Zu Gast bei Feinden

Die Warnung vor ostdeutschem Rassismus ist nicht neu, die Angriffe auf die Kritiker ebenfalls nicht

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Uwe-Karsten Heye, der Vorsitzende des Vereins Gesicht Zeigen! - Aktion weltoffenes Deutschland und der ehemalige Pressesprecher der rot-grünen Bundesregierung, musste in den letzten Tagen viel Kritik einstecken. Nachdem er in einem Interview Besucher der Fußballweltmeisterschaft mit dunkler Hautfarbe vor dem Besuch einiger Orte in Ostdeutschland gewarnt hatte, gab es Schelte von allen Seiten und mit unterschiedlichen Argumenten.

Der stellvertretende Unionsvorsitzende Wolfgang Bosbach sprach von einem Generalverdacht gegen die neuen Bundesländer. In die gleiche Kerbe hieb der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse, der vor der Stigmatisierung ganzer Landstriche warnte. Die türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten Ekin Deligöz (Grüne) und Hüseyin-Kenan Aydin (Linkspartei) meinten gar, dass mit Heyes Worten den Rassisten in die Hände gespielt werde. Indem man Reisewarnungen für bestimmte Gebiete herausgibt, mache man genau das, was die Rechten wollen.

Nach der Medienschelte ruderte Heye zurück: „Die Bemerkung war natürlich zugespitzt; es waren die letzten drei Worte eines längeren Interviews, die ich anders hätte formulieren sollen“, erklärte Heye in einem weiteren Interview.

Deutlich verhaltener waren die Stimmen, die Heyes Befürchtungen Recht gaben. Dazu gehört der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit: "Die Realität ist, dass sich Schulklassen mit vielen Migranten-Kindern fragen, ob es sicher ist, nach Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern zum Zelten zu fahren.

„Herr Heye spricht nur die Realität aus“

Anders reagieren zivilgesellschaftliche Organisationen, die tagtäglich mit den Menschen Kontakt haben, die von rassistischer Gewalt betroffen sind. Schon lange beklagen sie die gesellschaftliche Gleichgültigkeit gegenüber den Vorkommnissen in manchen Landstrichen Ostdeutschlands. „Herr Heye hat mit seinen Äußerungen tatsächlich Gesicht gezeigt. Er hat nur die Realität benannt“, erklärte auch Yonas Endrias gegenüber Telepolis. Der stellvertretende Vorsitzende der Liga für Menschenrechte und Mitglied des Afrika-Rates, ist hingegen enttäuscht, dass Heye die Äußerungen schnell relativierte.

Die meisten Schwarzen meiden nach Endrias Erfahrung die ostdeutschen Regionen, um nicht Opfer rassistischer Gewalt zu werden. Hingegen sind Flüchtlinge, die gezwungenermaßen in den Regionen leben müssen, besonders häufig Zielscheibe rechter Übergriffe.

Oft gehen sie auch gar nicht zur Polizei, weil sie negative Folgen auf ihre Asylentscheidung befürchten. Daher ist die Dunkelziffer der rassistischen Angriffe noch wesentlich höher als die statistischen Angeben.

Yonas Endrias

Der Afrika-Rat und die Liga für Menschenrechte haben vor einigen Wochen eine Handreichung für Schwarze WM-Besucher angekündigt. Sie soll in fünf Sprachen auf einer Internetseite veröffentlicht werden, um potentielle Opfer rassistischer Gewalt schützen. Die Vorbereitungen laufen noch. „Wir arbeiten ausschließlich ehrenamtlich und bekommen keinerlei finanzielle Unterstützung. Daher brauchen wir mehr Zeit“, betont Endrias.

Anlass für diese Initiative war der Überfall auf einen Deutschen äthiopischer Herkunft in Potsdam. Auch hier sehen Menschenrechtsgruppen einen typischen Verlauf der nachfolgenden Diskussion. Nach anfänglicher Empörung wurde der Tathergang in Zweifel gezogen. Plötzlich wurde in den Mittelpunkt gestellt, dass auch das Opfer betrunken gewesen sei. Dass die Täter mit rassistischen Äußerungen auf dem Handy des Opfers zu hören waren, trat hingegen in den Hintergrund.

Auch die ankündigten Warnungen des Afrikarates haben bei Politikern von Union und SPD zu starker Kritik geführt. Schnell war die Rede von Panikmache und Überreaktionen. Brandenburgs Innenminister Schönbohm erklärte knapp, dass es in Brandenburg keine Gebiete gäbe, vor denen man warnen müsse. „Von ihrer Perspektive aus stimmt das. Als Weiße werden sie so etwas natürlich nicht erleben“, so die Reaktion von Endrias.

Durch den Wirbel um die Heye-Äußerung ist auch die Initiative wieder stärker in die öffentliche Diskussion gerückt worden. Schließlich hatte sich Heye in seinen Interviews ausdrücklich auf die Reisewarnungen des Afrika-Rats bezogen. Auch in der Vergangenheit gab es schon häufiger Warnungen in japanischen und US-amerikanischen Medien vor bestimmten Orten in Brandenburg, in denen die Wahrscheinlichkeit, Opfer rassistischer Angriffe werden zu können, sehr hoch ist. Damit sollten auch Geschäftsreisende vor einen Kurztrip ins Brandenburger Umland gewarnt werden. Die Meldungen wurden in Deutschland allerdings in der Regel eher verschwiegen. Vor der WM kann diese Strategie offensichtlich nicht mehr durchgehalten werden.