Auch Spanien hat eine Arbeitsmarktreform

Während die Zahl der befristeten Arbeitsverträge kontinuierlich steigt, soll die Höhe der Abfindungen bei Kündigungen und der Beitrag der Arbeitgeber zu den Sozialkassen gesenkt werden

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Die sozialistische Regierung hat sich mit einer Verspätung von mehr als einem Jahr auf eine Arbeitsmarktreform mit den Tarifparteien geeinigt. Ihr Ziel soll sein, die große Zahl befristeter Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen. Kaum ein Vertrag wird in Spanien noch unbefristet geschlossen. Auch die per Dialog ausgearbeitete Reform wird Konflikte mit sich bringen. Sie ist zaghaft und nur die beiden großen spanischen Gewerkschaften waren zum Dialog eingeladen. Die übrigen lehnen die Absenkung der Abfindungen bei Kündigungen und die Senkung der Beiträge zu den Sozialkassen für die Unternehmen weiter ab.

Schon vor einem Jahr sollte die Arbeitsmarktreform der Regierung mit Gewerkschaften und Unternehmern verabschiedet sein. Sie sollte am ersten Jahr der Machtübernahme der Sozialisten (PSOE) deren neuen „Politikstil“ krönen. Per Dialog sollte das Land nach acht Jahren konservativer Politik eine progressive Wendung gegeben werden. Die Volkspartei (PP) war zuvor mit einer dekretierten Reform an einem Generalstreik gescheitert, obwohl es den nach ihrer Lesart gar nicht gab (Spanische Medienwirklichkeiten).

Doch zunächst fiel der Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero auf die Nase, weil der Inhalt der Reform eher konservative Kontinuität als eine progressive Wende bedeutet hätte. Schmerzlich war es für Zapatero, dass auch seine Arbeiterunion (UGT) ihm im letzten Frühjahr die Brocken vor die Füße warf und sich nicht als Transmissionsriemen der Partei betätigen wollte: „Wir haben die Position der UGT bestätigt, die ihre Politik nicht an die jeweilige Regierung anpassen wird. Haben Sie etwas anderes erwartet?“ Das fragte der UGT-Chef Candido Méndez den Regierungschef vor einem Jahr. Die großen Arbeiterkommissionen (CCOO) warfen der Regierung vor, die Positionen der Unternehmer übernommen zu haben.

Die nun verabschiedete Reform wird am kommenden Dienstag unterzeichnet. Es lohnt sich ein Blick darauf, was UGT und CCOO nun unterschreiben, wogegen sie bisher angegangen sind. Sie stellten sich vor allem gegen das Ziel, die Kündigungen billiger zu machen: „Was soll man damit erreichen, wenn die große Zahl der geschlossenen Arbeitsverträge nur einen Monat gelten und man uns vorschlägt, die Entlassung derer zu verbilligen, die noch einen festen Arbeitsplatz haben“. CCOO-Chef José María Fidalgo tönte vor einem Jahr: „Eine Absenkung der Abfindungen werden wir nicht akzeptieren, weil die nichts mit der Zeitarbeit zu tun hat“. Doch den Einstieg haben sie nun vereinbart.

Wie es der Unternehmerverband CEOE gefordert hatte, werden die Abfindungen billiger. Statt 45 Tage werden für die Neuverträge nur noch 33 Tage Abfindung pro gearbeitetes Jahr berechnet. Als „Erfolg“ kann verbucht werden, dass dies auf die Neuverträge beschränkt ist und angeblich auch nur bis zum 31.Dezember 2007. Dabei war die Forderung nach einer allgemeinen Verbilligung, die der Arbeitsminister Jesús Caldera unterstützte, ohnehin illusorisch. Die Unternehmer haben es geschafft, eine Bresche zu schlagen. Ab dem 1. Juli, wenn die Reform in Kraft tritt, gibt es nun zwei Klassen unbefristeter Beschäftigter.

In Spanien gibt es kaum einen Kündigungsschutz

Die Kosten für die Kündigung und die jeweilige Kampfkraft der Belegschaft sind oft der einzige Schutz, den die Arbeiter vor Kündigungen genießen. Weder muss eine Sozialauswahl durchgeführt werden, noch müssen sie wirklich begründet werden. Gegen diese Realität kann der abgeschmetterte Einstiegsvertrag für Jugendliche in Frankreich (Staatsbegräbnis für das umstrittene Arbeitsgesetz) als Witz bezeichnet werden. Nur bei Massenentlassungen in großen Betrieben muss die jeweilige Regionalregierung zustimmen. Wichtig ist die soziale Funktion der Abfindungen. Davon muss meist der Lebensunterhalt bestritten werden, bis ein neuer Job gefunden ist oder genug Anwartzeiten für den Bezug von Arbeitslosengeld aufgespart wurden. Arbeitslosenhilfe oder ähnliches gibt es nicht, Sozialhilfe wird nur in absoluten Notfällen gezahlt.

