Barbarians at the Gates?

Kampf der Konsolen: Die psychologische Kriegsführung von Sony, Microsoft und Nintendo

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Die E3, die Electronic Entertainment Expo ist das bedeutendste Branchen-Ereignis. Weil dort zu einem erheblichen Teil sozusagen das Investitionsklima für das folgende Videospiel-Jahr geformt wird. Für Konsumenten, Entwickler, Publisher, Medien fällt hier eine erste Entscheidung, was ihre Zeit und ihr Geld verdient hat und was nicht. Ob die entstehenden Eindrücke wirklich den fertigen Produkten angemessen sind, ist egal. Sie stecken einen Rahmen ab, unter dem die Produkte später wahrgenommen werden. Für die nächste Generationenrunde im "Kampf der Konsolen" - die diesen Winter in die heiße Phase gehen soll, wenn nach Microsofts Xbox 360 nun auch Sonys PlayStation 3 und Nintendos Wii (vormals: Revolution) in die Läden kommen soll - war deshalb die E3 einmal mehr ein wichtiges Schlachtfeld in Sachen psychologischer Kriegsführung.

Bild: The Elder Scrolls IV: Oblivion

Der Frontverlauf

Man muss sich zunächst klar machen, dass Sony, Microsoft und Nintendo sehr unterschiedliche strategische Positionen und Ziele haben. Klar, im Endeffekt wollen alle drei so viel Konsolen verkaufen wie möglich (und vor allem Spiele dafür - womit der eigentliche Gewinn gemacht wird). Aber das konkrete Was, Wie und Warum unterscheidet sich bei den drei Herstellern deutlich.

Sony ist Marktführer im Konsolen-Business - und muss diese Stellung unbedingt verteidigen. Selbst ein spürbarer Rückgang des Marktanteils wäre eine schmerzliche Niederlage. Und Sony ist dringend darauf angewiesen, dass sich das Geschäft mit der PlayStation auch in der kommenden Generation über kurz oder lang als profitabel erweist. Der Konzern insgesamt ist finanziell nicht mehr so robust, wie er einmal war, grade in der Musik- und Filmsparte sind die Umsätze eingebrochen. Die Videospiel-Abteilung ist eine unverzichtbare Säule für das Unternehmen. Zugleich aber soll die PS3 als Brückenkopf dienen für entscheidende Vorstöße im Geschäft mit HD-Fernsehern und vor allem für Sonys hoch auflösenden DVD-Nachfolge-Standard Blu-ray. Sony hat mit dem Einbau eines Blu-ray-Laufwerks die Schicksale von PlayStation 3 und Blu-ray-Format untrennbar miteinander verknüpft - ein Misserfolg des einen könnte auch dem anderen empfindlich schaden.

Microsoft hingegen hätte wohl kein Problem damit, wenn auch die zweite Xbox-Generation - wie die erste - rein finanziell gesehen ein Zuschussgeschäft bliebe: Die wahre Mission der Xbox 360 heißt einzig, mehr Marktanteile zu gewinnen. Der Plan zum Einstieg ins Videospielgeschäft war von Anfang an sehr langfristig angelegt, Profit dabei ein Fernziel. Und über die Finanzierung solch einer Kräfte zehrenden Eroberungs-Kampagne braucht sich Microsoft ja keine Sorgen zu machen - was für manch kleine Länder ein ordentliches Bruttosozialprodukt wäre, stemmt das Windows-Imperium quasi aus der Portokasse.

Microsoft: Aus der Portokasse

Das machte es auch signifikant, dass bei der Microsoft-Pressekonferenz erstmals Bill Gates persönlich auf der E3 auftrat: Ein klares Signal, dass die Spiele-und-Konsolen-Sparte des Konzerns Billigung und Unterstützung von allerhöchster Stelle genießt und sich kein Konkurrent Hoffnungen machen zu braucht, dass rote Zahlen hier zu einem Rückzug zwingen könnten. Im Gegenteil: Gates kündigte eine enge Verknüpfung zwischen Windows Vista und dem Xbox-Live-Online-Service an - eine potentielle Verkaufsförderung, der keiner der Mitbewerber etwas Vergleichbares entgegensetzen könnte.

Microsoft hat naheliegenderweise auch großes Interesse daran, das von ihnen unterstütze, konkurrierende HD-DVD-Format gegenüber Blu-ray als Standard durchzusetzen, und wenn die Xbox 360 dabei helfen kann, wird man das zweifelsohne ausnutzen. Aber Konsole und Wiedergabestandard sind lang nicht so auf Gedeih und Verderb verkoppelt wie bei Sony: Demnächst soll ein HD-Player als Zubehör für die mit einem DVD-Laufwerk ausgestattete Xbox 360 erscheinen, - aber man hält sich die Option offen, gegebenenfalls sogar dereinst einen Zusatz-Blu-ray-Player anzubieten, falls sich dieses Format durchsetzen sollte.

Nintendo schließlich schert sich nicht um "Media-Content", HD-Formate oder Betriebssystem-Synergien. Nintendo ist der einzige reine Videogame-Hersteller unter den drei Kontrahenten. Viel Querfinanzierung und Mischkalkulation ist da nicht drin. Und obwohl Nintendo aufgrund seiner Tradition und seiner vielen klassischen Spiele-Franchises (allen voran Mario) in der Branche einigen Respekt genießt, leidet es unter schleichendem Vertrauensverlust der Konsumenten: Mit dem N64 und dem Gamecube hat der japanische Hersteller jetzt schon zwei Konsolen-Generationen hinter sich, die durch mangelnde Unterstützung von unabhängigen Spiele-Entwicklern geprägt waren; und in einem Business, dessen Haupt-Zielgruppe derzeit (post-)adoleszente Männer sind und das sich dementsprechend stets "cool" und machohaft zu geben versucht, haftet Nintendo das (unsinnige, aber zählebige) Image an, hauptsächlich den Geschmack von Kindern zu bedienen.

