Foro de Radios - Das Radioforum

Eine partizipative Kommunikationsform erstmals in Europa

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Für den internationalen Austausch von freien Radios spielt das Internet eine immer größere Rolle. Seit drei Jahren versucht ein Internetradio aus Uruguay bei internationalen Großtreffen wie dem Weltsozialforum Radiomacher aus der ganzen Welt zusammenzutrommeln, um eine gemeinsame Radioberichterstattung zu organisieren.

Es ist ein bunter Haufen, der sich auf dem Radioforum beim Alternativgipfel in Wien in einem Gewerkschaftshaus eingefunden hat. Auf der Redaktionssitzung will man bereden, wie der erste Sendetag war. Die Moderation hat Caroline Betemps von Radio Mundo Real (RMR) aus Uruguay übernommen.

Redaktionsräume des Radioforums (Bild: Thomas Guthmann)

Aufgrund der provisorischen Technik, der verschiedenen Sprachen und der unterschiedlichen Kenntnisse der Teilnehmer kommt es zu Beginn erfahrungsgemäß immer zu Problemen. Die Diskussion über die Probleme des ersten Tags leitet jetzt Caroline, eine junge energische Frau, die eine der Koordinatorinnen des Forums ist, das sich aus Radioaktivisten verschiedener Radios aus Lateinamerika und Europa zusammensetzt.

Drei Tage sendete das Radioforum anlässlich des Gipfels der 60 Regierungschefs aus Lateinamerika und der EU in Wien. Zum ersten Mal fand ein Radioforum in Europa statt. Über sieben Sprachgrenzen hinweg hatten sich Radiomacher zusammengefunden, um täglich über neun Stunden Programm zu gestalten. Gesendet wurde live und direkt ins Internet. Gemeinsam wurde auf täglichen Redaktionssitzungen ein Programmplan erstellt, die unterschiedlichen Redaktionen kooperierten über Sprach- und Landesgrenzen hinweg, tauschten Erfahrungen und Material aus.

Live-Sendung von Radio Orange beim Radioforum (Bild: Thomas Guthmann)

RMR, so Caroline Betemps, will mit den Radioforen temporäre kollektive Strukturen schaffen. „Normalerweise arbeiten Journalisten alleine und isoliert. Beim Radioforum haben die verschiedenen Radios und Aktivisten die Möglichkeit, eine gemeinsame Infrastruktur zu nutzen, Informationen und Ressourcen zu teilen.“. Bei jedem Radioforum sind lokale Radios dabei. In Wien war Radio Orange, eines von etwa zehn freien Radios in der Alpenrepublik, der lokale Partner der uruguayischen Radiomacher. Radio Orange stellte eines seiner Studios zur Verfügung und kümmerte sich um die Einrichtung der Technik im Gewerkschaftshaus. Auch an der Programmgestaltung beteiligte sich Orange. Neben dem Wiener Alternativradio waren Radio Alerta aus den Niederlanden, der Nachrichtenpool Lateinamerika aus Berlin, Radio Vallekas aus Madrid, Radio Lohro aus Rostock und ein Internetradio aus Kroatien mit von der Partie. Gesendet wurde in Spanisch, Deutsch, Niederländisch, Französisch, Englisch, Kroatisch und Portugiesisch.

Das Radioforum in Wien war das erste Treffen von freien Radioleuten in Europa. Zuvor hatte RMR bereits Radioforen im brasilianischen Porto Alegre, der venezolanischen Hauptstadt Caracas und anlässlich des WTO-Treffens vergangenen Herbst in Hongkong veranstaltet. RMR ist ein Internetradioprojekt aus Uruguay, das in Spanisch, Englisch und Portugiesisch berichtet und hat sich die Verlinkung von verschiedenen Radioprojekten über den Globus verstreut auf die Fahnen geschrieben. Dazu wurde das Konzept des Radioforums entwickelt. Beim Radioforum sollen die Möglichkeiten des Netzes und der digitalen virtuellen Welt genutzt werden, ohne sich auf den Cyberspace zu beschränken. Immerhin haben viele Menschen in Lateinamerika, fernab der Metropolen noch immer kaum oder gar nicht die Möglichkeit ins Netz zu kommen. Mit dem Radioforum sieht Caroline Betemps eine Möglichkeit, die „Informationslücke“ zwischen virtueller und realer Welt zu überwinden:

Wir wollen nicht nur fürs Internet senden, sondern wir wollen, dass freie Radios den Stream abgreifen und ihn über ihre Antennen ausstrahlen, so hoffen wir auch, dass wir Bevölkerungsschichten über die virtuelle Welt hinaus erreichen können, die keine Möglichkeiten haben, sich über das Internet zu informieren.

