt wurde. Der hatte im März in seine ARD-Talksendung das Thema „private Altersvorsorge“ gehievt, obwohl er erst wenige Wochen zuvor als prominentes Testimonial für die Versicherungsgruppe „WWK“ angetreten war. Nun nahmen Journalisten auch die geschäftlichen Verbindungen Kerners zu seinen Talkgästen ins Visier. Dabei förderte Enthüllungsjournalist Hans Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung zutage, dass Kerner seinem Freund Hunold wiederholt öffentliche Auftritte verschafft hatte, unter anderem auch in der eigenen Talkshow. Leyendeckers Fazit: „Dumm gelaufen“.

Die geballten Negativberichte in den Medien haben wohl dazu beigetragen, dass die Air Berlin-Aktie inzwischen zum Ladenhüter wurde. Der für den 5. Mai vollmundig angekündigte Börsengang wurde ohne offizielle Angabe von Gründen verschoben und die Zeichnungsfrist zunächst bis zum 10. Mai verlängert. Indes scheint Überflieger Kerner das Vertrauen in die eigenen Werbebotschaften noch nicht verloren zu haben: „Ich werde Aktien von Air Berlin zeichnen - und nicht nur pro forma“, versicherte er der Berliner Morgenpost.