Nintendo: der Mut der Verzweiflung

Dies alles zusammen hat wohl Nintendo den Mut der Verzweiflung gegeben, einen wirklich drastischen Schritt zu vollziehen. Man hat sich aus dem technischen Wettrüsten verabschiedet und versucht gar nicht erst, den ständigen (mit Verlaub) Schwanzvergleich um leistungstärkste CPU- und Grafikchips, höchste Auflösung, größte Polygonanzahl, komplexeste Shader mitzumachen. Der (die, das?) Wii ist in dieser Hinsicht nur ungefähr doppelt so stark wie sein Vorgänger, der Gamecube. Dafür ist er mit einem neuartigen Controller (vgl. Hyperaktivität rund ums Sofa)) ausgestattet, der einen Paradigmenwechsel in Sachen Interface bringen soll und damit all jene vernachlässigten Käuferschichten (wieder) vor die Bildschirme locken, die mit der Ästhetik und Struktur gegenwärtiger Games nichts anfangen können.

Um im martialischen Bild zu bleiben: Wenn Sony eine Bastion verteidigt, die Microsoft zu stürmen versucht, dann hat Nintendo sich aus dieser unmittelbaren Schlacht verabschiedet, um benachbartes, noch unbewehrtes Territorium zu besetzen. Das heißt aber, dass - nimmt man diese Strategie wirklich beim Wort - die angestrebten Verkaufszahlen der neuen Konsole deutlich ÜBER denen von Sony und Microsoft liegen müssten. Und es heißt, dass Nintendo bei potentiellen Entwicklern und Kunden nicht nur verlorenes Vertrauen zurück- sondern auch neues in eine unerprobte Technologie gewinnen muss.

Wobei man immerhin den Vorteil hat, dass sich das anfangs unsicher belächelte Handheld Nintendo DS - ebenfalls gegenüber dem Sony-Produkt, der PSP, technisch unterdimensioniert, aber mit innovativen Interface-Features ausgestattet - bereits zu einem gigantischen Erfolg entwickelt hat.

Sony: Risse in der Bastion?

Der Konsens unter Journalisten, Analysten und Internet-Forenpostern war, dass Sony mit seinem diesjährigen E3-Auftritt einen bösen, unerwarteten Stolperer hingelegt hat. Die Sony-Pressekonferenz wirkte (jedenfalls über live-Stream mitverfolgt) stellenweise wie der hochnotpeinliche Auftritt eines Stand-Up-Komikers, über dessen Pointen keiner lacht. Eine uninspirierte Präsentation vorwiegend wenig inspirierender Spiele, gekrönt durch kontroverse Ankündigungen in Sachen Hardware und Veröffentlichungsstrategie.

Der Anführer eines Rennens ist zwangsläufig auch der mit den meisten Verfolgern, und man konnte den Eindruck bekommen, dass Sony sich von seiner Spitzenposition eine bizarre Mischung aus Überheblichkeit und Paranoia eingefangen hat. Einerseits trotzig beharrend auf der Behauptung, dass HD-Gaming überhaupt erst mit der PS3 anfangen würde, und ein Verkaufspreis, der erhebliches Vertrauen in die Loyalität der Sony-Kunden setzt - andererseits unverkennbar die Panik, man könnte den Mitbewerbern irgendwo das Feld überlassen, wenn man nicht alles (teils unbeholfen) kopiert, womit diese zu punkten scheinen (Online-Service, bewegungssensitiver Controller).

Freilich ist diese ganze "Next Generation"-Schlacht überhaupt eine, in die Sony widerwillig getrieben wurde, durch den wohl genau daraufhin kalkulierten Frühstart der Xbox 360. Sony hätte bestimmt gerne noch ein (oder sogar zwei) Jährchen den Erfolg der PS2 genossen - die derzeit eines der qualitativ stärksten Spieleaufgebote ihrer Laufbahn erlebt - und mit einem Nachfolger gewartet, bis der Mainstream-Konsument reifer ist für HD-TV und Blu-ray.

Opfer des eigenen Hypes

Und Sony ist auch zum Opfer seines eigenen Hypes geworden: Letztes Jahr war man so übertrieben darauf bedacht, der Xbox 360 beim Stapellauf den Wind aus den Segeln zu nehmen, dass man sich um die Realisierbarkeit all der Versprechen von der "wahren nächsten Generation" und dem "4D-Gaming" nicht mehr groß kümmerte. So musste es ja allein schon fast zur Enttäuschung gereichen, dass die PS3 keine eingebaute Zeit- UND Espressomaschine hat.

Aber selbst wenn man die Sony-typischen Hype-Floskeln (erinnert sich noch jemand an das Gerede von der "Emotion Engine" in der PS2?) sowieso nie ernst genommen hat, gab es noch genug Grund zur Ernüchterung. Dass der umstrittene letztjährige Trailer zu KILLZONE 2 zu schön war, um wahr (das heißt: etwas anderes als vorgerenderter Computer-Zeichentrick) zu sein, hatte man ja schon damals geahnt. Aber dass von dem Spiel auf der ganzen diesjährigen Messe kein Pixel zu sehen, kein Sterbenswörtchen zu hören war, lässt Schlimmstes über den Zustand des tatsächlichen Games vermuten.

Und nicht genug damit, dass die versprochenen zwei HDMI-Ausgänge nun doch nur zu einem wurden (was hätte man auch wirklich mit zwei angefangen?): Die PlayStation 3 wird weltweit im November 2006 in zwei Versionen erscheinen. Und das kleinere Modell hat nicht nur eine Harddisk mit geringerer Kapazität (20GB statt 60GB, allerdings austauschbar gegen reguläre Laufwerke mit mehr Speicherplatz) - es verzichtet (nicht aufrüstbar) auch auf WiFi, einen Speicherkartenanschluss und JEGLICHEN HDMI-Ausgang. WiFi und Speicherkartenleser lassen sich bei Bedarf über USB-Ausgänge ergänzen, bzw. (bei Verbindung mit einem PC) ersetzen. Nicht die eleganteste Lösung, aber eine Lösung.