Aber nicht nur in Lateinamerika wollen Radios den Stream in den Äther schicken, auch in Österreich selbst wird das Radioforum über terrestrische Frequenzen ausgestrahlt. „Wir haben einige Anfragen von anderen freien Radios in Österreich, wo man den Livestream abgreifen kann“, erklärt Margit Wolfsberger, die lokale Koordinatorin des Radioforums von Radio Orange.

Mehrsprachige Talksendung im provisorischen Gewerkschaftshaus (Bild: Thomas Guthmann)

Damit möglichst viele User den Livestream abgreifen können, und der Server dabei nicht überlastet wird von den Datenanfragen, wurde in Wien über vier Server gestreamt. Eingespeist wurde der Stream über Radio Orange. Vom Server von Radio Orange griffen dann zwei Server von RMR und einer von Radio Alerta aus Amsterdam den Livestream ab. „Durch die Verteilung auf mehrere Server haben bis zu 1000 Nutzer die Möglichkeit, gleichzeitig den Stream zu hören“, so Mauricio der Techniker von RMR.

Das die Idee des Radioforums in Lateinamerika entwickelt wurde, liegt daran, dass dort Radio eine größere Rolle als Informationsmedium spielt als in anderen Weltregionen. Hier gibt es eine lange Tradition von Community Radios und sehr große, den Kontinent übergreifende Radionetzwerke, wie ALER oder AMARC-Lateinamerika. In Europa gibt es diese Netzwerke nicht, dennoch haben sich in vielen europäischen Ländern mittlerweile freie Radios etabliert. In Deutschland sind in den vergangenen zehn Jahren etwa 30 freie Radios entstanden.

Die Verbindung zwischen freien Radios und Internet hat sich in den letzten Jahren als sehr fruchtbar erwiesen. Bereits vor sechs Jahren entwickelten die freien Radios in Deutschland ein Austauschwebportal, über das seitdem Audioberichte ausgetauscht werden. Von dem Austausch via Internet profitieren alle Radios. Durch die Bündelung der Kräfte gelingt es den kleinen lokalen Sendern über bundesweite Ereignisse zu berichten, für die sie normalerweise nicht die Ressourcen hätten.

Redaktionsräume des Radioforums (Bild: Thomas Guthmann)

Auch zwischen Lateinamerika und Deutschland gibt es bereits eine Tradition des Austauschs. Seit fünf Jahren bekommen die Radiomacher des Nachrichtenpools Lateinamerika O-Töne und Atmos über das Internet geliefert, aus denen sie dann Beiträge und Reportagen für die freien Radios in Deutschland basteln.

Das Radioforum ist eine Weiterentwicklung der Austauschseiten. Es bietet die Möglichkeit, neben dem Austausch von Daten sich in der realen Welt zu einem Ereignis zu begegnen und gemeinsame Erfahrungen im Radiomachen zu sammeln. Misael Rodriguez von Radio Alerta aus den Niederlanden, der bisher an zwei Radioforen teilgenommen hat, sieht in der gemeinsamen Berichterstattung die Chance, sich kennen zu lernen:

Die Art, wie in Lateinamerika Radio gemacht wird, unterscheidet sich von der in Europa, die Leute gehen spontaner und enthusiastischer an die Sache ran, alle wollen was machen, am Ende herrschte aber große Unzuverlässigkeit. In Wien waren die Leute total schwer zu begeistern, wenn sie allerdings eine Aufgabe übernahmen, dann haben sie die auch gemacht.

Neben den Sendungen in verschiedenen Sprachen war eine Besonderheit, eine gemeinsame Sendung in allen Sprachen zu organisieren. Über Sprachgrenzen hinweg wurde in Wien eine Stunde am Tag genutzt, um gemeinsam in einer Talkrunde über die verschiedenen Erfahrungen zu reden. Die Sendung wurde – natürlich – live übertragen.