So verwundert es nicht, wenn die regionalen und kleinen Gewerkschaften sich verweigern. Sie waren ohnehin vom Dialog ausgeschlossen. Sie lehnen es weiter ab, dass die Arbeitgeber Belohnungen bekommen, wenn sie befristete Verträge in solche ungeschützte und billige Festverträge verwandeln. Neben einem Zuschuss von bis zu 3.200 Euro pro Stelle steht vor allem die Absenkung des Arbeitgeberanteils an der Sozialversicherung in ihrer Kritik. Noch vor einem Jahr forderte der UGT-Chef, zur Bekämpfung der befristeten Verträge müssten die Sozialversicherungsbeiträge als eine Art „Strafgebühr“ auf diese Verträge erhöht werden. Die baskische Gewerkschaft ELA vermutet, wie andere Gewerkschaften, dass die Sozialkassen geschwächt werden und das Nachteile auf die Rentenreform haben wird: „Bei der werden sie uns dann erzählen, es gäbe kein Geld, weshalb die Renten gesenkt werden müssen”, sagte ELA-Chef José Elorrieta.

Über die Hälfte der Arbeitsverträge der unter 30-Jährigen sind schon befristet

Auch was die Frage der Kettenverträge angeht, ist die Reform mehr als zaghaft. Man muss innerhalb von 30 Monaten insgesamt 24 Monate auf einer Stelle gearbeitet haben, damit das eine feste Stelle wird. Allerdings gilt das nicht rückwirkend. Es bleibt für die Firmen also Zeit, ihre Personalpolitik so anzupassen, um nie einen Kettenvertrag dieser Lesart zu produzieren. Meist hätte diese Definition auch rückwirkend keine Auswirkungen gehabt. Oft laufen Verträge vor den Ferien aus, um Sonderzahlungen zu vermeiden, und werden dann neu geschlossen, weshalb in 30 Monaten selten 24 Monaten Beschäftigung erreicht werden. Bestraft hätte man nur die Firmen, die diese unsägliche Praxis vermieden und Jahresverträge mit Urlaubsanspruch ausgestellt hatten. Die werden sich ihre Generosität nach der Reform noch einmal überlegen.

Ob diese Reform signifikant etwas daran ändert, dass nur noch etwa 8 % aller Verträge unbefristet geschlossen werden, darf bezweifelt werden. Derzeit sind im spanischen Staat schon 34 % aller Verträge befristet, bei den unter 30-Jährigen sind es schon über 50 %. Hier gibt es mehr Zeitverträge als in Italien, Großbritannien, Belgien und Schweden zusammen, weit über fünf Millionen. Sogar der Internationale Währungsfond (IWF) hatte diese ausufernde Praxis als schädlich für die Wirtschaft kritisiert.

Die beiden großen Gewerkschaften haben sich erneut als Verteidiger der Besitzstände von Stammbelegschaften mit relativ guten Bedingungen gezeigt, statt wirklich Maßnahmen gegen prekäre Arbeitsbedingungen zu ergreifen. Man fragt sich, wo die „Dynamik“ der Arbeitgeber geblieben ist, welche die Gewerkschaften nach dem erfolgreichen Widerstand in Frankreich gegen den CPE bei denen festgestellt hatten.

Sie wollen sich mit der ihnen nahe stehenden Regierung nicht anlegen und sie gegenüber des Widerstands der Konservativen gegen alle Änderungen im Land schwächen. Die PP dürfte jedenfalls mit der Reform zufrieden sein, auch wenn sie diese kritisiert. Es ist nun die Frage, ob es Regionalgewerkschaften und kleinen landesweiten Gewerkschaften gelingt, einen Widerstand gegen diese Reform aufzubauen.

Wie sich die Jugend im Land verhalten wird, ist unklar. Die ist trotz ihrer prekären Bedingungen bisher weiter damit beschäftigt, sich in Großveranstaltungen öffentlich die Kanne zu geben ("Wir werden mehr sein"). In Granada nahmen 25.000 Kids an einem dreitägigen Trinksportfest „Macrobotellón“ teil.