Was die wirklich unverständliche Entscheidung Sonys ist, ist der Verzicht auf den HDMI-Port: Nicht nur ist unklar, ob das Gerät somit überhaupt Grafiken mit 1080p-Auflösung bei höheren Bildwiederholraten als 30Hz ausgeben kann (je nachdem, wem man Glauben schenkt, reicht bei dem anderen Video-Anschluss die Bandbreite dafür ebenfalls aus - oder nicht). Ein HDMI-Ausgang ist definitiv die einzige Möglichkeit, Filme auf Blu-ray (in voller Auflösung) abzuspielen, die mit dem eigentlich als Industriestandard vorgesehenen HDCP-Kopierschutz versehen sind. Die Spezifikationen des vereinfachten Modells haben zu großem Aufruhr und viel Häme in den Internet-Foren geführt und der billigeren Version den Spottnamen "'tardpack" (für "retard-pack" - in etwa: "Spackpack") eingebracht.

Bild: Shadow of the Colossus

Aber: Sony hat ja Recht damit, dass für viele Gamer das einfachere Modell völlig ausreichen wird. Besonders für diejenigen, die keinen Wert auf die Konsole als Blu-ray-Player legen und keinen der (bisher wenig verfügbaren und extrem teuren) Fernseher besitzen, die überhaupt 1080p darstellen können. Und genau DAS ist das Fatale: Sony widerlegt damit seine eigene bisherige Position, dass alles, was unterhalb von 1080p stattfindet, die Bezeichnung HD gar nicht verdient; dass Blu-ray eine Grundvoraussetzung für die nächste Spielegeneration sei. Sony betont immer wieder, dass das Blu-ray-Laufwerk in der PS3 zunächst erst einmal dazu dient, den Spielen der nächsten Generation genügend Speicherplatz zu bieten. Was für Spiele das aber sein sollen, die mit DVDs nicht mehr auskommen werden, das weiß eigentlich keiner so recht. Selbst ein episches Mammutwerk wie THE ELDER SCROLLS IV: OBLIVION bringt ja eine DVD-9 noch immer nicht zum Überlaufen.

Wird es aber jemals für einen Publisher wirtschaftlich sinnvoll und logistisch machbar sein, Entwicklerteams zu beschäftigen, die Spiele mit noch umfangreicheren Inhalten überhaupt stemmen könnten? Wozu? Gibt es wirklich soviel potentielle Kunden, die ein Spiel z.B. erst ab 200 Stunden Spielzeit für kaufenswert befinden, dass sich die dafür nötigen, gigantischen Investitionen je rechnen könnten?

Reichlich unfertig

Bleibt als Argument für Blu-ray also nur der mögliche Verzicht auf die Komprimierung der Daten. (Macht das im Endergebnis einen entscheidenden Unterschied?) Oder Platz für vorgerenderte Videosequenzen in HD. Die aber sollten angesichts der mit den Next Generation-Grafik-Engines "live" erzielbaren Resultate sowieso zu einem aussterbenden Phänomen werden. Bleibt also doch wieder vor allem Blu-ray als HD-Filmabspielmedium. Als das es auf dem "kleineren" PS3-Modell gar nicht in hinreichendem Umfang (zumindest gemäß den jetzigen Spezifikationen des Standards) funktioniert. Gut, aber hat nicht für die PS2 das Argument: "Spielkonsole UND DVD-Player für den Preis eines DVD-Players " wunderbar verkaufsfördernd gewirkt, und sollte Ähnliches für die PS3 in der teureren Ausführung und Blu-ray nicht genauso gelingen? Vielleicht - in zwei, drei Jahren.

Aber noch sieht der Durchschnitts-Konsument das neue, hoch auflösende Format noch lang nicht als solch dringliche Anschaffung an wie einst die DVD; noch sind wohl die wenigsten schon wieder zur Entsorgung ihrer noch ziemlich neuen DVD-Sammlungen so bereit, wie sie es einst mit ihren VHS-Cassetten waren; und noch werden wohl selbst viele "early adopter" erstmal eine Weile aussitzen, bis sich klarer abzeichnet, ob sie auf HD-DVD oder Blu-ray setzen sollen - niemand möchte das nächste Betamax daheim haben.

Wenn es also dumm läuft für Sony, dann erweist sich das Blu-ray-Laufwerk für die PS3 nur als Klotz am Bein. Denn es ist maßgeblich dafür verantwortlich für das wohl am kontroversesten aufgenommene "Feature" der Konsole: Ihr stolzer Preis. $499/€499 für das 20GB-Modell, ganze $599/€599 für die Rundum-sorglos-Ausführung. Vermutlich (es gab dazu offiziell keine Angaben, aber alles andere wäre eine Überraschung) ohne Zweitcontroller, hochwertigem Audio-/Video-Kabel und Spiele (wobei schon von rund $70/€70 pro Titel gemunkelt wird). Das ist kein Taschengeld mehr, und der Hartz IV-Empfänger schluckt. Freilich, es müsste schon ein Wunder geschehen, wenn Sony im ersten Jahr von der PS3 nicht soviel verkaufen könnte, wie man nur herstellen und ausliefern kann. (Das wäre auch sicher nicht anders gewesen, wenn es nur das $600/€600-Modell gäbe - und das macht die Entscheidung für zwei Versionen um so unverständlicher.) Insofern ist der Preis kaufmännisch und kurzfristig gesehen eine vernünftige Entscheidung. Und angesichts der verbauten Technik mag mancher die Konsole dennoch nicht ganz zu Unrecht als Schnäppchen betrachten. Aber: Die Konkurrenz schläft nicht, und was viele potentielle Kunden stärker wahrnehmen werden als den Vergleich zu dedizierten Blu-ray-Spielern (die tendenziell sogar teurer werden als die PS3) wird der Preisunterschied zur Xbox 360 sein.

