Zu dumm, um beleidigend zu sein?

Popetown: Viel Rummel um eine fade TV-Serie

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Selten hat ein relativ unwichtiges Ereignis soviel medienpolitischen Wirbel ausgelöst wie die bislang lediglich beabsichtigte komplette Ausstrahlung der Comicstripserie "Popetown" bei MTV. Doch bei Licht betrachtet ist dies nicht angemessen.

Der Hintergrund des Konflikts besteht letztlich darin, dass innere Verhältnisse des Vatikans zum Gegenstand einer Comic-Satire gemacht wurden. Angesichts der Empfindlichkeit religiöser Institutionen gegen Satire und Kritik, die in gewisser Weise als eine Art Entheiligung angesehen werden, konnte es kaum ausbleiben, dass die Ausstrahlung dieser Sendung durch eine einstweilige Verfügung verhindert werden sollte. Nicht völlig überraschend hat das Landgericht München I jedoch den Antrag der Erzdiözese München - Freising in einem Beschluss zurückgewiesen.

I. Gegenstand der Comic-Serie und die öffentliche Kritik

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, politisch wie kulturell. Soweit ersichtlich hat Popetown als Hauptdarsteller einen "durchgeknallten Papst" und einen "kriminellen Kardinal", die unter anderem in Todesfälle und die "Versklavung von Kindern" verwickelt werden. Die Kardinäle sind durchgehend korrupt.

Hinzu kommt, dass der Papst als Comicfigur gezeigt wird, die auf einem als Springstock zweckentfremdeten Kreuz, zusätzlich mit Nägeln auf die Kreuzigung Christi hinweisend, durch den Vatikan hüpft. Dieser Papst äußert etwa, dass verkrüppelte Waisenkinder Schmarotzer seien, dass er sie wie die Pest hasse, und dass sie zu empfangen "total Scheisse" sei.

Eine derartige Wortwahl ist im Vatikan der Gegenwart - wie immer man ihn konkret sieht - sicher unüblich. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass Überzeichnung und Verfremdung entscheidende Gestaltungsmerkmale der Satire sind und meist überspitzte Werturteile mit starken fiktionalen Komponenten und nicht etwa Tatsachen geäußert werden.

Dies alles mag geschmacklos sein und verletzt sicher die religiösen Gefühle vieler Menschen, aber es ist deswegen nicht ohne weiteres eine rechtswidrige Verunglimpfung eines religiösen Bekenntnisses. Religiöse Gefühle und Weltanschauungen sollten in einem Klima gegenseitiger Toleranz ernst genommen werden. Jedoch sollte die jeweils eingeforderte Toleranz auch selbst gewährt werden. Dies zeigt sich insbesondere im Umgang mit "Ketzerei". Schließlich steht auch die Institution Kirche nicht jenseits der Kritik, sondern bewegt sich in einem pluralistisch geprägten Europa mit einer allerdings deutlich durch das Christentum geprägten Geschichte.

Das Problem ist hier eine angemessene Grenzziehung zur Verunglimpfung einer Religion oder Weltanschauung, sei es rechtlich, moralisch oder medienethisch. Es geht vorliegend um den mitunter schmalen Grad zwischen polemisch überzeichnender Satire und der Verunglimpfung einer bestimmten Religion durch eine Fernsehserie.

In einer Werbekampagne für diese Serie war ein vor dem Televisor sitzender, nackter Jesus mit Wundmalen zusehen, der den Satz von sich gab: "Lachen statt rumhängen". Die Praxis der römischen Kreuzigungspraxis - der auch Christus zum Opfer fiel - gibt zum Gelächter auch heute sicher keinen Anlass. Korrupte Kardinäle hingegen dürfte es im Verlauf der langen Geschichte dieser Institution hin und wieder gegeben haben. Eine traditionsreiche Institution wie die katholische Kirche ist ohne "schwarze Schafe" angesichts einer rigiden Sexualmoral und zahlreichen Verbindungen zur realen Wirtschaftswelt kaum denkbar.

Ob diese Serie einen künstlerisch-ästhetischen Wert hat, kann hier offen bleiben. Vermutlich bewegt sie sich in derzeitigem Strom der Boulevardisierung von Medien und Presse, von der die Medienkultur der "Spaßgesellschaft" derzeit erheblich gekennzeichnet ist. Auch die Zeitungen passen sich den Zeiten an und werden immer niveauloser. Man kann solche Serien auch als Zeitvertreib für solche sehen, die sich die Zeit nicht anders als durch den Konsum von "Kulturschrott" zu vertreiben wissen. Den betreffenden Anschaltknopf zu betätigen, muss aber jedem selbst überlassen bleiben. Gerade der Medienfreiheit kommt in einer pluralistischen Gesellschaft eine hohe Bedeutung zu.

