Garantiert krebsfreies Kind

In Großbritannien durfte der erste Embryo, der mit der PID auf ein Gen für einen erblichen Augentumor getestet wurde, in eine Frau eingepflanzt werden. Das wird die Tür für die nächste Generation von "Designer-Kindern" öffnen

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Die Ausnutzung der biotechnischen Möglichkeiten in der (Reproduktions)Medizin erfolgt schleichend. Zwar werden noch moralische Trutzburgen in Rückzugsgefechten wie beim reproduktiven und therapeutischen Klonen, bei Eingriffen in die Keimbahn oder bei der Selektion von Embryos mit der Präimplantationsdiagnostik für die In-Vitro Fertilisation aufgerichtet, aber sie werden gleichzeitig umgangen und müssen nachgebessert werden.

Ein Einfallstor ist der möglicherweise durch eine Zunahme der Unfruchtbarkeit oder des späten Kinderwunsches bedingte Anstieg der künstlichen Befruchtung, die zudem auch deswegen attraktiv wird, weil die Embryos vorneweg auf erwünschte oder unerwünschte Eigenschaften getestet und dementsprechend ausgewählt werden können. Diese „Designer-Babys“ werden wiederum den Weg für genverändernde Eingriffe in die Keimbahn darstellen.

Ein neuer „Durchbruch“ ist nun in Großbritannien erfolgt, das stolz darauf ist, zu den weltweit in der Embryoforschung führenden Nationen zu gehören. Die Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) hat nun erstmals gestattet, künstlich befruchtete Embryos vor dem Einsetzen mit der PID auch auf Tumorgene zu untersuchen. In Großbritannien dürfen mit den Gentests bereits einige Genkrankheiten diagnostiziert und die Embryos danach ausgewählt werden. In Deutschland ist die PID noch verboten, erlaubt ist allerdings die pränatale Diagnostik, z.B. Furchtwasseruntersuchung, und die Abtreibung aufgrund einer medizinischen Indikation. Das macht die Inkonsistenzen der dahinter stehenden ethischen Überlegungen deutlich.

Im britischen Fall geht es um eine Frau, die einen Augentumor (Retinablaston), unter dem sie leidet, nicht an ihre Nachkommen weiter geben will. Normalerweise erkranken bereits die Kinder an dem erblichen Tumor, der allerdings, abhängig vom Stadium, auch behandelt werden kann. Getestet wird das Gen RB1 auf Mutationen. Eltern, die dieses mutierte Gen haben, geben dieses mit einer 50prozentigen Wahrscheinlichkeit an ihre Nachkommen weiter, die dann ein 90prozentiges Risiko haben, an dem Tumor, meist schon in den ersten Jahren, zu erkranken. Wichtiger als die Entscheidung der HFEA vom 10. Mai, die PID zur Erkennung von Krebsgenen für die künstlich befruchteten Embryos zuzulassen, ist, dass das Paar gar nicht auf künstliche Befruchtung angewiesen war. Dieser Weg wurde nur deswegen gewählt, um auszuschließen, dass der Augenkrebs vererbt wird. Schon letztes Jahr ist beschlossen worden, dass nicht mehr nur Gene, die zu 100 Prozent zu einer Erkrankung führen, mit der PID identifiziert werden dürfen, sondern auch die für dieses Augenkrebs, die „nur“ zu 90 Prozent zu einer Erkrankung führen.

Mit all diesen Erweiterungen ist natürlich die Grundlage für die nächsten Schritte gelegt, beispielsweise Embryos auf mutierte Gene testen zu können, die ein Risiko von 80, 70 oder 50 Prozent mit sich bringen. Aus der Sicht der Moral werden damit aber zunehmend mehr Embryonen getötet, die nie einen Krebs bekommen, wenn man sie hätte heranwachsen lassen. Das würde auch viele betreffen, die vielleicht erst in hohem Alter einmal an einem Krebs erkranken können, der vielleicht auch noch heilbar sein könnte. Zudem dürfte die Entscheidung mehr Menschen dazu treiben, den Weg der künstlichen Befruchtung einzuschlagen.

Dame Suzi Leather, die Vorsitzende der HFEA, erklärte, man habe vor der Entscheidung genau alle Probleme erörtert, die mit der Verwendung der PID für Krebsgene verbunden sind. Die Medizin habe stets versucht, Schmerz und Leiden zu mindern und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Dazu gehöre auch die frühzeitige Erkennung von vererbbaren Krebsformen. Von der Entscheidung seien auch nur „schwere genetische Bedingungen betroffen, für die wir einen Test für einzelne Gene haben“. Erkrankungen wie Asthma, die man behandeln kann, oder Schizophrenie, bei denen mehrere Gene eine Rolle spielen, würde man für eine Genehmigung nicht in Betracht ziehen.

Allerdings wären die Mitglieder der HFEA übereinkommen, die Verwendung von PID bei erblichen Formen des Brust-, Eierstock- und Darmkrebs zu gestatten, auch wenn die Betroffenen nicht immer oder erst spät an Krebs erkranken und Behandlungsmethoden vorhanden sein können: „Es geht nicht darum, die Tür für umfassende Gentests zu öffnen. Es geht darum, eine bestimmte Gruppe von genetischen Bedingungen als so schwerwiegend zu betrachten, dass sie den Einsatz der PID-Tests bei Embryos erlauben.“ Man müsse hier aber jeden Fall und jede individuelle Familie gesondert betrachten und entscheiden.

Wie die Times berichtet, wurde nun der erste Embryo, der mit PID auf die Gene des Augenkrebses getestet wurden, der britischen Frau University College Hospital, London, eingepflanzt. Die Klinik will ähnliches auch für Darmkrebs machen, was bereits bewilligt wurde, und plant zudem eine PID für Brustkrebs, bei dem die Frauen aber nur zu 80 Prozent erkranken. Wie sich die HFEA hier entscheiden wird, dürfte interessant sein, nachdem die Tür von ihr bereits aufgemacht wurde.