Der wohl peinlichste Moment von Sonys Pressekonferenz war aber die Enthüllung des "neuen" Controllers. Der zunächst erst einmal wirkte wie der alte - zurück zum bewährten PS2-Dual Shock-Design statt dem viel verspotteten Silberbumerang, der letztes Jahr präsentiert wurde. Aber das Innenleben! Jawoll, er ist bewegungssensitiv. Was natürlich, nein, nein, nein, nein, ÜBERHAUPT nichts mit Nintendos Wii zu tun hat. Schließlich gab es ja auch schon lang vorher ähnliche Joystick-Experimente wie den Microsoft Freestyle. Und Sony muss sich schon so lang mit Plänen zu einem eigenen Controller dieser Art getragen haben, dass man inzwischen wieder vergessen hatte, den Software-Entwicklern davon zu erzählen. Denn außer den Entwicklern von WARHAWK wusste noch niemand davon - und die haben nach eigenen Angaben ganze zwei Wochen vor der E3 davon erfahren und daraufhin ihr kleines Demo zusammengezimmert.

Nicht gerade ein Musterbeispiel an Professionalität und Zuverlässigkeit

Wie Nintendo verspricht Sony Bewegungsinformationen in sechs Achsen: Den drei des Controllers selbst (ob er nach vorne oder hinten, rechts oder links geneigt ist) und den drei des Raums. Der entscheidende Unterschied aber ist, dass der Wii-Controller durch den externen Sensor wirkliche Informationen über seine POSITION im Raum liefert - während der PS3-Controller hier offenbar nur BESCHLEUNIGUNGS-Informationen generiert. D.h., er bekommt nur mit, wenn man ihn mit ausreichender Geschwindigkeit aus seiner momentanen Lage bewegt. Ein Laserpointer-, Lightgun- oder "3D-Maus"-ähnlicher Einsatz wie beim Wii-Controller dürfte somit grundsätzlich ausgeschlossen sein.

Zudem ist er durch seine traditionelle Form nach wie vor darauf ausgelegt, fest in zwei Händen gehalten zu werden, was ebenfalls deutlich reduziertere reale Verwendungsmöglichkeiten der Bewegungssensoren vermuten lässt als bei Nintendos Einhand-Gerät. Es sieht nicht danach aus, als würde Sonys Version bei den Entwicklern zu ähnlichen Kreativ-Schüben in Bezug auf neue Spielmechaniken führen wie die Nintendos. Nahe liegend wären hier vor allem Verwendung in traditionellen Genres wie Renn- und Flugsimulatoren (wo viele Spieler ja ohnehin unbewusst den Controller in die gewünschte Bewegungsrichtung neigen) oder zur Steuerung der Bildschirm-Blickrichtung.

Im Gegensatz zu Nintendo hat Sony zudem in seinem neuen Controller auf das Vibrations-Feature verzichtet. (Wohl nicht zuletzt wegen des Patentstreits gegen Immersion) Ein zweifelhafter Deal - Force Feedback ist im Gaming inzwischen etwas Ähnliches geworden wie Filmmusik im Kino: Von vielen nicht bewusst wahrgenommen, aber unterschwellig ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Emotions-Verstärkung. (Wer's nicht glaubt, möge z.B. einmal SHADOW OF THE COLOSSUS oder ein aktuelles Rennspiel ohne Rumble-Funktion spielen...)

Was seltsam wenig Kommentare hervorgerufen hat war die Tatsache, dass Sony für die PS3 nur reichlich unfertige Spiele präsentieren konnte. Ja, es sind noch sechs Monate bis zum geplanten Verkaufsstart. Aber bis vor kurzem hatte Sony noch eine Markteinführung im Frühjahr 2006 versprochen und diese angeblich nur wegen Schwierigkeiten bei der endgültigen Etablierung des Blu-ray-Standards verschoben. Was sich jetzt schon allein angesichts der Softwareversorgung als völlig illusorisch erwiesen hat. Das kann nur heißen, dass man sich bei Sony entweder vollkommen verkalkuliert hatte - oder dass der ursprünglich genannte Termin von Anfang an nur ein Marketing-Schachzug war, um potentielle Xbox 360-Käufer zum Abwarten zu bewegen. Beide Möglichkeiten klingen aber nicht gerade nach Musterbeispielen an Professionalität und Zuverlässigkeit.

Und so oder so ändert sich nichts daran, dass momentan ein eher mageres Starttitel-Aufgebot von nur 15 Games angekündigt ist, unter denen sich wenig zu finden scheint, was zugleich prickelnd und PS3-exklusiv ist.

Das alles ist wie gesagt nicht deswegen signifikant, weil es zwangsläufig zum realen Erfolgshindernis werden muss. Die PlayStation 2 hatte am Anfang ihres Lebenszyklus auch gegen allerlei Skepsis zu kämpfen: Grafik erstmal nicht beeindruckender als die von Segas Dreamcast, umständlich zu programmieren, belangloses Aufgebot an Start-Titeln, etc. Trotzdem hat's komfortabel zur Markt-Dominanz gereicht.