Bei dieser - wohl zehnteiligen - Serie handelt es sich allerdings um eine britische Produktion der BBC, die in Großbritannien selbst nie ausgestrahlt wurde. Vor drei Jahren spielte sich in Großbritannien ähnliches ab wie jetzt in Deutschland. Ähnliches hatte sich auch in Italien abgespielt, wo der der Privatsender Canal Jimmy Italy - eine Konzerntochter der französischen Canal + - nach dem Tod von Johannes Paul II. auf eine Ausstrahlung ebenso verzichtete wie ein Sender in Neuseeland, wo dies allerdings gelassener betrachtet wurde. Auf der Messe in Cannes 2005 fand die Serie keine Abnehmer, was nicht weiter verwunderlich ist, da die politischen Kosten der Verbreitung die zu erwartenden Einnahmen weit übersteigen könnten.

Jedenfalls hatte sich der Fernsehsender MTV entschlossen, die Rechte an dieser Serie zu erwerben, sie auf deutsch synchronisieren zu lassen und sie irgendwann zu senden. Da in Fragen der Religiösität wieder oder immer noch eine hohe Sensibilität herrscht und gerade auch Satiren zu heftigen Gegenreaktionen führen, konnte Widerspruch nicht ausbleiben. Er erfolgte schon, als nur wenige mehr von dieser Serie wussten als den Namen und nur eine ungefähre Beschreibung des Gegenstandes der Comic-Serie bekannt war, von der bislang nur eine Testfolge verbunden mit einer oberflächlichen Podiumsdiskussion ausgestrahlt wurde, deren Inhalt vernachlässigt werden kann. Allerdings wurden Proben der Presse zugänglich gemacht.

Was bislang zu sehen war, dürfte als harmlos, ungefährlich und - mit Verlaub - dümmlich und überflüssig einzuschätzen sein. Gewisse Parallelen zu den seinerzeitigen Reaktionsmustern des Vatikans zu "Das Leben des Brian" drängen sich förmlich auf, auch wenn dieser Film im Vergleich einen deutlich hervortretenden künstlerischen Wert hatte und heute noch viele Fans hat.

Aufrufe der schnell herbeigeeilten bayerischen CSU, die Serie nicht auszustrahlen, führten rasch zur Forderung das Strafrecht zu verschärfen und den Tatbestand der Gotteslästerung wieder in vollem Umfang einzuführen, der erst im Jahr 1969 aus dem deutschen Strafgesetzbuch entfernt worden war (näher, Leutenbauer, Das Delikt der Gotteslästerung in der bayerischen Gesetzgebung, Böhlau, 1984).

Ein über § 166 StGB i.d.g.F. hinausgehendes Strafbedürfnis ist jedoch nicht erkennbar. Es handelt sich bei diesen Forderungen, wie so oft in der Strafrechtspolitik, um "symbolische Politik" mit dem Ziel, die Hoheit über gewisse Stammtische zu erhaschen. Da dies alles nicht hinreichend erschien, erstattete der Fraktionsvorsitzende der CSU im Bayerischen Landtag Strafanzeige wegen Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses nach § 166 StGB, der lediglich eine Beschimpfung des religiösen Bekenntnis unter Strafe stellt, die zu einer Störung des öffentlichen Friedens führt. Eben das letztgenannte Tatbestandsmerkmal spielt hier eine entscheidende Rolle.

Im weiteren Verlauf dieses Diskurses entstand im Netz eine Gegenbewegung zu "Popetown", die aus der Besorgnis entstanden ist, dass diese Serie den römisch-katholischen Glauben gefährden könnte, was sogar der Philosophie der Aufklärung und ihren Nachfolgern nicht gelungen ist, zumal Gott nach Auschwitz vollends unbegreifbar geworden ist. Als Beispiel mag einerseits "Stoppt Popetown", andererseits "Antipopetown" dienen. Dort werden auch Unterschriftenaktionen gegen dieses Projekt geführt, was als Mittel der netzpolitischen Auseinandersetzung völlig legitim ist.

