Schaumbadblogger

Schleich-, Stolper- und Blogwerbung

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Es war einmal eine Firma, die, sagen wir mal, Badezusätze herstellte. Diese Badezusätze, profan auch Schaumbad genannt, hatten ein verbesserungsbedürftiges Image: Hip sollten sie sein, jung, nah am modernen Menschen, aber keinesfalls altbacken oder gar prollig. Deshalb hatte die Firma auch viel Aufwand in die Entwicklung eines neuen Schaumbads gesteckt.

Und um dieses Schaumbad angemessen zu promoten, hatte die Firma eine ganz neue Idee: Gab es da nicht diese Leute mit den trendigen "Internettagebüchern mit Katzenbildern", Blogger? Wäre es nicht eine geniale Idee, diese Leute das eigene Produkt testen und in ihren Weblogs darüber schreiben zu lassen? Natürlich ohne Maulkorb und in ihrem eigenen Stil. Und das Ganze könnte man dann noch per RSS in einem Sammelblog syndizieren, damit die Leser immer einen schönen Überblick haben. Als Anreiz sollte eine kostenlose Teststellung des Produkts für vier Wochen dienen, außerdem noch Spesen – für die Anschaffung einer Badewanne zum Beispiel, oder für die Fahrtkosten, um Freunde mit Badewanne aufzusuchen und mit denen zusammen das Schaumbad zu testen.

So weit, so gut. Es fand sich dann auch eine Handvoll mehr oder weniger bekannter Blogger, die Lust hatte, mitzuspielen. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten (einige Schaumbad-Duftnoten waren gerade nicht vorrätig) konnte es losgehen: Die Blogger schäumten und bloggten, was das Zeug hielt.

Aber nicht nur die Blogger schäumten, sondern auch die Blogosphäre. Die Schaumbadblogger verlören ihre Glaubwürdigkeit, hieß es da. Einige führten an, dass einer der Tester seit Jahren schon kein Schaumbad mehr genommen habe und sich nur mit Duschen und Duschgels auskenne, und eine andere schwöre auf Kernseife. Die könnten vielleicht Duschgels oder Kernseife testen, aber sicher nicht Schaumbäder. Andere wandten ein, dass es doch gar nicht darum gehe, sondern darum, wie anwendbar das Schaumbad auf die unterschiedlichen Badetypen sei.

Die Schaumbadblogger und ihre Leser und Mitblogger hatten sich plötzlich gar nicht mehr lieb, sogar mit Handgreiflichkeiten wurde gedroht – das aber nur scherzhaft, leider hatte da die Hälfte der Leser schon ihre Ironiesensoren eingebüßt und ein harmloses Geplänkel einfach aufgeschäumt.

Bei der ganzen Diskussion ging es nur noch am Rande um das Schaumbad selbst. Freilich, einige konnten sich nicht verkneifen, anzumerken, dass sie selbst in feinster Eselsmilch badeten und das Schaumbad unter ihrem Niveau läge, und sie illustrierten das ausführlich in Text und Bild in ihrem eigenen Blog und fanden zustimmende Leser. Es wurde darüber spekuliert, inwieweit die ganze Kampagne nicht nur der Glaubwürdigkeit der Schaumbadblogger, sondern auch dem Schaumbadhersteller schade, der sicher nicht mit einer Schaum… Schlammschlacht gerechnet hätte. Dem Schaumbadhersteller freilich konnte es egal sein, denn er freute sich darüber, in den Top 10 bei Technorati zu landen und Gesprächsthema Nr. 1 zu sein: „Nur keine Publicity ist schlechte Publicity.“

Und weil das Ganze so gut funktionierte, kamen auch andere Hersteller auf die Idee, auf diesem Weg Werbung über Blogs zu machen. Blogger testeten Bier, Kaugummis, Kondome, und die Vergütung für die Produkttests brachte immerhin ein wenig mehr ein als die gesponsorten Links, die sich bisher immer so gern als Menüs getarnt in vielen Blogs versteckt hatten. Eine Schattenseite hatte das allerdings auch: wagte einer mal einfach so über ein Produkt zu schreiben, zum Beispiel weil er der Omi mit Hilfe eines Blumenversenders Rosen zum Geburtstag schickte und das so gut geklappt hatte, hieß es sofort, er sei von denen bezahlt worden und hätte nur den Werbe-Button vergessen, der jeden gesponsorten Beitrag kennzeichnen muss.

Das war aber weiter nicht schlimm, weil es sowieso kaum noch möglich war, irgendwelche Markennamen irgendwo im Web zu erwähnen, ohne vorher einen Lizenzvertrag mit dem Markeninhaber geschlossen zu haben. Ab da waren zwar nicht die Autoren, aber doch wenigstens die erwähnten Personen und Produkte anonym, und man musste Werbung auch nicht mehr explizit kennzeichnen, weil sowieso klar war: wenn irgendwo ein Produktname im Klartext steht, muss es bezahlte Werbung sein. Das war dann Web 3.0, denn "Jehova" durfte man ohne vorherige Genehmigung nicht mehr sagen.

Disclaimer: Diese Geschichte ist frei erfunden und dediziert unglaubwürdig und hat selbstverständlich rein gar nichts zu tun mit irgendwelchen Auto-Blogs oder damit verbundenen Glaubwürdigkeits-Diskussionen und Berichten