Das Image vom sicheren Sieger ist ramponiert

Signifikant ist es, weil es Sony vorerst sein Image vom sicheren Sieger ramponiert hat. Weil es in der Wahrnehmung der PlayStation 3 erstmals solche Kategorien wie "überteuert durch nutzloses Laufwerk" oder "imitativ statt innovativ" allgemein salonfähig gemacht hat. Weil es viele zum ersten Mal ernsthaft zum Nachdenken über die Alternativen gebracht hat. Solche Ansichten können schnell einen selbst verstärkenden Effekt entwickeln. Viele Konsumenten wollen auf der Seite des "Gewinners" sein - manch unreifer Fanboy, weil er daraus Selbstwertgefühl bezieht; viele rational entscheidende Gamer einfach, weil es größere Spieleauswahl und längere Produkt-Lebenszyklen verspricht. Aber dabei zählt ja nicht nur, was man selbst für das beste Produkt hält, sondern auch von welchem man erwartet, dass es DIE MEISTEN ANDEREN dafür halten (oder zumindest kaufen) werden. Oder, simpler: Nothing succeeds like success. Und der große Unterschied zu den ersten Lebensjahren der PS2 ist diesmal, dass nun auch die Konkurrenz gut aufgestellt ist.

Im Gegensatz zu Sony präsentierte Microsoft sich selbstbewusst, solide und seriös. Man hatte wohl seine Lektion gelernt aus den spöttischen Reaktionen auf den manischen Pressekonferenz-Auftritt von J. Allard letztes Jahr. Aber Microsoft hatte auch schlicht den Vorteil, als einziger der drei Kontrahenten ein bereits auf dem Markt befindliches Produkt bewerben zu können. Das entspannt ungemein.

Entsprechend gab es auch systemseitig kaum neue Ankündigungen die Xbox 360 betreffend. Interessanter, aber noch sehr vage waren die Aussagen zur Game-Orientiertheit von Windows Vista - relevant für den "Konsolen-Krieg" insofern, als Microsoft eine Zusammenführung der Online-Communities von Xbox Live- und PC-Spielern beabsichtigt.

Xbox Live bleibt eine der stärksten Waffen Microsofts - Sony scheint von dem Online-Service so begeistert, dass die gezeigte Benutzeroberfläche für den eigenen geplanten Dienst von einer geradezu frechen Ähnlichkeit war. Sony will punkten, indem es seinen PS3-Online-Dienst im Gegensatz zu Live prinzipiell kostenlos macht. Aber der Schuss könnte auch nach hinten losgehen: Sony will es den einzelnen Spiele-Publishern überlassen, nach Belieben Online-Gebühren für ihre Titel zu erheben. Und da könnten sich viele Spieler schnell wieder nach einer (moderat) bezahlten Infrastruktur wie Live sehnen, die alle Games kostenlos nutzen, statt nach monatlichen Rechnungen pro Spiel.

"Alles was Du kannst, kann ich auch"

Auch softwareseitig profitierte Microsofts Auftritt von der gut etablierten Angriffsstellung der Xbox 360: Nüchtern betrachtet war das Spiele-Aufgebot auch nicht SOVIEL eindrucksvoller als das Sonys. Aber die Kernmission ist geglückt: Den Leuten vorerst keinen zwingenden Grund zu geben, sich für eine PS3 zu entscheiden. Sony mit dem deutlich teureren Gerät ist im Zugzwang bei dem "Alles was Du kannst, kann ich besser"-Gefecht. Microsoft reicht zunächst ein "Alles was Du kannst, kann ich auch". Um dann mit HALO 3 nachzutreten.

Vielleicht der größte Coup Microsofts war die Ankündigung, dass GTA 4 im Oktober 2007 ZEITGLEICH auf der Xbox 360 und der PS3 erscheinen wird. GTA III, GTA: VICE CITY und GTA: SAN ANDREAS waren zentrale Meilensteine in der PS2-Erfolgsgeschichte, und die Reihe war - man mag das persönlich finden, wie man will - für einen nicht unerheblichen Teil der Gamer das entscheidende Argument für die Anschaffung einer PlayStation. Auch wenn GTA nie ein reines Sony-Exklusivprodukt war (die von dem unabhängigen Entwickler Rockstar produzierte Reihe erschien mit großer Verspätung auch auf der Xbox), hatte sie für den Konzern doch letztlich eine größere Bedeutung als die wirklich hauseigenen Spiele wie z.B. die JAK oder RATCHETT & CLANK-Games.

Im Gegensatz dazu genießt HALO von dem von Microsoft aufgekauften Softwarehaus Bungie nicht nur garantierte Xbox-Exklusivität, sondern auch einen Status als eine der momentan "heißesten" Franchises. (Selbst wenn die Einzelspieler-Missionen der bisherigen zwei HALO-Teile nie ganz die Brillanz von Bungies Mac-Klassiker MARATHON erreicht haben.) Von der Bedeutung dieses einen Spiels abgesehen (GTA 4 könnte sich ja theoretisch immer noch als qualitativer Flop erweisen, oder in anderthalb Jahren vielleicht gar nicht mehr so sehr den Geschmack der Gamer treffen wie die GTA-Iterationen dieser Generationen - weiß man's?) ist diese Nachricht als Signal an andere Spiele-Entwickler eminent wichtig: Wenn schon die mächtigste aller Games-Serien auf Xbox 360 und PS3 gleichermaßen setzt...

Da allgemein davon ausgegangen wird, dass die HD-Generation die Entwicklungskosten für Spiele noch einmal spürbar nach oben treiben wird (all die zusätzlichen Details, der verlangte Abwechslungsreichtum, der größere "Realismus" generieren sich ja nicht von alleine), wird es für immer weniger unabhängige Entwickler sinnvoll sein, sich freiwillig von einem erheblichen Teil des Gamer-Marktes abzuschotten. Die meisten werden für so viele Konsolen gleichzeitig veröffentlichen wie möglich. Auf paradoxe Weise ist dabei die angebliche technische Unterlegenheit der Xbox 360 gegenüber der PS3 (sofern sie sich überhaupt je wirklich MERKLICH materialisiert) sogar ein möglicher Vorteil für Microsoft: Der überwiegende Teil der Entwickler von Multiplatform-Titeln wird die Spezifikationen seiner Titel (auch) am "schwächeren" System ausrichten. Es ist kaum zu erwarten, dass solche Spiele dann auf der PS3 großen Mehrwert über evtl. höhere Auflösung hinaus bieten werden.