In dieser Situation schlug der Sender den klugen Weg ein, einen letztlich ergebnisoffenen, öffentlichen Dialog über diese Serie führen zu wollen, der aber zunächst über das LG München I führte.

II. Das rechtliche Vorgehen

Da die Erzdiözese München-Freising sich diese Sendung nicht bieten lassen wollte, beantragte sie bei der 9. Zivilkammer des Landgerichts München I, der sog. "Pressekammer", den Erlass einer einstweiligen Verfügung maßgeblich aus § 823 II BGB i.V.m. § 166 StGB (Beschimpfung des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses) sowie ergänzend § 185 StGB (Beleidigung) gegen den privaten Fernsehsender MTV (Az 9 O 8051/06), um zu erreichen, dass der Sender die Verbreitung dieser Sendung und die Ausstrahlung unterließ. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich, da insbesondere ein sozialer Geltungsanspruch im Zusammenhang mit einem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einer juristischen Person nicht verletzt sein dürfte, weil es sich nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, die in derartigen Fällen nur wegen der Verletzung von Äußerungsdelikten nach §§ 166, 185 ff StGB i.V.m. mit § 823 Abs.2 BGB vorgehen kann (BGH, NJW 1983, 1183 - Vetternwirtschaft).

Der Sache nach handelte es sich um einen sog. vorbeugenden Unterlassungsanspruch, da die Ausstrahlung zum Zeitpunkt der Sendung noch nicht erfolgt war (Pressemitteilung des erzbischöflichen Ordinariats).

Im Vorfeld hatte der Sender nach Abmahnung keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Er kündigte stattdessen öffentlich an, eine Podiumsdiskussion im Fernsehen veranstalten zu wollen, in deren Rahmen eine Episode gesendet werden sollte. Die Ausstrahlung weiterer Folgen ließ der Sender offen. So geschah es dann auch.

Diese Vorgehensweise erschien dem Erzbischöflichen Ordinariat jedoch nicht hinreichend, weil dadurch die Proteste gegen eine Verunglimpfung zentraler Glaubensinhalte und Symbole des Christentums auch noch zu den Bedingungen von MTV vermarktet würden, wie es in der Pressemitteilung hieß.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO beruht im wesentlichen darauf, dass davon ausgegangen wird, dass der objektive Tatbestand einer Beschimpfung gläubiger Christen und ihres religiösen Bekenntnisses nach § 166 StGB gegeben ist, der über § 823 Abs.2 BGB auch zivilrechtliche Relevanz erlangen kann. Insbesondere ging der Antrag davon aus, dass die Darstellung des vom Kreuz herabgestiegenen, fernsehenden Christus unter der Überschrift "Lachen statt rumhängen" geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören.

Bei § 166 StGB handelt es sich um ein sog. "abstraktes oder potentielles Gefährdungsdelikt", bei dem der Eintritt einer tatsächlichen Störung nicht erforderlich ist, sofern nur die Schwelle des Vorliegens berechtigter Gründe für die Befürchtung des Eintritts einer Störung dieses Friedens überschritten wird. Dabei wird zwar nicht darauf abgestellt, dass bereits ein Klima offener oder latenter Feindschaft entstanden sei, sondern dass es ausreiche, wenn Menschen nicht mehr in einer Gesellschaft leben könnten, ohne befürchten zu müssen, um ihres Glaubens willens Schmähungen ausgesetzt zu sein. Empirisch ist dies schwer festzustellen. Eine Schmähung bewegt sich stets jenseits der Schwelle sachlicher Kritik und hat eine unsachliche Verunglimpfung zum Gegenstand.

Nach Auffassung der Erzdiözese richtet sich die Verächtlichmachung gegen das Papsttum und die dadurch verkörperte katholische Kirche als Ganzes, was nicht zuletzt aufgrund des Handlungsortes angenommen wurde, da die Serie in St. Peter (Rom) und im Vatikanstaat spielt. Der katholische Glaube und die katholischen Einrichtungen würden der Lächerlichkeit preisgegeben, ohne dass die Grundrechte der Meinungsfreiheit, der Medienfreiheit und der Kunstfreiheit dem entgegenstehen würden.

III. Die Entscheidung des LG München I

Im Gegensatz zur Antragstellerin sah das LG München I keine Verletzung des § 166 StGB. Den diesbezüglichen Antrag des Erzbistums München und Freising auf Untersagung der Ausstrahlung lehnte die 9. Zivilkammer des Landgerichts München I am 3.5.2006 durch Beschluss ab (Az. 9 O 8051/06), wie einer ausführlichen Pressemitteilung des Gerichts entnommen werden kann.

