Mit Satelliten gegen Einwanderer

Spanien: hektische Aktivitäten gegen "Boat People" mit Ziel Kanarische Inseln

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Die Einwanderungsfrage wird weiter militarisiert und technisiert. Die USA lassen die Nationalgarde an der Grenze zu Mexiko aufziehen. Spanien hat nun beschlossen, Satellitentechnik und Luft- und Seeüberwachung einzusetzen, um die Boote abzufangen, die aus Westafrika in Richtung der Kanarischen Inseln schippern. Die Wege werden immer länger und gefährlicher. Offenbar gibt es eine neue Route aus dem Senegal.

Am Montag haben erneut 161 Einwanderer und Flüchtlinge aus Schwarzafrika die Kanarischen Inseln erreicht. Allein vergangenen Wochenende waren es fast 1000. Dieser Rekord treibt Spanien erneut zu hektischen Aktivitäten.

Auf Krisensitzungen hat die Regierung beschlossen, künftig auch Satelliten einzusetzen, um die kleinen Boote aufzuspüren. Auch traditionelle Luftüberwachung durch Flugzeuge und verstärkte Überwachung des Seewegs stehen auf dem Programm. Ein Spezialschiff der Militäreinheit Guardia Civil wurde schon in Marsch gesetzt, Marineschiffe sollen folgen, um vor der Küste Mauretaniens Einwanderer abzufangen und die Küstenwache des Landes zu schulen.

Tausende Menschen ertrunken oder verdurstet

Bis zum Montag steuerten 17 Boote die Tourismusinseln vor der afrikanischen Küste an. Wegen des guten Wetters mit leichtem Seegang schafften sogar so genannte Cayucos aus Senegal die tagelange Überfahrt. Die spanische Regierung spricht von einer neuen Route aus dem Norden des westafrikanischen Landes, wohin die "boat people" wegen des Drucks in Mauretanien auswichen.

Dieser Weg ist länger und noch gefährlicher. Die kleinen Boote müssen etwa 1200 Kilometer Seeweg zurücklegen. Schon das Ausweichen von Marokko und der Westsahara auf Mauretanien hatte dazu geführt, dass seit dem letzten Herbst Tausende Menschen ertrunken oder verdurstet sind. Darin sind sich der spanische Geheimdienst und die Guardia Civil ausnahmsweise mit Menschenrechtsorganisationen einig (vgl. "Massensterben" vor den Kanarischen Inseln).

Überfüllte Auffanglager

Die Sozialisten versuchen der Kritik der konservativen Regionalregierung zu begegnen. Nachdem im Frühjahr zum Teil über 500 Menschen am Wochenende die Urlauberinseln erreichten, sei die Entwicklung absehbar gewesen. Als "sehr schlimm" bezeichnete der Sprecher der Regionalregierung Miguel Becerra die Lage und forderte Hilfe aus Madrid.

Die Konservativen behaupten, man ernte nun die Früchte der "Regulierung", über die im letzten Jahr 700.000 Menschen einen legalen Status erhielten (vgl. EU-Länder profitieren von Einwanderung und Freizügigkeit). Die habe ein "Rufeffekt" erzeugt.

Die Auffanglager der Inseln sind überfüllt und eine stillgelegte Kaserne wurde geöffnet, um die völlig entkräfteten Menschen aufzunehmen. Das Rote Kreuz versucht sie mit freiwilligen Helfern zu versorgen. Die Regierung habe die "illegale Einwanderung vernachlässigt", klagte Becerra. "Die gesamte Diplomatie ist damit beschäftigt, sich um die Investitionen einer Firma in Bolivien zu kümmern", sagte er in Bezug darauf, dass der Ölmulti Repsol von den Nationalisierungen betroffen ist (vgl. "Die Ausplünderung der Bodenschätze ist beendet").

Ausweitung von Rücknahmeabkommen

Die Sozialisten (PSOE) kündigten derweil auch eine "diplomatische Offensive" in Westafrika an. Man werde alle "Kräfte mobilisieren", um den "Strom" der Menschen "zu kontrollieren und zu regulieren", erklärte der Außenminister Miguel Angel Moratinos seinen EU-Kollegen bei einem Treffen in Brüssel. "Wir werden mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge Klartext reden müssen", sagte er. In den nächsten Tagen werden seine Diplomaten nach Guinea Bissau, Senegal, Mauretanien, Ghana, Nigeria und Mali ausströmen, um auch sie in die Abschottungspolitik der EU einzubinden. Auch Hilfszahlungen der EU an die Länder sollen genutzt werden, um Druck auf sie auszuüben.

"Wer irregulär einreist, wird wieder gehen", drohte die Vizeministerpräsidentin Teresa Fernandez de la Vega derweil denen ein hartes Vorgehen an, welche die gefährliche Reise überleben. Man werde die Ausweisungen intensivieren und versuchen auch mit den westafrikanischen Ländern "Rücknahmeabkommen" zu unterzeichnen, wie sie es schon mit Marokko und Mauretanien gibt. Dorthin wurden kürzlich 170 Menschen per Schnellabschiebung verfrachtet. Doch statt in das eigens von Spanien, "für eine menschenwürdige Unterbringung" errichtete Lager zu kommen, verloren sich ihre Spuren in Mauretanien. Menschenrechtsorganisationen halten das Vorgehen, bei dem keine Einzelfallprüfungen durchgeführt werden, für verfassungswidrig.

Im Juni werden sich mit der Einwanderungsfrage auch zwei Gipfeltreffen beschäftigen, die Spanien vorbereitet. Anfang des Monats debattieren EU-Vertreter in Marokko mit afrikanischen Vertretern. Der Gipfel wird seit dem letzten Herbst vorbereitet, als Hunderte Menschen die Grenzzäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla stürmten, die von Marokko umschlossen sind (vgl. "Anschlag auf die Grenze"). Mitte Juni wird es in Spanien einen Austausch mit Vertretern aus Lateinamerika geben, woher der überwiegende Teil der Einwanderer kommt.

Letzte Woche hat sich Spanien mit Portugal auf eine koordinierte Politik zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und Schlepperbanden verständigt. Gemeinsam wolle man die beiden Gipfel anführen. Der Nachbar soll als Vermittler zur Ausschaffung von Menschen in die ehemaligen Kolonien dienen. Dorthin sollen "gemeinsame Abschiebeflüge" verstärkt werden", kündigte die Vizeregierungschefin letzte Woche nach einer Reise nach Lissabon an (vgl. Bei der Kooperation der Mittelmeerländer geht es um Sicherheit und Kontrolle der Einwanderung).