Noch einmal: Microsoft kann mit qualitativem Gleichstand beim Software-Angebot prima leben - denn dann kommt das Preis-Argument voll zu ihren Gunsten zum Zuge. (Besonders, wenn im November noch die von allen erwartete erste große Preissenkung der Xbox 360 wirklich erfolgt.) Und auf der E3 gab es noch wenig Überzeugendes, was die PS3 ganz für sich hätte. Ubisofts ASSASIN'S CREED, vielleicht der eindrucksvollste Titel der PS3-Präsentation, lief als Demo angeblich auf einer nur notdürftig verhüllten Xbox 360. Und selbst die Trumpfkarte, Hideo Kojimas nächste Anschleich-Soapopera METAL GEAR SOLID 4 (nur als Trailer) präsent), wird vermutlich - wie seine Vorgänger - nur vorübergehend Sony-exklusiv sein und auf Microsofts Konsole nachgereicht werden.

Die "nächste Generation" des Videospiels

Noch unangenehmer für Sony: Das exklusive RESISTANCE: FALL OF MAN musste sich in Demo-Gestalt dem thematisch und stilistisch sehr ähnlich gelagerten Microsoft-eigenen GEARS OF WAR geschlagen geben. Und auch wenn das Schwert-Hickhack von HEAVENLY SWORD recht hübsch aussah: Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass sich auf der Xbox 360 nicht ein ziemlich ähnliches Spielerlebnis finden wird.

Bild: Heavenly Sword

Denn man konnte überhaupt insgesamt den Eindruck gewinnen, dass die "nächste Generation" des Videospiels noch eintöniger zu werden droht und fast vollständig aus urbanen, in düstere Staubtöne getauchten 3rd- und 1st-Person-Kriegs-Shootern und steroidgefluteten, fantasylastigen Hack'n'Slash-Orgien besteht - mit ab und zu mal einem Rennspiel zwischendurch. Mehr als alles, was Nintendo tatsächlich am Start hatte, war es das repetetive Aufgebot an Sony- und Microsoft-Titeln, das einen an Nintendos Credo glauben lassen konnte, dass dringend ein Ruck gehen müsse durch diese Branche. (Zu den Titeln, die einem jenseits von Nintendo Hoffnung geben konnten, gehörte BIOSHOCK (Xbox 360 und PC) - der indirekte Nachfolger zu dem PC-Game-Klassiker SYSTEM SHOCK 2.)

Die Frage bleibt dennoch, ob Microsoft seinen zeitlichen Vorsprung auch wirklich nutzen kann und sein ambitioniertes Ziel von 10 Millionen verkauften Xbox 360 bis zur Markteinführung der PS3 in die Tat umsetzen. Denn der Gates-Konzern hat eben nicht nur geschickt Sony zu einem Frühstart in die nächste Konsolen-Generation gezwungen - er steht selbst noch unter Beweiszwang, dass die Xbox dringend schon JETZT einen Nachfolger brauchte. Momentan sieht es ziemlich danach aus, als würde sich die bisherige Versorgungslücke der Xbox 360 in Bezug auf wirkliche "Haben muss!"-Spiele noch mindestens bis 2007 fortsetzen und nur alle paar Monate von einem ELDER SCROLLS IV: OBLIVION oder GEARS OF WAR unterbrochen werden.

Microsofts Achillesferse

Und Microsofts Achillesferse im internationalen Games-Geschäft ist freilich Japan, das eigentliche Heimatland der Videospiele und fest in Sonys und Nintendos Hand. Dort liegen derzeit die Verkaufszahlen der Xbox 360 nicht nur unter den ohnehin schon verschwindend geringen damaligen der Xbox, sondern nur knapp über (und zeitweise sogar unter) den aktuellen des in seinen letzten Zügen röchelnden Nintendo Gamecube. Allerdings gilt auch hier: In der kommenden Spiele-Generation werden die unabhängigen Hersteller immer mehr auf den globalen Markt eingestellt sein, werden sich Umsätze auf multiplen Konsolen seltener entgehen lassen, selbst wenn diese nur im Ausland winken.

So überzeugend Microsofts solider Messe-Auftritt für den rational abwägenden Gamer auch gewesen sein mag - er hatte einen großen Nachteil: Er ließ keine Emotionen hochkochen. Sony mag wegen seiner Preisankündigung jede Menge negativer Presse bekommen haben - aber sie haben damit halt erstmal jede Menge PRESSE bekommen. Microsoft hingegen war in der E3-Berichterstattung der Mainstream-Medien mit Abstand am wenigsten präsent. Und da liegt momentan noch das entscheidendste Problem der Xbox: Im Kampf um die "Mindshares". Womöglich wäre der größte Erfolg, den Microsoft in dieser Runde des Duells gegen Sony erringen könnte, dass die Mainstream-Konsumenten bei Videospielkonsolen nicht automatisch "PlayStation" als Synonym denken.

Nintendo: Neuer Krieg, neues Glück?

Nintendo war in der allgemeinen Wahrnehmung der große "Gewinner" der E3 2006. Der Nintendo-Stand hatte die angeblich längsten Warteschlangen der Messe-Geschichte, und viele Skeptiker zeigten sich nach ersten eigenen Erfahrungen mit Wii vorerst überzeugt. Wie sehr pures Vertrauen, bloßer Glauben auch echten Geldwert hat, lässt sich an der Entwicklung von Nintendos Aktienkurs erkennen.