Damit steht einer Ausstrahlung derzeit rechtlich nichts mehr im Weg. Sie vorzunehmen, könnte aber medienethisch bedenklich sein. Gegen diesen Beschluss ist die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde nach § 567 ZPO gegeben, so dass eine Entscheidung des OLG München in dieser Sache nicht auszuschließen ist.

Der Entscheidung war ein richterlicher Vergleichsvorschlag vorausgegangen, demzufolge die Antragstellerin einem abgeänderten Konzept der Antragsgegnerin zustimmen sollte, das die vorgesehene Ausstrahlung der ersten Zeichentrickfolge in eine Live-Diskussion einbetten sollte. Im Gegenzug sollte sich die Antragsgegnerin verpflichten, auf eine Ausstrahlung der weiteren neun Folgen der Serie endgültig zu verzichten. Diesen Vergleichsvorschlag lehnte die Antragstellerin allerdings ab.

Das LG München I lehnt die Auffassung, dass sich vorliegend ein Untersagungsgebot aus dem strafrechtlichen Verbot der Beschimpfung von Bekenntnissen gemäß § 166 StGB ergibt, mit überzeugender Begründung ab.

Zweifel bestehen hier schon am Vorliegen einer Beschimpfung als einer rohen, besonders verletzenden Kundgabe der Missachtung, weil insoweit die Verwendung der Stilmittel der Satire zu berücksichtigen ist (anders als im Fall OLG Celle, NJW 1986, 1275 - Verbrecherorganisation). Die Gesetzesfassung des § 166 StGB trägt der Freiheit der Meinungsäußerung, der Medienfreiheit und der Freiheit der Kunst bereits Rechnung, so dass diese Norm eine kritische Auseinandersetzung nicht verhindern will und soll, da diese Norm die betreffenden Grundrechte selbst auch schützt, so dass auch bei Vorliegen einer Beschimpfung eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen ist.

Der Schutzzweck des Tatbestandsmerkmals des "Beschimpfens" umfasst grundsätzlich weder die Ablehnung noch das Verspotten, da dieses nur lächerlich, nicht aber verächtlich macht. Erforderlich ist daher jedenfalls eine schwerwiegende Verletzung des aus dieser Norm folgenden Toleranzgebotes bereits im Rahmen der Beschimpfung (OLG Karlsruhe, NStZ 1986, 364; OLG Köln, NJW 1982, 657; LG Bochum, NJW 1989, 727).

Die Kammer geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass zwar die Ankündigung der fraglichen Sendung vielfältige Reaktionen hervorgerufen hat, diese jedoch nicht geeignet seien, den öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen, da sie sich sämtlich auf der Ebene des sachlichen Diskurses bewegen. Das Gericht orientiert sich augenscheinlich am vorstehend skizzierten Normzweck des § 166 StGB, der maßgeblich darin besteht einen rational-moralischen Diskurs über religiöse Fragen zu sichern, ohne das weltanschauliche Bekenntnis eines anderen oder einer Religions- oder Glaubensgemeinschaft zu diffamieren.

In diesem Zusammenhang lässt sich durchaus die Frage aufwerfen, ob der § 166 StGB Satiren überhaupt betrifft. Da sich die vorliegende Problematik bereits auf der einfachrechtlichen Ebene des § 166 StGB durch Auslegung lösen ließ, bedurfte es begründungstechnisch keines Rückgriffs auf die Grundrechte der Medienfreiheit, der Meinungsfreiheit und der Kunstfreiheit auf Seiten der Antragsgegnerin in Abwägung zum Grundrecht der Glaubensfreit des Art. 4 GG.

Die Kammer schloss sich ausdrücklich der Sichtweise des Sprechers der katholischen Kirche Neuseelands an, der laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung die Auffassung vertreten hatte, dass "die Sendung zu dumm sei, um beleidigend zu sein". In der Tat hat dieser Rechtsstreit diese Serie allenfalls unnötig aufgewertet. Die Kammer konnte nach eingehender Analyse nicht feststellen, dass die Sendung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Die Kammer führt in Ihrem Beschluss wörtlich aus:

§ 166 StGB dient [...] zuvörderst dem Schutz des öffentlichen Friedens und nicht dem Schutz des einzelnen Gläubigen oder einzelner Religionsgemeinschaften" (AZ: 9 O 8051/06). "Richtig ist zwar, dass bereits die Ankündigung der fraglichen Sendung und deren Bewerbung durch die Antragsgegner vielfältige Reaktionen hervorgerufen haben. Diese bewegten sich jedoch sämtlich auf der Ebene des sachlichen Diskurses mit den Vorabveröffentlichungen, ohne die Gefahr einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Dimension zu erreichen.

