Das texanische "Virtual Border Watch Program"

Um die Grenze zu Mexiko besser überwachen zu können, will der texanische Gouverneur Hunderte von Überwachungskameras installieren, deren Bilder von allen Internetbenutzern beobachtet werden können

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Seit einigen Jahren kontrollieren Freiwillige die Grenzen zu Mexiko, um eine weitere illegale Einwanderung von Immigranten zu verhindern und gegen die angebliche Laschheit der Regierung zu protestieren. Obgleich die US-Regierung unter Druck (Schmaler Grat) steht und ihr Einwanderungsgesetz verbunden hat mit einem Programm, die Grenze besser und weitere Hunderte von Kilometern durch einen neuen Sicherheitszaun abzudichten (Milliarden für die virtuelle Mauer), wollen die Zuwanderungsgegner, die auch schon mit Drohnen experimentierten, nun mit eigenen Mitteln weitere Zäune bauen. Dem Gouverneur von Texas ist eine weitere Idee eingefallen, um an Ansehen bei den Immigrationsgegnern zu gewinnen: Er will Überwachungskameras installieren, die von Freiwilligen beobachtet werden.

Die Gruppe mit dem martialisch klingenden Namen Minuteman Civil Defense Corps will mit Spenden selbst einen Grenzzaun nach israelischem Modell bauen

Die Idee zu seinem „Virtual Border Watch Program“ ist Rick Perry vielleicht aus dem Alten Europa gekommen. In London wurde in einem Stadtteil ein System mit Überwachungskameras eingerichtet, auf die alle Bürger von diesem zugreifen können, um verdächtige Personen zu beobachten und zu melden (Den Papst klonen). So spart man sich das Personal und schöpft die Neugier oder die Angst der Menschen aus, die sich nicht mehr wie früher aus dem Fenster lehnen, um alles in ihrer Umgebung mitzubekommen, sondern gemütlich vor dem Bildschirm sitzen und mutmaßliche Störenfriede entdecken können. Die Gruppe American Border Patrol hatte bereits letztes Jahr eine Kamera an der Grenze in Arizona aufgestellt, die mit dem Internet verbunden war. Angemeldete Internetbenutzer konnten die Bilder einsehen und die Kamera auch drehen. Man tut also in unseren Zeiten der Sicherheits- und Terrorismushysterie Gutes, wenn man eifrig in die Glotze starrt. Die Kamera der American Border Patrol wurde aber wieder abgebaut, weil man keine Gelder mehr hatte, wohl aber auch, weil das Interesse erlahmte. Allzu spannend ist es nicht, über Stunden in die Wüste zu starren.

Der texanische Gouverneur Rick Perry will nun für seinen dreistufigen Plan, die Grenze an den Lücken zu sichern, die eine „unzulängliche Finanzierung“ der US-Regierung hinterlässt, Überwachungskameras und das Web einsetzen. Perry stockt die Gelder für die Grenzsicherung mit 20 Millionen Dollar auf und hofft, weitere 100 Millionen Dollar für zusätzliches Personal zu erhalten. Perrys Initiative setzt sich klar ab von der Bush-Regierung, zu der er in Distanz geht. So wird vor allem auch kritisiert, dass Texas 30 Prozent weniger Gelder vom Heimatschutzministerium zur Terrorabwehr erhält, obwohl es doch die längste Grenze zu Mexiko habe und es bekannt sei, dass al-Qaida-Mitglieder vornehmlich aus Mexiko über die Grenze in die USA gelangen wollen.

Webseite des Überwachungsprojekts der American Border Patrol

Mit 5 Millionen Dollar sollen nun Hunderte von Überwachungskameras gekauft, installiert und mit dem Web verbunden werden. Die Überwachungskameras werden auf Grundstücken und Ländereien direkt an den Grenzabschnitten aufgestellt, die dafür bekannt sind, dass hier „kriminelle Aktivitäten“ geschehen, und deren Besitzer damit einverstanden sind. Dabei geht es allerdings vor allem um illegale Einwanderer, al-Qaida-Terroristen sind bislang nicht über die Landgrenze gekommen. Die Landbesitzer sollen dann mit den Kameras ihren Besitz „überwachen und vor denen beschützen, die ihre Familien gefährden können“.

Die Bilder der Überwachungskameras gehen auch direkt an die Behörden und können zudem über das Internet von allen eingesehen werden, die sich an der „Virtual Border Watch“ beteiligen wollen. Die Kameras laufen 24 Stunden am Tag und sind auch für die Nachtsicht geeignet. Wer etwas Verdächtiges bemerkt, kann die Grenzpolizei alarmieren. Das sei auch nichts anderes als die „Neighbourhood Wtach“-Programme, die es in den USA schon seit Jahrzehnten gebe.

Offenbar will Perry die Einsicht in die Bilder der Überwachungskameras weltweit allen Internetbenutzern offerieren. Das würde möglicherweise auch dafür sorgen, dass dann, wenn die Texaner schlafen, die Menschen, die in anderen Zeitzonen wach sind, die Kontinuität der Beobachtung sichern. Es wäre tatsächlich, wie Perry meinte, eine „wirklich lange Nachbarschaft“. Zudem können aber auch diejenigen, die heimlich über die Grenze gehen wollen, die jeweiligen Orte noch einmal ausspähen, ob sich in ihrem Sinne dort etwas Verdächtiges sehen lässt.

Indem wir neue Videotechnologie und die Möglichkeiten des World Wide Web ausnutzen können wir, mit einer höheren finanziellen Beteiligung durch den Bundesstaat Texas, unsere Grenze starker und unsere Nation sicherer machen. Eine stärkere Grenze ist das, was die amerikanischen Menschen wünschen und was unsere Sicherheit erforderlich macht. Und es ist das, was Texas bereitstellen wird.

Rick Perry
Überwachungskamera am Grenzzaun zwischen Mexiko und den USA. Foto: Christian Peacemaker Teams

Perry zieht für das kollektive Überwachungsprojekt alle Register der Begründung. Man will nicht nur Einwanderung verhindern, sondern auch die angeblich zunehmende Kriminalität bekämpfen. So sei in den letzten Monaten die Zahl der Kämpfe der Polizei mit Kriminellen angestiegen, bei denen es zu Schießereien kam. Eine Untersuchung von Dokumenten der Texas Rangers habe überdies kürzlich offenbart, dass mindestens einmal „das mexikanische Militär auf das souveräne Territorium der USA eingedrungen“ ist. Das sei zwar schon einige Jahre her, aber gebe Anlass zur erhöhten Wachsamkeit angesichts anderer Vorfälle in letzter Zeit, in denen es zwischen der Polizei und „bewaffneten Männern, die Uniformen trugen, die denen der mexikanischen Armee ähneln“, zu Schusswechseln gekommen sei. Selbst Heimatschutzminister Chertoff bezeichnete die Berichte über das Eindringen von mexikanischen Soldaten als überzogen.

Wie alle Amerikaner finde ich das schrecklich alarmierend und völlig inakzeptabel. Aber mir macht etwas anderes am meisten Sorgen: Wenn unsere Grenze das Eindringen von ausländischen Soldaten mit deutlich erkennbaren Uniformen nicht verhindern kann, wie sieht es dann erst mit einem Feind aus, der keine Uniform trägt, sich darauf spezialisiert hat, eine Erkennung zu vermeiden, und jede Stunde, die er wach ist, damit verbringt, den nächbsten Angriff auf Amerika zu planen?

Rick Perry