Was Nintendo auf jeden Fall gelungen ist: Zu beweisen, dass der Controller prinzipiell so funktioniert wie versprochen. Das Gefühl zu verbreiten, dass es schlicht SPAß macht, mit ihm zu spielen. Und dass die Leute ungeheuer neugierig auf Wii sind. Zudem hat Nintendo es geschafft, in den Mainstream-Medien DIE große Story dieser E3 zu sein. Gab es in der nicht spezialisierten Presse und TV auch nur einen Messebericht, in dem nicht Nintendos kleines Tennis-Demo den prominentesten Platz einnahm? (Das Tennis-Spielchen gehört zu einer Reihe von simplen, den Controller weidlich ausnutzenden Sport-Simulationen (Golf, Baseball), die vermutlich gesammelt in einem Spiel erscheinen werden.)

Mehr noch: Nintendo ist sogar in der einmaligen Lage, dass beide seiner Mitbewerber ihren potentiellen Kunden explizit den Kauf einer Wii-Konsole ans Herz gelegt haben. Als Zweit-Konsole, gewiss, nach dem eigenen Produkt, versteht sich. Und selbstverständlich nur, weil man Nintendo gar nicht mehr auf dem selben Schlachtfeld mit sich selbst sieht.

Das Potential des Wii

Aber einfachste Mengenlehre lässt ja schon vor dem Potential des Wii erschaudern, wenn man überlegt, was es hieße, wenn wirklich die meisten der (sich nicht überlappenden) Käuferschichten von Sony und Microsoft noch eine Nintendo-Konsole zusätzlich zulegen würden UND dazu noch ein paar Leute, die sonst gar nicht videospielen... Damit hat Nintendo wohl die wichtigste Mission in dieser PR-Schlacht bravourös erfüllt. Wii ging aus der E3 als die Konsole hervor, für die sich jeder zu interessieren scheint. Was, verbunden mit der einfachen, weitgehend vom Gamecube vertrauten Entwicklungsumgebung und den damit verbundenen niedrigeren finanziellen und zeitlichen Anforderungen für Wii-Titel auch einige unabhängige Software-Häuser anlocken sollte.

Bei all der Euphorie ist aber untergegangen, dass auch der Mario-Konzern noch Raum für Zweifel gelassen hat. Prinzipiell kann man Nintendo nur zustimmen bei der Behauptung, Grafik allein mache kein Spiel, Gameplay sei viel wichtiger. Aber bei manchen der Präsentationen wurde man das Gefühl nicht los, dass Nintendo daraus nicht nur einen fragwürdigen Umkehrschluss ableitet, sondern im Begriff ist, diesen zum Dogma zu erheben: "Zu aufwendige Grafik schadet dem Spielspaß." Man kann nur hoffen, dass Nintendo nicht zu radikal vernachlässigt, dass der Mensch halt doch ein Augentier ist und sein Spaß am Spiel auch darunter leiden kann, wenn er visuell zu unsanft aus der Spielwelt-Illusion geschubst wird.

Fast alle Erfahrungsberichte sprechen außerdem davon, dass der Wii-Controller zunächst einiges an Gewöhnung verlangt. Genau das aber wollte Nintendo doch eigentlich mit diesem Interface abschaffen - es sollte für jedermann sofort intuitiv bedienbar sein. Gewiss, alle Berichte sprechen auch davon, dass die Gewöhnungsphase nur Minuten dauert, und dass danach das Spielgefühl in vielen Fällen begeisternd sei. Aber wie viele Minuten kann sich Wii erlauben, bevor der ursprünglich an Videospielen nicht interessierte potentielle Kunde beim Probespiel den Controller wieder verwirrt, enttäuscht aus der Hand legt und beschließt, dass die ganze Sache nichts für ihn oder sie ist?

Außerdem ließen einige der Erfahrungsberichte durchschimmern, dass der Controller möglicherweise als virtuelles Zeige-Instrument doch nicht die millimetergenaue Präzision an den Tag legt, die man sich von ihm erhoffte. Klar: Wir haben es hier mit neuer, ungewohnter Technologie zu tun, und die Software-Entwickler brauchen verständlicherweise eine Weile, um zu erkunden, was mit dem Controller möglich ist und was nicht, und wie man das Mögliche am besten in angemessenen Spielen implementiert. Aber wie bei der Eingewöhnungsphase für die Spieler selbst ist hier die entscheidende Frage, wie breit das "window of opportunity" ist, das Zeitfenster, in dem in der öffentlichen Wahrnehmung ein paar Fehltritte, Startschwierigkeiten verziehen würden - bevor die Meinung umschlüge und Wii als gescheitertes Experiment dastünde.

Das macht die (praktisch unvermeidbare) Strategie auch etwas riskant, zur Wii-Markteinführung nicht nur mit völlig neuen, für den Controller maßgeschneiderten Spielen an den Start zu gehen, sondern auch mit adaptierten Versionen der klassischen Nintendo-Franchises. METROID PRIME: CORRUPTION muss den Beweis erbringen, dass der Controller wirklich die erhoffte Ideallösung ist für First Person-Shooter - und scheint davon noch ein Stück weit entfernt. Hat aber auch noch ein halbes Jahr, um auf die Messe-Rückmeldungen zu reagieren. Potentiell noch problematischer ist das neue ZELDA-Spiel, THE TWILIGHT PRINCESS. Ursprünglich für den Gamecube entwickelt und auf diesem auch in einer "traditionellen" Variante erscheinend, hat man ihm für die Wii-Version eine neue Kontroll-Mechanik auftransplantiert - mit für's Erste anscheinend noch eher zwiespältigem Resultat.