Der öffentliche Friede sei gestört, [...] wenn die inkriminierte Handlung die Besorgnis zu begründen geeignet ist, der Friedenszustand oder das Vertrauen in seine Fortdauer werde mindestens in Teilen der Bevölkerung erschüttert oder deren Neigung zu Rechtsbrüchen angeheizt.

Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist für die Kammer jedoch fragwürdig: "Dies erscheint hier doch mehr als fraglich." Die Kammer führte hierzu weiter aus, dass "nicht jede Veröffentlichung, die an den Empfindungen anderer rührt, mag sie auch geschmacklos oder schlicht dümmlich sein, eine Beeinträchtigung des öffentlichen Friedens zu besorgen geeignet ist. Neben der Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses hat das Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens durchaus eigenständige Bedeutung."

Dies hatte bereits zuvor das OLG Nürnberg in einer strafrechtlichen Entscheidung ähnlich gesehen. Es fehlt vorliegend an einer schwerwiegenden Verletzung des Toleranzgebotes, wobei zu berücksichtigen ist, dass unter der Geltung des Grundgesetzes niemand zu einem bestimmten Glauben verpflichtet werden kann.

Die Kammer ließ angesichts des eindeutigen Ergebnisses in der Sache die interessante Frage offen, ob aus § 823 II i.V.m. § 166 StGB überhaupt ein aktives Klagerecht einer Religionsgemeinschaft folgt, da der Schutzgesetzcharakter des § 166 StGB für § 823 Abs.2 BGB umstritten ist. Die Gegenauffassung geht davon aus, dass diese Norm nur den öffentlichen Frieden schützen soll, ohne jedenfalls auch individuelle Interessen auch juristischer Personen zu schützen. Auf den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB ging die Kammer - soweit ersichtlich - nicht näher ein. Auch er scheitert am Vorliegen einer Verächtlichmachung.

Die besonnene Entscheidung verdient Zustimmung, denn sie sichert auf der Ebene der Auslegung des § 166 StGB ein weitreichendes Verständnis der Medienfreiheit und des Toleranzgebotes, an dessen Verletzung angesichts der restriktiven Fassung des § 166 StGB gegenüber seiner Vorgängernorm hohe Anforderungen zu stellen sind, die vorliegend nicht erfüllt waren.

IV. Ausblick: Religiöse Institutionen und Medienfreiheit

Das Münchner Ordinariat hat sich bislang noch nicht festgelegt, ob gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde erhoben wird. Gleichzeitig wird aber ein überaus zweifelhafter Handlungsbedarf beim Bundesgesetzgeber beschworen. Die Debatte um die gänzliche Abschaffung oder Ausweitung des § 166 StGB zieht sich seit dessen Einführung 1969 in die Länge. Dabei wird oft übersehen, dass diese Norm bekenntnisoffen auszulegen ist (treffend, Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., 2005, § 166, Rrn. 10, 2 b ff), was der Streichung der Friedensschutzklausel viel von ihrer beabsichtigten Wirkung nehmen dürfte.

Die Befürworter einer Ausweitung übersehen dabei aber, dass angesichts einer bekenntnisoffenen Auslegung dieser Norm aufgrund des Art. 4 GG eine Tür geöffnet wird, die es nicht nur christlichen Kirchen, sondern auch anderen Glaubensgemeinschaften erlauben würde, die ohnehin hochbelastete Justiz mit Tausenden Strafanzeigen zu beschäftigen, obwohl ein rationaler Diskurs um Religion und Toleranz angebrachter wäre. Diese Option käme durch eine vollständige Streichung dieser Norm klar zum Ausdruck und würde zu einer öffentlichen Auseinandersetzung zwingen, die allein religiöse Toleranz in einer pluralistischen Gesellschaft verbürgen könnte, da die Ehrschutzdelikte allein in der Lage wären, Missbräuchen Rechnung zu tragen. Satire und Kritik zu unterbinden ist einer pluralistischen Gesellschaft hingegen nicht Aufgabe des Strafrechts.