Es ist eine für Nintendo essentielle Aufgabe, bei diesem Titel - der sicher mehr Aufmerksamkeit von Nintendo-Fans bekommen wird als jeder andere - den Einsatz des neuen Controllers 100% richtig hinzubekommen: Für einen erheblichen Teil der traditionellen Gamer wird dieses Spiel wohl den ersten und prägenden Eindruck des Wii-Controllers liefern und damit ihre Meinung dazu formen. Nintendo sollte es sich - egal wie gut und integral der Controller in allen anderen Wii-Titeln funktionieren mag - nicht leisten, hier den Eindruck eines überflüssigen und unausgegorenen Gimicks aufkommen zu lassen.

Geschickt orchestrierte Informationspolitik

Immerhin lässt SUPER SMASH BROTHERS BRAWL sich nicht zur Neuigkeit um der Neuigkeit Willen verleiten und wird auch mit traditionellen Pads spielbar sein Und andererseits versprechen WARIO WARE und - wen wundert's - Shigeru Miyamotos SUPER MARIO GALAXY schon jetzt, zweifelsfrei vorzuführen, wie der Wii-Controller zum Spaß-Mehrwert führt.

Bild: Super Smash Brothers Brawl

"Spaß" - das war, allen leisen Zweifel zum Trotz - eben doch die große, alles beherrschende Botschaft, die Nintendo vermitteln konnte. Und man muss den japanischen Konzern bewundern, wie sehr er es bisher geschafft hat, die öffentliche Wahrnehmung des Wii zu lenken und auf den jeweils gewünschten Punkt zu fokussieren. Nintendo verfolgt bisher eine geschickt orchestrierte Informationspolitik, die der von Sony ziemlich exakt entgegenläuft: Während Sony einmal mehr seinem Ruf gerecht wird, zunächst erstmal das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen und dann irgendwann nur einen Eimer himmelblaue Farbe zu liefern, gelingt es Nintendo bisher erstaunlich gut, Wii mit jeder neuen Ankündigung noch ein Stück attraktiver erscheinen zu lassen (von der Enthüllung des fragwürdigen Namens einmal abgesehen - die man aber klugerweise lang genug vor der E3 über die Bühne gebracht hat, dass sie da nicht die Spiele-Präsentation überschattete).

Nintendo blieb auch auf der Messe bei seiner homöopathischen Taktik der Informationspreisgabe. Die einzige echte Neuigkeit auf der E3 in Bezug auf die Hardware war, dass der Wii-Controller auch einen Lautsprecher eingebaut haben wird: Der soll die Einbindung in die Welt der Wii-Spiele verstärken, indem aus ihm z.B. das "Tock" eines auf den virtuellen Schläger treffenden Tennisballs, das "Klang!" sich kreuzender Schwerter, das Schussgeräusch einer Waffe ertönt. Auffällig durch völlige Abwesenheit aber waren jegliche konkretere Ankündigungen zur "Virtual Console" - dem Online-Service, über den Wii mit klassischen Spielen aller bisherigen Nintendo-Konsolen vom NES über SNES bis zum N64 versorgt werden soll (Gamecube-Spiele sind direkt von der Disc kompatibel).

Trümpfe in der Hinterhand?

So bleibt das Gefühl, dass Nintendo noch potentielle Trümpfe in der Hinterhand hat. Zu denen, wenn sich die allgemeinen Erwartungen erfüllen, auch der noch nicht offiziell verkündete Preis der neuen Konsole gehören sollte. Man rechnet allgemein mit $200/€200 bis maximal $250/€250. Aber wenn Nintendo wirklich klug ist - und immer, wenn man davon grade wieder überzeugt ist, dann tun sie fast zwangsläufig etwas, das nahezu selbstmörderisch scheint... z.B. die Konsole "Wii" zu nennen -, wenn Nintedo also WIRKLICH klug ist, dann packen sie zum Wii standardmäßig zwei Controller und eine Disc mit den einfachen Sport-Spielchen in den Karton und pappen ein Preisschild von $150/€150 drauf.

Es würde Wii zum fast unschlagbaren Angebot machen - und verdeutlichen, worauf das Konzept letztlich hinausläuft: Die Wiedergeburt des "Telespiels" mit anderen Mitteln. Man mag als gestandener Gamer die übertrieben simplifizierte Grafik, das stark vereinfachte Spielprinzip des Tennis-Demos misslaunig beäugen. Aber man muss anerkennen, wie es Nintendo genau damit gelungen ist, ein Spektakel auf und vor den Bildschirm zu zaubern, das jedem Mainstream-Betrachter unmittelbar einleuchtet. Das Genie von PONG war eben, das ALLE es kapiert haben. Und auf einen solchen Appeal zielt Nintendo ab - bisher mit Erfolg, wie das Medienecho zeigt.

Wii dürfte mit ziemlicher Sicherheit die einzige der drei neuen Konsolen sein, die überhaupt das Zeug dazu haben könnte, großflächig in normale (nicht-Gamer) Wohnzimmer Einzug zu halten. Die gute Nachricht für Nintendo: Damit könnte man das nächste Atari werden - ein phänomenal erfolgreicher Hersteller, der eine Videospielkonsole (wie einst das VCS2600) in eine ungeahnte Zahl von Haushalten bringt und nicht nur Männer zwischen 12 und 32 vor dem Bildschirm versammelt. Die schlechte Nachricht für Nintendo: Damit könnte man das nächste Atari werden - ein einst phänomenal erfolgreicher Hersteller, der zusehen musste, wie sein riesiger Markt implodierte, nachdem der Mainstream an dem neuen Spielzeug das Interesse wieder verloren hatte.

Aber das wäre dann - vorausgesetzt Wii erfüllt die hoch gesteckten Erwartungen - frühestens ein Problem für die ÜBERNÄCHSTE Generation. Und bis es soweit ist, steht ja doch erstmal eine Runde im "Krieg der Konsolen" an, die verspricht, so offen und spannend zu werden wie lange keine mehr.